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Schriftstellerverband kehrt nach Fresach zurück

Autor Peter Kersche erinnert an Tradition der Schriftstellertage von 1972 bis 1996


Fresach (pts023/01.03.2023/11:00)

Der traditionsreiche Kärntner SchriftstellerInnenverband (KSV) wird die Europäischen Toleranzgespräche künftig als Ideenbringer und Kooperationspartner bereichern. Past-Präsidentin Gabriele Russwurm-Biró und der neue Präsident Alfred Woschitz werden in den Vorstand und ins Kuratorium der Toleranzgespräche einziehen. Das gab der Obmann des Vereins Denk.Raum.Fresach, Superintendent Manfred Sauer, am Dienstag bei der diesjährigen Programmpräsentation der Toleranzgespräche in Klagenfurt bekannt.

Die "Rückkehr" des Schriftstellerverbands nach Fresach hat gute Gründe und eine lange Vorgeschichte. Der seit 1969 bestehende Verband organisierte unter seinem damaligen Präsidenten Walther Nowotny (1924-1997) im Oberkärntner Luftkurort Fresach von 1972 bis 1996 – insgesamt 25 Jahre lang – die "Internationale Schriftstellertagung", die vor allem in den ersten Jahren die Kärntner Literaturszene beherrschte. Ab 1977 avancierte der erstmals organisierte Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt dann zum zentralen Literaturevent des Landes.

Dokumentiert wurde die ganze Geschichte der Fresacher Schriftstellertage bis ins Detail vom KSV-Mitglied und Autor Peter Kersche (im Bild). Durch Nowotnys exzellente Beziehungen zum damaligen Landeshauptmann wurde die Veranstaltung in Fresach nicht nur großzügig alimentiert, sondern gleich zum wichtigsten literarischen Großereignis in Kärnten. Fresach wurde ausgewählt, damit sich die eingeladenen AutorInnen aus Ost und West nicht zwischendurch absentieren und die Zeit zum Sightseeing nutzen.

Die Veranstaltung sollte auch kein Wettbewerb, sondern vielmehr eine Arbeitstagung sein, bei der sich die Literatinnen und Literaten kennenlernen und unter Umständen beim Publizieren gegenseitig helfen. Das Gerüst des drei Tage dauernden Programms waren Referate zu einem bestimmten Thema, die anschließend unter der Moderation des Schriftstellers und bekennenden Freimaurers Anton Fuchs (1920-1995) debattiert wurden. Selbst bei den gemeinsamen Mahlzeiten bildeten die Ausführungen noch Gesprächsstoff, bei dem sich sogar Fronten zwischen den vertretenen Meinungen bildeten, erinnert Kersche.

Wozu schreiben wir noch?

Das erste Treffen 1972 stand unter dem Titel "Rückzug in die Gesellschaft oder der aufgestockte elfenbeinerne Turm". Die zweite Zusammenkunft vom 1. bis 3. Juni 1973 hatte die Thematik "Wozu schreiben wir noch - wurde die Literatur zu Tode diskutiert?" Vortragende waren unter anderem Horst Krüger und Gustav Ernst. Die dritte Tagung beschäftigte sich mit der Frage "Schreiben - Handwerk oder ästhetisches Vergnügen?" Das Schwerpunktthema der Anfangsjahre lag auf dem Ost-West-Problem, beispielsweise bei der 7. Tagung im Mai 1978.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 verlor das Fresacher Symposium sein Hauptanliegen und musste sich umorientieren. Die letzte 25. Tagung fand 1996 statt, mit dem Tode des Fresach-Förderers Walther Nowotny am 28. Jänner 1997 ging die Ära der Schriftstellertage zuende. Laut Kersche nahmen im Laufe der Zeit weit über 500 Teilnehmer aus 20 Ländern teil, Schriftsteller, Künstler, Verleger, Lektoren, Politiker, Bischof, Rundfunkintendanten, Kulturbeamte, Berichterstatter, Germanisten, Fotografen und Buchhändler.

Einer der treuen Gäste, Residenz-Autor Gerhard Amanshauser, schrieb in sein Tagebuch am 20. Mai 1993: "Himmelfahrt nach Fresach zur 3. Kategorie. Nur mehr wenige Atome und Moleküle von früher. Nowotny wird hereingeführt. Sein Lebenswerk. 22.5.1993 Der Autor Hammerstein, sympathisch, widmet mir seinen unlesbaren Roman. [Gemeint ist Lukas Hammerstein; wahrscheinlich handelt es sich um den Roman "Im freien Fall" Stuttgart: Klett-Cotta 1992]. 23.5.1993 Fahrt durchs Krastal. Atelier [Otto] Eders [1924-1982], den wir hier besuchten, ehe er sich erhängte." Veröffentlicht wurden diese Eintragungen unter dem Buchtitel: Es wäre schön, kein Schriftsteller zu sein. Tagebücher. - St. Pölten, Salzburg, Wien: Residenz Verl. 2012.

Wie unbarmherzig Amanshauser wertet, zeigt der Eintrag unmittelbar vor den oben zitierten Sätzen: "3.5.1993 Lesung Drago Jančar, angeblich berühmt, man weiß nicht warum. Ich sitze in solchen Lesungen, nur darauf wartend, dass es vorübergeht." Der Fresachfreund Joseph Zoderer schreibt in seinem Tagebuch unter dem 9.3.1993 "Walter Nowotny hat mich so herzlich zu den 12. Fresacher Gesprächen eingeladen, dass ich nicht anders als wieder hinfahren muß." Zitiert nach Wimmer, Erika (1957): Joseph Zoderer. Neue Perspektiven auf sein Werk. - Innsbruck, Wien, Bozen: Studien-Verl. 2017. (Edition Brenner-Forum. Bd. 13.).

Generation der NachkriegsautorInnen in Fresach

"Um zu beweisen, welches Gewicht den Treffen in Fresach tatsächlich zukam, genügt es einige Schriftstellernamen zu nennen", schreibt Kersche und listet die AutorInnen auf, die in Fresach waren: "Leopold Ahlsen, Heinz Ludwig Arnold, Wolfgang Bächler, Alexander Walter Bauer, Horst Bienek, Horst Bingel, Silvio Blatter, Karlheinz Deschner, Hugo Dittberner, Tankred Dorst, Ingeborg Drewitz, Wolfgang Ebert, Jeannie Ebner, Helmut Eisendle, Elisabeth Endres, Reinhard Federmann, Ludwig Fels, Ota Filip, Dante Andrea Franzetti, Dieter Fringeli, Gertrud Fussenegger, Vladimir Gajšek, Frank Geerk, Gabor Görgey, Zlatko Gorjan, Martin Gregor-Dellin, Dietmar Grieser, Marianne Gruber, Klaus Händl, Dieter R. Hasselblatt, Lothar Herbst, Alois Hergouth, Branko Hofman, Franz Hohler, Curt Hohoff, Karl Günther Hufnagel, Vintilă Ivănceanu, Otto Jägersberg, Heinz Janisch, Ingeborg Kaiser, Kurt Klinger, Jurij Koch, Kajetan Kovič, Gabriel Laub, Claudio Magris, Matthias Mander, Angelika Mechtel, Gerhard Meier, Ernst Meister, Klaus Merz, Slobodan Miletić, Erika Molny, Doris Mühringer, Ernst Nowak, Adolf Opel, Boris Pahor, Eberhard Panitz, Helmut Peschina, Žarko Petan, Boško Petrović, Anita Pichler, Thomas Pluch, Johannes Poethen, Kuno Raeber, Christa Reinig, Gerhard Roth, Erika Runge, Asta Scheib, Siegfried J. Schmidt, Werner Schneyder, Ernst Schönwiese, Julian Schutting, Kurt Sigel, Antun Šoljan, Flurin Spescha, Ante Stamač, Franz Storch, Wilhelm Szabo, Gerald Szyszkowitz, Hannelies Taschau, Ilse Tielsch, Friedrich Torberg, Peter Turrini, Guntram Vesper, Fred Viebahn, Johanna Walser, Dieter Wellershoff, Wolfgang Weyrauch, Ror Wolf, Peter Zeindler und Gerhard Zwerenz."

Natürlich seien auch die meisten Mitglieder des Kärntner Schriftstellerverbands nach Fresach gekommen. Alle Kärntner Prosaisten, Lyriker, Dramatiker und Maler mit Rang und Namen waren in Fresach, erinnert sich Kersche.

Auch einige Buchpublikationen verdanken ihr Zustandekommen Fresach. Kersche erwähnt wie folgt: "So ist vom Übersetzer des Thomas Bernhard ins Polnische Ernest Dyczek im Salzburger Verlag Aigner 1986 die Erzählung "Termiten" erschienen oder von Anton Fuchs die Erzählungen "Flaschenpost" (1985). Ebenfalls eine Folge der Fresacher Tagung ist die 1993 in Bukarest publizierte Kärntner Lyrikanthologie, die Gavril Matei Albastru redigierte, welche zahlreiche Mitglieder des Kärntner Schriftstelleverbandes in rumänischer Übersetzung präsentiert "Antologia lirică a Uniunii Scriitorilor din Carinthia Austria."

Peter Paul Wiplinger widmete in seinen "Schriftstellerbegegnungen, 1960-2010", Klagenfurt, Wien: Kitab-Verl. 2010 viel Aufmerksamkeit den in Fresach getroffenen Schreibenden, die als sehr persönlich gefärbtes Autorennachschlagewerk genutzt werden kann, da es die behandelten Personen alphabetisch aufreiht. Ebenso wurde die Literaturzeitschrift LOG in Fresach 1983 gegründet. Die Initiatoren Lev Detela, Peter Kersche und Wolfgang Mayer-König boten den Schriftstellerkollegen in Fresach eine Veröffentlichungsplattform in der Zeitschrift für internationale Literatur.

Natürlich waren auch Einladungen einzelner Autoren zu Dichterlesungen im In- und Ausland ein Ergebnis der Fresacher Begegnungen. Die Kärntner Presse kritisierte gegen Ende, dass "zu viele Stammgäste" nach Fresach kämen und dass neue, junge Talente das Treffen auffrischen würden. Diesen Beanstandungen begegnete Nowotny stets mit der Überzeugung "Ich veranstalte die Tagung nicht den Journalisten zuliebe, sondern mir liegen die Autoren am Herzen und eine gewisse Kontinuität."

1985 beauftragte Landeshauptmann Leopold Wagner den damals jungen Peter Kersche, für Fresach eine Bibliothek zusammenzustellen, die von jedem Teilnehmer eine Veröffentlichung enthalten soll. Im darauffolgenden Jahr übergab er der Bücherei im neuerrichteten Gemeindeamt Fresach rund 300 Bände und stellte ein Schriftstellerlexikon der Fresacher Literaten zusammen, die etliche Ordner beanspruchte und bis zuletzt aktualisiert wurde.

Kersche ist es zu verdanken, dass die Fresacher Schriftstellertagungen in vielen Zeitungsausschnitten, Kopien aus diversen Nachschlagewerken, Ankündigungen von Neuerscheinungen, Rezensionen, Verlagsinformationen, Einladungen zu Lesungen etc. dokumentiert wurden. Ebenso wurde die Bibliothek laufend ergänzt, stellten viele Autoren kostenlos ihre Publikationen zur Verfügung.

Weitere Auskünfte: peter@kersche.net
KSV-Präsidentin Gabriele Russwurm-Biré: lektoratrusswurm@gmail.com
Kärntner SchriftstellerInnen Verband (KSV): https://kaerntner-schriftsteller.at/
Denk.Raum.Fresach: http://www.fresach.org

(Ende)
Aussender: Denk.Raum.Fresach
Ansprechpartner: Dr. Wilfried Seywald
Tel.: +43 699 18 11 4006
E-Mail: presse@fresach.org
Website: www.fresach.org
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