pte20220720011 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Depressionen: Serotonin spielt keine Rolle

Krankheit entsteht laut neuer Studie wahrscheinlich nicht durch chemisches Ungleichgewicht


Depression: Antidepressiva infrage gestellt (Foto: pixabay.com, Malgorzata Tomczak)
Depression: Antidepressiva infrage gestellt (Foto: pixabay.com, Malgorzata Tomczak)

London (pte011/20.07.2022/10:30)

Nach Jahrzehnten der Forschung gibt es keine eindeutigen Beweise dafür, dass die Serotonin-Werte oder die Aktivität des Serotonins für Depressionen verantwortlich sind. Zu dem Ergebnis kommt eine Untersuchung vorhandener Studien durch das University College London http://ucl.ac.uk . Die "Umbrella Review", ein Überblick über die vorhandenen Meta-Analysen und systematischen Übersichten, legt nahe, dass Depressionen wahrscheinlich nicht durch ein chemisches Ungleichgewicht entstehen.

Jahrzehntelange Forschung

Damit wird hinterfragt, was Antidepressiva tatsächlich bewirken. Bei den meisten Antidepressiva handelt es sich um selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, die ursprünglich darauf ausgerichtet waren, abnormal niedrige Serotoninwerte zu korrigieren. Es gibt laut den Forschern keinen anderen anerkannten pharmakologischen Mechanismus, durch den Antidepressiva die Symptome einer Depression beeinflussen. Die Forschungsergebnisse wurden in "Molecular Psychiatry" veröffentlicht.

Laut der leitenden Wissenschaftlerin Joanna Moncrieff ist die Theorie des chemischen Ungleichgewichts bei Depressionen mit einem starken Anstieg des Einsatzes von Antidepressiva zusammengefallen. Seit den 1990er-Jahren hat die Verschreibung drastisch zugenommen. Allein in England werden derzeit einem von sechs Erwachsenen und zwei Prozent der Teenager derartige Medikamente verschrieben. "Viele Menschen nehmen Antidepressiva, weil ihnen vermittelt wurde, dass ihre Depressionen eine biochemische Ursache haben. Diese neue Forschung kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass diese Annahme nicht auf wissenschaftlichen Belegen basiert."

Studien zu Serotonin-Rezeptoren und dem Serotonin-Transporter, dem Protein auf das die meisten Antidepressiva abzielen, fanden nur schwache und uneinheitliche Belege für höhere Werte bei der Serotonin-Aktivität bei depressiven Patienten. Diese Ergebnisse sind den Wissenschaftlern nach wahrscheinlich mit dem Einsatz von Antidepressiva durch Menschen mit Depressionen zu erklären, da derartige Wirkungen nicht zuverlässig auszuschließen sind.

Serotonin-Werte künstlich gesenkt

Die Forscher haben auch Studien analysiert, bei denen die Serotoninwerte künstlich bei hunderten Menschen gesenkt wurden. Das erfolgte über eine Umstellung auf eine Ernährung ohne die Aminosäure, die für die Produktion von Serotonin erforderlich ist. Diese Studien wurden als Beleg dafür zitiert, dass ein Serotonin-Mangel mit Depressionen in Zusammenhang steht. Eine 2007 durchgeführte Meta-Analyse und ein Sample von neueren Studien zeigt jedoch, dass das Absenken von Serotonin auf diese Art und Weise bei hunderten gesunden Freiwilligen nicht zu Depressionen geführt hat.

Es gab sehr schwache Belege in einer kleinen Gruppe von Menschen, bei denen Depressionen in der Familie bereits vorgekommen waren. Dabei handelte es sich jedoch nur um 75 Personen. Neuere Ergebnisse hatten sich als uneinheitlich erwiesen. Sehr große Studien mit zehntausenden Patienten untersuchen eine Genvariante und damit auch das Gen für den Serotonin-Transporter. Es konnten bei diesen Genen keine Unterschiede zwischen Menschen mit Depressionen und gesunden Kontrollen festgestellt werden. Diese Studien haben auch die Auswirkungen von Stress untersucht und zeigen, dass sie eine große Auswirkung darauf haben, ob ein Mensch depressiv wird.

(Ende)
Aussender: pressetext.redaktion
Ansprechpartner: Moritz Bergmann
Tel.: +43-1-81140-300
E-Mail: bergmann@pressetext.com
Website: www.pressetext.com
|