pte20110630013 in Business

Kartell: Deutsche Bahn zehn Jahre lang abgezockt

Hohe Schienenpreise kosten Staatsriesen dreistelligen Millionenbetrag


Schiene: Deutsche Bahn beklagt Millionenschaden (Foto: pixelio.de, Westendarp)
Schiene: Deutsche Bahn beklagt Millionenschaden (Foto: pixelio.de, Westendarp)

Essen/Bochum (pte013/30.06.2011/11:35) Die Deutsche Bahn AG http://www.db.de wurde im Zuge der Schienenbelieferung über einen Zeitraum von zehn Jahren offenbar durch ein Stahlkartell betrogen. Einem Bericht der WAZ-Gruppe nach ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Bochum sowie das Bundeskartellamt wegen des Verdachts auf Ausschreibungsbetrug und unerlaubter Preisabsprachen gegen mehr als 30 Personen in zehn Firmen. Es droht einer der größten Kartellprozesse der letzten Jahrzehnte.

ThyssenKrupp und voestalpine

Detaillierter Sitzungsprotokolle des Kartells nach entstand allein im Jahr 2006 durch zu hohe Abrechnungen auf Basis von Preisabsprachen ein Schaden von bis zu 100 Mio. Euro. Es wird befürchtet, dass der Gesamtschaden im hohen dreistelligen Millionenbereich liegt. Neben der österreichischen voestalpine wird vor allem die ThyssenKrupp-Tochter GfT Gleistechnik in Duisburg beschuldigt. Nachdem die Recherchen vor einigen Wochen begonnen haben, wurde bereits fast die gesamte Führungsmannschaft der GfT Gleistechnik als Folge ausgewechselt.

"In dieser Sache gab es am 11. und 12. Mai dieses Jahres bereits Durchsuchungen bei unseren Töchtern Klöckner Bahntechnik und der TSTG Schienen Technik in Duisburg. Die Vorwürfe sind daher nicht neu. Dennoch sind wir an einer vollständigen Klärung interessiert und arbeiten intensiv und uneingeschränkt mit den Kartellbehörden zusammen", erläutert voestalpine-Sprecher Gerhard Kürner gegenüber pressetext. Entsprechende Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Verhaltensweisen seien gesetzt worden.

Das illegale Kartell, dass sich selbst den Namen "Schienenfreunde" gab und deren Mitglieder sich Namen wie "Hannibal Lecter", "das Brüderchen" und "die Domina" gaben, soll sich bis zu sechs Mal jährlich an wechselnden Orten getroffen haben. Unter anderem in Mainz, am Standort der DB Netz AG, die den Schieneneinkauf für die Deutsche Bahn organisiert. Aber auch in Bottrop, wo das tschechische Stahlwerk Trinec eine Handelsniederlassung unterhält. Zudem traf sich das Kartell in Seevetal bei Hamburg und in Duisburg im Lokal "Da Bruno".

Künstlicher Wettbewerb vorgegaukelt

Dem Bericht zufolge waren die Konzerne Thyssen sowie Krupp über ein Schienenwerk und eine Handelstochter am Kartell beteiligt - aber auch die Neue Maxhütte, Tochterbetriebe der voestalpine, die schwedische Inexa sowie die niederländisch-britische Corus Gruppe. Weiter wurden die Tschechen über den Händler CMC Trinec eingebunden. Das polnische Stahlwerk Huta Katowice soll über den Händler Krupp GfT Gleistechnik integriert gewesen sein. Die Festlegungen der Quoten im Kartell wurden wie auch Probleme in Geheimtreffen besprochen.

Die Gier, die Bahn zu linken, musste koordiniert werden. Dem WAZ-Bericht zufolge mussten "Hannibal Lecter" und "die Domina" immer wieder Ansprüche bändigen. 2006 schieden etwa die Inexa und die Neue Maxhütte wegen eigener Probleme aus. Corus übertrug dem Händler Stahlberg Roensch zudem die Anteile am Kartell. Hinzu kommt der spanische Riese Aceralia, der über den Essener Stahlhändler Ferrostahl zwar in die "Schienenfreunde" drängte, aber nur mit Aufträgen über wenige tausend Tonnen Stahl abgespeist worden war.

Das Vorgaukeln eines künstlichen Wettbewerbs gegenüber der Bahn hat sich ausgezahlt. So zahlte das Staatsunternehmen am Ende über 1.000 Euro für eine Tonne Schienenstahl. Nach dem Aus für das Kartell 2008 fielen die Schienenpreise um mehr als 35 Prozent. Der Grund für das Ende des Geheimbundes war der Umstand, dass ArcelorMittal das polnische Werk Huta Katowice erwarb und daraufhin die Preise des Kartells um rund 35 Prozent unterbot. In der Folge gewann das Unternehmen den größten Einzelauftrag mit der Deutschen Bahn.

(Ende)
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