pte20210922012 Politik/Recht, Forschung/Entwicklung

Experimente erklären Ursachen für Randale

Laut University College London sind ungerechte Situationen und nicht Menschen entscheidend


Pflastersteine: Unruhen haben viele Ursachen (Foto: pixabay.com, Dietmar Silber)
Pflastersteine: Unruhen haben viele Ursachen (Foto: pixabay.com, Dietmar Silber)

London (pte012/22.09.2021/10:30)

Soziale Ungleichheit kann unter experimentellen Bedingungen zu kollektiver Gewalt führen. Zu diesem Ergebnis ist eine Studie unter der Leitung des University College London https://www.ucl.ac.uk gekommen. Das von der Nuffield Foundation finanzierte Projekt wurde in Folge der London Riots 2011 konzipiert. Die Forscher wollten die Ursprünge von asozialem Gruppenverhalten untersuchen. Laut dem Forschungsleiter Daniel C. Richardson wollten die Wissenschaftler verstehen, warum Menschen an Unruhen teilnehmen – ein Verhalten, das auch als soziale Selbstbeschädigung angesehen werden kann. Bei Riots beschädigen die Menschen typischerweise ihr lokales Umfeld. Dabei setzen sie sich dem Risiko einer Verletzung oder einer Festnahme aus, ohne allerdings irgendeinen Gewinn aus diesen Handlungen ziehen zu können.

[b]Drei Erklärungsmodelle[/b]

Verschiedene Erklärungen für das Randalieren fallen häufig unter drei Lager: Die Erklärung mit dem „faulen Apfel", die individuelle kriminelle Aktivitäten verantwortlich macht, die Erklärung über die soziale Identität, bei der die Unruhestifter ein gemeinsames Problem haben und die kollektive Maßnahme als Mittel der Veränderung ansehen und die Erklärung der relativen Deprivation, nach der die Menschen eine Kluft wahrnehmen zwischen dem was sie haben und dem was ihnen gefühlsmäßig zusteht. „Unsere Forschungsergebnisse haben zwei Erklärungen zusätzliches Gewicht verliehen und zwar der sozialen Identität und der relativen Deprivation als Erklärungen für kollektive Gewalt. Individuelle Kriminalität hingegen dürfte nicht unbedingt eine Rolle spielen." 

Bei einer Reihe von 19 Experimenten mit insgesamt 171 Teilnehmern spielten jeweils zwei Gruppen das interaktive Handyspiel Parklife. Bei diesem Spiel entwickelten die Personen gemeinsam einen virtuellen Park. In der Hälfte der Zeit wurde das Spiel zu Gunsten eines Teams manipuliert. Das wurde offensichtlich, da beide Teams die jeweiligen Parks auf einem Bildschirm sehen konnten. Als das dem benachteiligten Team klar wurde, waren die Teilnehmer frustriert und begannen den anderen Park zu zerstören. Vandalismus wurde in dem Spiel als Option angeboten. Dieses Verhalten erwies sich jedoch als selbstzerstörerisch, da die dafür verwendete Zeit bei der Verbesserung des eigenen Parks dann fehlte. Die benachteiligten Teams mussten also doppelt so hart arbeiten um aufzubauen. Es war aber für beide Teams gleich leicht zu zerstören.

[b]Komplexe Gruppendynamik[/b]

Bei den ungleichen Spielen zerstörte das benachteiligte Team häufiger den Park des anderen Teams. Gleichzeitig wurden weniger eigene Strukturen aufgebaut, da sie ihre Ressourcen für den Vandalismus eingesetzt wurden. Es kam allerdings nur dann zu Vandalismus, wenn andere im Team an ihren eigenen Bereichen weiterbauten. Laut den Forschern handelt es sich dabei um eine spontane Koordination von Aktivitäten quer durch das Team. Das geschah, obwohl die Teilnehmer nicht miteinander sprechen durften. 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Unterschiede in persönlichen Merkmalen – wie politische Zugehörigkeit oder soziale Gruppe – die Anteile des Vandalismus erklärten. Wurden die Teilnehmer allerdings über Eigenschaften ihrer Teamkollegen informiert, reagierten sie stärker auf Ungleichheit, wenn sie glaubten selbst Dinge mit ihrem Team gemeinsam zu haben. Laut Richardson sei damit nachgewiesen, dass ein kollektives Gruppenverhalten auch bei einer nur schwachen sozialen Identifikation entstehen kann. Das gelte sogar bei einer Gruppe von Fremden. „Da wir keine Belege dafür gefunden haben, dass eine bestimmte Persönlichkeit oder ein demografischer Typ ausschließlich für Gruppenkonflikte verantwortlich sind, zeigt sich, dass kollektive Gewalt nicht nur durch bestimmte Arten von Menschen verursacht wird. 

[b]Situationen entscheidend[/b]

Riots entstehen aus Situationen und nicht durch Arten von Menschen. Damit liegt auch nahe, dass es falsch wäre die Menschen, die an Unruhen teilnehmen zu dämonisieren anstatt die Ursachen für diese Unruhen zu untersuchen." Stattdessen habe sich gezeigt, dass Ungleichheit zwischen Gruppen eine direkte kausale Auswirkung auf die Konflikte zwischen Gruppen haben. Damit liege nahe, dass das Verringern der ökonomischen Ungleichheit eine Rolle bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit spielen könnte. In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler erforschen, wie Menschen abhängig von ihrer sozialen Zugehörigkeit und ihrer Lebensgeschichte unterschiedlich auf Erfahrungen der sozialen Ungleichheit reagieren. Die Forschungsergebnisse wurden in den „Proceedings of the Royal Society B Biological Sciences" veröffentlicht.

(Ende)
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