pts20041117049 Politik/Recht, Unternehmen/Wirtschaft

Gewerbeverein: Warum trägt der Unternehmer für jede Änderung das Risiko?

Vertrauensschutz gilt bei Pensionssicherung laut VfGH, nicht aber für OGH!


Wien (pts049/17.11.2004/20:29) Dass die diversen Pensionsreformen nicht nur jenen Opfer abverlangen, die sich nicht auf die Gnade der frühen Geburt beziehen können, sondern insbesondere auch jenen, die durch Stichtagsregelungen kurzfristig in neue gesetzliche Rahmenbedingungen gedrängt wurden, war wohl klar - meint man im Österreichischen Gewerbeverein (ÖGV).

Nun äußerte sich der Oberste Gerichtshof dazu wieder einmal betont weltfremd: In der Kette Normensetzer (Parlament) und Normadressat (Pensionsanwärter bzw. Arbeitnehmer) hat ein Dritter zu bezahlen: Der Arbeitgeber.

Der Fall: Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurde vereinbart, dass letzter am 31.3.2000 aus dem Dienst ausscheidet und ihm der Arbeitgeber bis 30.4.2001 das Arbeitslosenentgelt über eine Ausgleichszahlung so auffettet, dass unterm Strich für diese 13-monatige Periode 85 Prozent des Aktivbezugs bleibt. Bekanntlich ging von da an das Antrittsalter für die vorzeitige Alterspension wie die Karotte am Stecken von 60 auf 65 Lebensjahre hoch.

Der Arbeitnehmer klagte nun den Arbeitgeber, für die neue gesetzliche Regelung die Ausfallshaftung zu übernehmen - und erhielt vom OGH Recht. Begründung: Der Arbeitnehmer ist bezüglich "des tatsächlichen Pensionsantritts so zu stellen, wie er stünde, wenn die Parteien (Anm.: Arbeitgeber und Arbeitnehmer) auf die Erhöhung des Pensionsantrittsalters um ein halbes Jahr Bedacht genommen hätten". Und dann folgt die Zitierung der § 869 ff ABGB: "Treten nach Abschluss eines Vertrages Konfliktfälle auf, die von den Parteien nicht bedacht wurden....so ist zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten."
Der ÖGV sieht in diesem Erkenntnis ein weiteres Indiz für die Weltfremdheit unserer obersten Gerichte. Nicht bedacht wurde nämlich,

+ dass grundsätzlich in der Kette Regierung - Arbeitgeber - Arbeitnehmer bestimmt die Regierung die wirtschaftlich stärkste Kraft ist.

+ dass marode Unternehmungen mit derartigen Erkenntnissen in existenzielle Notlangen gedrängt werden können, die beamteten Oberstrichtern offenbar fremd sind.

+ dass jede Reformarbeit einer Regierung unmöglich gemacht wird, wenn daraus entstehende "Konfliktfälle^3 immer zu Lasten der Arbeitgeber ausgehen.

+ dass offenbar das Überziehen des Vertrauensschutzes oder das Nebeneinanderlaufen von verschiedenen Vertrauensschutzen! künftig jedes seriöse Wirtschaften unmöglich macht und

+ als wohl schlagendstes Argument, dass der Verfassungsgerichtshof die selbe gesetzliche Verlagerung des Pensionsantrittszeitpunktes als nicht gegen den Vertrauensschutz verstoßend ansieht, während der Oberste Gerichtshof den Vertrauensschutz nun auf den Arbeitgeber überwälzt.

Schon zur Absicherung des Wirtschaftsstandortes bittet der ÖGV die Oberstgerichte, nicht permanent realitätsfremde Urteile zu fällen. Das Leben eines Wirtschaftstreibenden sieht nämlich ein bisschen hektischer aus, als die Beschaulichkeit eines Oberstrichter-Daseins es auch nur erahnen kann.

(Ende)
Aussender: Österreichischer Gewerbeverein
Ansprechpartner: Herwig Kainz
Tel.: +43/1/587 36 33
E-Mail: h.kainz@gewerbeverein.at
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