COVID-19-Therapien: Autisten benachteiligt
Forscher des King's College London haben Daten aus 15 EU-Ländern unter die Lupe genommen
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Autist: COVID-19 verschärft bestehende Probleme (Foto: pixabay.com, Andrea Don) |
London (pte001/19.05.2021/06:00)
Autistische Menschen haben in Europa während der Pandemie nicht nur mit dem Zugang zu einer gesundheitlichen Standardversorgung zu kämpfen gehabt, sondern laut einer Studie unter der Leitung des King’s College London https://www.kcl.ac.uk auch jene Personen, die an COVID-19 litten. Die wahrscheinlichen Konsequenzen dieser Ausweitung der bereits bestehenden gesundheitlichen Ungleichheiten für diese Personengruppe dürfte ein Anstieg der damit in Verbindung stehenden Todesfälle, ein schlechter Gesundheitszustand, Verhaltensprobleme und eine schlechte Lebensqualität sein, warnen die Autorinnen und Autoren.
Inmitten der Besorgnis, dass die Pandemie gefährdete Gruppen von Dienstleistungen im Bereich Gesundheit und Pflege ausgeschlossen hatte, untersuchten die Wissenschaftler die regionalen und nationalen Strategien und Richtlinien von 15 Ländern der Europäischen Union. Diese Unterlagen wurden zwischen März und Juli 2020 veröffentlicht. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem Zugang zu einer Behandlung gegen COVID-19 für autistische Menschen.
Konkret wurden der Zugang von autistischen Patienten zu COVID-19 Tests, Bestimmungen für die Behandlung im Krankenhaus und auf der Intensivstation und Veränderungen bei der Standardgesundheitsversorgung und den sozialen Diensten untersucht. Zusätzlich wurden Umfragedaten von Autism-Europe https://www.autismeurope.org zu den Erfahrungen von 1.301 autistischen Menschen und Pflegepersonal in folgenden Ländern analysiert: Spanien, Italien, Griechenland, die Niederlande, Schweiz, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Malta, Belgien, Luxemburg, Österreich, Irland, Polen und Portugal.
[b]Deutliche Barrieren nachgewiesen[/b]
Die Ergebnisse zeigten, dass autistische Menschen sich beim Zugang zu COVID-19 Leistungen mit deutlichen Barrieren konfrontiert sahen. Trotz des erhöhten Risikos einer schweren Erkrankung bei einer Infektion aufgrund bereits bestehender Erkrankungen, wurden autistische Patienten bei COVID-19 Tests kein Vorrang eingeräumt. Die Studienautoren zeigen auf, dass zwischen 5 und 25 Prozent der autistischen Menschen in einer Heimbetreuung leben. Bis zu weiteren 27 Prozent leben in einer betreuten Unterkunft. Dort waren aber die Übertragungsraten während der ersten Welle der Pandemie hoch.
Auch in Ländern, in denen Patienten mit Grunderkrankungen und jene die in einem Umfeld mit hohem Risiko lebten, einen bevorzugten Zugang zu den Tests hatten, gab es keine Beratung für jene Personen, die in betreuten Unterkünften oder der Gemeinschaft lebten. Noch gab es für Autisten eine Beratung zur Verbesserung der Verträglichkeit und damit der Zugänglichkeit von Testvorgängen. Viele der Betroffenen verfügen über sensorische Empfindlichkeiten zum Beispiel bei Abstrichen und können nicht gut mit Veränderungen ihrer Routinen wie dem Besuch einer unbekannten Teststraße umgehen.
[b]Triageprotokolle fehl am Platz[/b]
Zusätzlich waren bei COVID-19 viele ambulante und stationäre Behandlungsmöglichkeiten nur sehr schwer zugänglich. Dafür waren großteils individuelle Unterschiede in den Kommunikationsbedürfnissen wie der Zugang zu Telefondiensten verantwortlich. Schließlich schlossen die Triageprotokolle der Intensivstationen vieler europäischer Länder autistische Patienten direkt oder indirekt von lebensrettenden Behandlungen aus. Viele dieser Protokolle erfordern Beurteilungen der Gebrechlichkeit, die sich auf die Abhängigkeit einer Person von anderen Menschen bei der alltäglichen Krankenpflege und der Körperpflege bezieht.
Obwohl die Unangemessenheit dieser Beurteilungen bei autistischen in manchen Ländern wie auch Großbritannien und den Niederlanden anerkannt wurden, kam es in den europäischen Ländern zu keiner systematischen Einführung von Maßnahmen zur Verhinderung der falschen Anwendung der Beurteilungen von Gebrechlichkeit und kognitiven Funktionen.
[b]Auswirkungen auf Alltag[/b]
Die Antworten auf die Umfrage zeigten schließlich, dass die abrupte Unterbrechung der täglichen Versorgung ohne lindernde Maßnahmen, mehr als 70 Prozent der autistischen Menschen ohne tägliche Unterstützung zurückließen. Rund ein Drittel der befragten gaben mit 35 Prozent an, dass sie täglich Unterstützung brauchten. Ein weiteres Drittel berichtete mit 33 Prozent, dass sie gelegentlich Unterstützung bei den Aufgaben des Alltags brauchten.
Laut den Studienautoren um Bethany Oakley waren die Angebote wie auch Diagnosemöglichkeiten für Autisten schon vor Beginn der Pandemie sehr ausgelastet. Die durchschnittliche Wartezeit für eine Untersuchung kann leicht mehr als ein Jahr betragen. Viele kommunale Dienstleistungen für autistische Menschen mussten zudem eingestellt werden. Die Forschungsergebnisse wurden in „BMJ Open" veröffentlicht.
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