pte20120328024 Unternehmen/Wirtschaft, Politik/Recht

"Ratingagenturen aktuell systemischer Wahnsinn"

Harsche Kritik bei Podiumsdiskussion im ÖJC - Zahlungsstopp gefordert


Leopold Seiler: Monopole der Ratingagenturen kritisiert (Foto: S. Renlom)
Leopold Seiler: Monopole der Ratingagenturen kritisiert (Foto: S. Renlom)

Wien (pte024/28.03.2012/13:30) "Ratingagenturen haben einen nahezu religiösen Status bekommen", findet Wilhelm Rasinger, Präsident des Interessensverbandes für Anleger http://anlegerschutz.at . Bei einer Podiumsdiskussion im Österreichischen Journalisten Club http://www.oejc.at ging auch der Vermögensberater Leopold Seiler http://www.microfinance.at mit den bekanntesten Ratingagenturen hart ins Gericht. Sein Fazit: "Die Ratings sind unseriös und den Preis nicht wert."

Gutachten Richtung Schönfärberei

Als "systemischen Wahnsinn" bezeichnet Seiler die Entwicklung rund um die drei weltweiten US-Branchenriesen Fitch http://fitchratings.com , Moody's http://moodys.com und S&P http://standardandpoors.com . Bis ins Jahr 2010 nämlich galten deren Bewertungen von Firmen wie Staaten als freie Meinungsäußerung und sind erst seither rechtsverbindlich. "Diese Situation wird gemeinhin als Standard akzeptiert und nicht mehr hinterfragt", sagt der Experte für Wirtschaftsethik. Ein Alternativvorschlag wären etwa Schuldenstreichungen.

Mit ihren Gutachten "Richtung Schönfärberei", so der Experte, machen Ratingagenturen darüber hinaus Politik im Sinne des Schuldners. "Wer das Geld einstreicht, der beurteilt auch. Daran krankt das System." Über die Seriosität von mehr als 850.000 Gutachten pro Jahr, erstellt von rund 1.300 Analysten, müsse ebenfalls laut nachgedacht werden. Seiler erkennt dabei einen verantwortungslosen Umgang mit Nuancen von Wahrheit. Kurz: "Inzucht pur, Kollateralschaden 100 Prozent."

Mehr Ratingagenturen gefordert

Dennoch plädiert Seiler gegenüber pressetext für die Schaffung weiterer Ratingagenturen. "Fünf sind besser als drei, aber 50 Ratingagenturen wären noch besser." Einer mittlerweile viel zitierten europäischen Ratingagentur durch die Unternehmensberatung Roland Berger http://rolandberger.at hat bislang der Sachzwang gefehlt, so der Fachmann. "Gegenwärtig würde diese in den USA auch nicht anerkannt werden." 1999 war der Medienkonzern Bertelsmann http://bertelsmann.de mit einem diesbezüglichen Vorhaben gescheitert.

Bei den europäischen Ländern ist das Bezahlen der Ratingagenturen gängige Praxis. Der österreichische Nationalrat Gerhard Deimek forderte daher unlängst mittels parlamentarischer Anfrage, dass Österreich die jährliche Überweisung von 0,0003 Prozent seines Emissionsvolumens an die US-Ratingagenturen aussetzt. "Intransparente Finanzmarkt-Schiedsrichter sind unnötig, die Bevölkerung vor deren Erpressungsversuchen zu schützen."

(Ende)
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