pte20231020013 Unternehmen/Wirtschaft, Technologie/Digitalisierung

Kärntens Wirtschaft vor historischem Boom

Wirtschaftskammerdirektor Meinrad Höfferer sieht goldene Jahre für den Wirtschaftsraum Süd


Wien (pte013/20.10.2023/12:30)

Der Club Carinthia lädt für Montag, den 30. Oktober 2023, zu einem Hearing mit dem Direktor der Wirtschaftskammer Kärnten, Meinrad Höfferer, in die BKS Bank Wien (18 Uhr). Gegenüber pressetext schwärmt der gebürtige Murauer von den vielfältigen Perspektiven, die mit der neuen Koralmbahn auf das nicht immer verwöhnte Bundesland im Süden zukommen. Die Wirtschaftskammern von Kärnten und Steiermark haben kürzlich eine eigene Dachmarke kreiert, die für Außenstehende reichlich erklärungsbedürftig ist. Im Interview mit pressetext erläutert Höfferer die Hintergründe für die Initiative "AREA SÜD: Wirschaftsraum Südösterreich".

pressetext: Herr Höfferer: Kärnten galt immer als wirtschaftliches Schlusslicht in Österreich. Was macht Sie so sicher, dass sich das mit der Koralmbahn und der neuen Dachmarke AREA SÜD ändert? Und welche Erwartungen haben Sie für die nächsten zehn Jahre?
Höfferer: Kärnten hat stark aufgeholt und verzeichnete in den Jahren 2017 und 2021 das stärkste Wachstum aller Bundesländer. Umso wichtiger ist es jetzt, im neuen Wirtschaftsraum Süd - dem zweitgrößten in Österreich - sichtbar zu sein, attraktiv für Investitionen, aber auch für qualifizierte Zuwanderung. Das ergeben sämtliche Studien, die wir gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Steiermark in Auftrag gegeben haben. Unsere Wirtschaftsregion, die an den Mittelmeerhafen Triest angebunden ist und über die Baltisch-Adriatische Achse bis an die Ostsee reicht, wird im kommenden Jahrzehnt eine Wirtschaftslokomotive für ganz Österreich sein.

pressetext: Und wie kam es ganz konkret zum zum Begriff "AREA SÜD" für "Wirtschaftsraum Südösterreich"?
Höfferer: Wir schaffen eine starke Marke mit hoher Wiedererkennbarkeit und internationaler Einsatzfähigkeit, die schon jetzt gewisse Strahlkraft entwickelt. Die beiden regionalen Wirtschaftskammern haben hier gemeinsame Pionierarbeit in der Positionierung geleistet. Jetzt wird es darum gehen, diesen Gamechanger auch zu nutzen.

pressetext: Stichwort Abwanderung und Bevölkerungsschwund: Was nützen die besten Konzepte und die beste Infrastruktur für eine Region, wenn die Leute zur Umsetzung fehlen? Woher kommen die benötigten Arbeitskräfte?
Höfferer: Die bedenkliche Bevölkerungsentwicklung und damit auch die die fehlenden Köpfe und Hände im Erwerbsalter - immerhin 35.000 bis 2030 allein in Kärnten - sind eines der Hauptmotive für die AREA Süd. Sie ist heute schon ein überaus attraktiver Lebensraum für 1,8 Mio. Menschen und 730.000 Beschäftigte in knapp 120.000 Unternehmen. AREA Süd macht diese Region sichtbar, sowohl für ansiedlungswillige Unternehmen als auch für ansiedlungswillige Fachkräfte aus anderen Bundesländern oder Regionen außerhalb Österreichs. Diesem Wettbewerb werden wir uns mit der entsprechenden Willkommenskultur stellen.

pressetext: Die Kärntner Mentalität des "Leilass'n" konterkariert die wirtschaftliche Expansion, so wie sie von Politik und Industrie gewünscht wird. Was wird getan, um die gewünschte "Aufbruchstimmung" zu erzeugen?
Höfferer: Ich halte das nicht für eine Mentalitätsfrage. Die zwei Wirtschaftskammern bemühen sich nach Kräften, die Vorteile der künftigen AREA darzustellen und stoßen dabei auf großes Interesse und viel Unterstützung. Wir sind mitten in einer Kampagnisierung, die von Inseraten bis zu einer ganzen Reihe von Regionalveranstaltungen reicht. Wir weisen dabei auch deutlich auf die Herausforderungen hin, die damit entstehen können, weil wir uns gegen einen starken Partner behaupten müssen. Aber Unternehmer wissen: Konkurrenz belebt das Geschäft.

pressetext: Ihr Claim "Mehr Menschen, mehr Märkte, mehr Miteinander" klingt gut, aber die Realität sieht so aus, dass die Randregionen sowohl in der Steiermark wie in Kärnten weiter "ausbluten"? Was sind die Gegenmaßnahmen?
Höfferer: Uns ist völlig bewusst, dass wir die Wirkung der neuen Bahnverbindung bis in die Täler hinaus erweitern müssen. Wir stehen in enger Abstimmung mit Landesrat Sebastian Schuschnig, mit dem wir entsprechende Verkehrslösungen erarbeiten. Da geht es unter anderem um die Erhaltung oder Wiederinbetriebnahme von Regionalbahnstrecken - und zwar nicht nur für Güter, sondern auch für den Personenverkehr. Auch die dezentralen Regionen müssen von der Koralmbahn spürbar profitieren, das ist ganz klar.

pressetext: Die Metropolregion "AREA SÜD" wird von manchen Kritikern als "Versuch" gewertet, den offensichtlichen Rückstand zu dynamischeren Wirtschaftsregionen in Österreich aufzuholen. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?
Höfferer: Das fasse ich nicht als Kritik auf, Sie haben völlig Recht. Selbstverständlich hat sich der Süden, der jahrzehntelang an der Grenze zum kommunistischen Jugoslawien gelegen ist, anders entwickelt als zum Beispiel Oberösterreich mit seiner Nähe zu Bayern. Und dort (so wie für Salzburg, Tirol und Vorarlberg) gibt es die schnelle Westbahn nach Wien und München seit gefühlt immer. Der Süden war also Jahrzehntelang benachteiligt, was die Eisenbahn-Infrastruktur betrifft. Jetzt rückt Kärnten nach und hat mit der Koralmbahn die Chance auf einen lange andauernden Aufholprozess. Ich bin überzeugt, für den Süden kommen jetzt die goldenen Jahre.

pressetext: Stichwort Ansiedlungspolitik: Von welchen Firmen beziehungsweise Industrie- und Technologiezweigen erwartet sich die Wirtschaftskammer Kärnten in den nächsten Jahren am ehesten beziehunsgweise die größten Investitionen?
Höfferer: Wir haben mit Infineon ein globales Flaggschiff in der Chipproduktion im Land, und die Dekarbonisierung wird den Bedarf an elektronischen Steuerungselementen auf Jahrzehnte hinaus hochhalten. Dazu kommen viele andere Schwergewichte im Mikroelektronikbereich, also wird das einer der künftigen Entwicklungsschwerpunkte sein. Und wir haben enormes Know-how im Green-Tech-Bereich und erwarten von der Energiewende starke Impulse, vom modernen Biomasseheizkessel über die Kleinwasserkraft bis zur Photovoltaik - wenn wir unsere Hausaufgaben machen, Stichwort: Netzausbau und Behördenverfahren.

pressetext: Kärntner Politiker sprechen von einer neuen "Jahrhundertchance", Koralmbahnkritiker von einem Jahrhundertbluff. Was muss getan werden, damit die große Chance auch wirklich genutzt werden kann?
Höfferer: Politik und Verwaltung müssen in die Gänge kommen. Da geht es nicht nur um die Bereitstellung entsprechender Flächen für Betriebsansiedelungen, sondern um ein neues Mindset: Die Verwaltung muss Regionen-übergreifend denken und handeln, Bildungseinrichtungen müssen sich besser vernetzen, unterschiedliche Länderregelungen müssen politisch harmonisiert werden. Das ist ein jahrzehntelanger Prozess, an dessen Beginn wir heute stehen, und es wird einen "Wind of Change" brauchen, damit er auch vorankommt.

pressetext: Und zum Abschluss eine ganz persönliche Frage: Was wünschen Sie sich - ganz konkret - an Impulsen und Projekten durch die "AREA SÜD"?
Höfferer: Mir geht es da eher um das große Ganze. Ich stamme selbst aus dem Bezirk Murau, also aus dem steirisch-kärntnerischen Grenzgebiet. Mein größter Wunsch ist es mitzuerleben, wie in diesem wunderbaren Lebensraum zu beiden Seiten der Koralm das Kirchturmdenken aufs Abstellgleis rollt und der Hochgeschwindigkeitszug eines kooperativen, modernen, engmaschig verwobenen Wirtschafts- und Lebensraums Fahrt aufnimmt.

pressetext: Vielen Dank für das Gespräch!

Meinrad Höfferer (45) ist seit 2021 Direktor der Wirtschaftskammer Kärnten, er war zuvor Leiter der Abteilung Außenwirtschaft und EU sowie Leiter des Corona-Managements. Der Internationalisierungsexperte absolvierte Studien der Betriebs- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Klagenfurt kombiniert mit Auslandsaufenthalten in Deutschland, Italien, den USA und China.

(Ende)
Aussender: pressetext.redaktion
Ansprechpartner: Wilfried Seywald
Tel.: +43-1-81140-116
E-Mail: seywald@pressetext.com
Website: www.pressetext.com
|