Lehman-Jubiläum: Banken zocken weiter
attac bemängelt Regulierung - "Finanzmarkt macht Gesetze selbst"
![]() |
Lehman Brothers New York wenige Tage vor der Pleite (Foto: pixelio.de, Claus-P. Schulz) |
Frankfurt/Wien (pte025/14.09.2009/12:55) An den Spielregeln im globalen Finanzsystem hat sich auch ein Jahr nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers nichts Grundlegendes geändert. So lautet der zentrale Vorwurf des globalisierungskritischen Netzwerks attac http://www.attac.de an Politik und Wirtschaft. "Entgegen allen Beteuerungen und Deklarationen wurde keine einzige substanzielle Reform umgesetzt, welche die Ursachen der Krise bekämpfen würde", kritisiert Karin Küblböck, Mitbegründern attac Österreich, im Gespräch mit pressetext. So werde etwa nicht in Frage gestellt, dass Banken ihre Risiken weiterhin selbst einschätzen können. Das Kernproblem bei der Durchsetzung schärferer Finanzmarktregeln besteht der Organisation zufolge darin, dass die Regulierung selbst von Vertretern der Finanzindustrie bestimmt wird.
"Der Finanzsektor sollte eigentlich ein Subsektor einer Volkswirtschaft sein", meint Küblböck. Stattdessen würden Vorschläge für eine schärfere Regulierung gegen das öffentliche Interesse erfolgreich verwässert. In den Regulierungskommitees wie etwa der Larosiére-Kommission, die auf EU-Ebene Vorschläge für eine Systemreform ausarbeiten soll, "sitzen ausschließlich Vertreter der Finanzindustrie, die sich in der Vergangenheit für eine De-Regulierung des Finanzsektors eingesetzt haben". Somit gestalte die Branche ihre Gesetze selbst und diktiere die Spielregeln für alle anderen Wirtschaftssektoren gleich mit. In den Beratergremien finden sich mitunter der ehemalige Managing Director der Lehman-Group oder Citigroup-Manager wieder. "Diese sollen nun Vorschläge einbringen, um selbst stärker reguliert zu werden. Das kann nicht funktionieren, wie am Ergebnis zu erkennen ist", betont Küblböck. Die starke Verwobenheit zwischen Politik und Finanzindustrie, die direkt in ihre eigene Regulierung mit eingebunden ist, müsse gelöst werden.
"Die Finanzmärkte müssen demokratisiert werden und es bedarf einer stärkeren Einbindung der Öffentlichkeit sowie ihrer Interessensvertreter", fordert Küblböck. Sowohl bei Krediten und Kreditderivaten, Hedge Fonds oder dem Bankgeheimnis habe sich im Detail bisher nichts verändert. Von einer europaweiten Besteuerung von Kapital könne keine Rede sein. Die vielen Löcher in der EU-Zinsrichtlinie würden einen schnellen Fortschritt in der Debatte um einen automatischen Informationsaustausch verhindern, um Steuer- und Regulierungsoasen beizukommen. "Viele Arten von Kapital sind in der Zinsrichtlinie noch gar nicht inbegriffen", erklärt Silke Ötsch, Finanzmarktexpertin attac Deutschland, gegenüber pressetext. Darin sei eine Steuerflucht nach wie vor möglich. Die Richtlinie werde derzeit zwar überarbeitet. Es zeichne sich jedoch bereits ab, dass sie weiterhin große Lücken aufweisen werde. "Auch hier ist neben nationalstaatlichem Egoismus das Zusammenwirken von Politik, Finanzindustrie und den Nutznießern der Kapitalflucht verantwortlich", so Ötsch.
Steuer- und Regulierungsoasen sind attac zufolge "die schwarzen Löcher im Finanzsystem" und müssen geschlossen werden. Wer mit Steueroasen Geschäfte mache oder die globalen Regeln nicht einhalte, müsse vom Zugang zum freien Kapitalverkehr ausgeschlossen werden. "Es braucht globale Institutionen und Regeln", sagt attac-Österreich-Mitbegründer Christian Felder im pressetext-Gespräch. Eine weltweite bzw. EU-weite Finanzmarktaufsicht müsse ebenso umgehend umgesetzt werden wie eine Weltreservebank und eine Weltreservewährung, worauf sich die Weltwirtschaft stützen könnte. "Die Wechselkurse wären absolut stabil, was der Realwirtschaft enorme Kosten ersparen würde", unterstreicht der Experte.
attac fordert eine Kontrolle des internationalen Kapitalverkehrs, von Finanzderivaten sowie eine Regulierung von Fonds und nicht von Managern. "Die Abwicklung von grenzüberschreitendem Kapitalverkehr läuft in jedem Fall über drei Clearingstellen ab", erläutert Felber. Diese befänden sich in Belgien und Luxemburg und bilden ein Nadelöhr, an dem eine Kontrolle einfach machbar wäre. "Den globalen Kapitalverkehr einer Kontrolle zu unterziehen, könnte spielend umgesetzt werden. Wer die notwendigen Forderungen nicht erfüllt, sollte in Zukunft keinen Zugang zum EU-Binnenmarkt mehr erhalten", so Felber. Zudem bedürfe es einer Besteuerung von professionell gemanagtem Finanzvermögen. Dieses wird weltweit auf rund 110 Bio. Dollar geschätzt, was etwa dem Doppelten der Weltwirtschaftsleistung entspricht. Anhand der Erlöse könnten die Krisenfolgekosten eingedämmt werden, um drohenden "sehr schweren sozialen Konflikten" vorzubeugen. Ein weiterer Anstieg der Staatenverschuldung müsse durch eine Besteuerung der Globalisierungsgewinner verhindert werden.
(Ende)| Aussender: | pressetext.deutschland |
| Ansprechpartner: | Manuel Haglmüller |
| Tel.: | +43-1-811-40-315 |
| E-Mail: | haglmueller@pressetext.com |


