pte20100312004 Politik/Recht, Kultur/Lifestyle

Menschenhandel zunehmend innerhalb Europas

EU-Konferenz in Madrid bespricht Gegenmaßnahmen


Sklaverei gibt es noch - auch in Europa (Foto: pixelio.de/Stefane)
Sklaverei gibt es noch - auch in Europa (Foto: pixelio.de/Stefane)

Madrid/Wien (pte004/12.03.2010/06:20) Die Finanzkrise könnte dazu beigetragen haben, dass Menschenhändler vermehrt in EU-Staaten nach potenziellen Opfern Ausschau halten. Das erklärt Eurídice Márquez Sánchez, Koordinatorin für Maßnahmen gegen Menschenhandel bei der in Wien ansässigen Internationalen Organisation für Migration (IOM) http://www.iom.int im pressetext-Interview. Anlass dafür gab ein von der IOM mitveranstaltetes Treffen der europäischen Experten für die Bekämpfung von Menschenhandel in Madrid vergangene Woche. Diskutiert wurde dabei die Umsetzung eines bereits im November 2009 unterzeichneten EU-Aktionspapiers gegen Menschenhandel.

Dimensionen des Menschenhandels

Die weltweit schwierige Wirtschaftslage hat bewirkt, dass mehrere der einstigen Zielländer heute zu Ursprungsländern für Menschenhandel geworden sind und deren Bürger mitunter zu Opfern. "Sogar einige der EU-Staaten sind heute Herkunftsländer für Menschenhandel", betont Márquez. Frauen und Kinder würden heute mehr zum Zweck sexueller Ausbeutung gehandelt, wobei letztere meist in der Kinderporno-Industrie landen. "Männer werden zunehmend für den Einsatz im Bau oder in der Landwirtschaft eingeschleust."

In jüngster Zeit werden auch mehr Fälle von Sklaverei aufgedeckt. Diese komme etwa in Haushalten von Diplomaten vor, die ihre Angestellten aus dem Heimatland mitbringen. Die Betroffenen könnten die Wohnung nicht verlassen, seien der Landessprache nicht mächtig und somit der Ausbeutung völlig ausgeliefert. "Allerdings lässt sich nicht feststellen, ob die Fallzahl tatsächlich gestiegen ist", so Márquez. Möglich sei auch, dass besseres Training und Bewusstseinsbildung heute die Vorkommen häufiger zutage bringen als früher. "Je mehr man über Menschenhandel weiß, desto mehr Fälle gibt es. Der Kampf dagegen ist nur mit vereinten Kräften zu gewinnen."

Opferschutz und Wahrung der Menschenrechte

Alle EU-Staaten haben Regelungen gegen Menschenhandel in ihren Gesetzgebungen verankert. "Da die Umsetzung bisher sehr unterschiedlich war, wurde nun ein EU-Aktionspapier mit Prioritäten erstellt. Dazu gehören ein Menschenrechts-orientierter Zugang, die stärkere Berücksichtigung der Wurzeln des Menschenhandels, seine Aufnahme in die EU-Menschenrechts-Politik, Identifizierung und Schutz gefährdeter Personen noch rechtzeitig vor dem Verbrechen sowie der Aufbau von Partnerschaften mit Drittländern", berichtet Márquez.

Wichtig sei bei allen Maßnahmen, die Täter und nicht die Opfer von Menschenhandel zu bestrafen, besonders wenn letztere etwa zu Straftaten genötigt wurden. Drahtzieher sind in der Regel kriminelle Organisationen, die oft gleichzeitig mit Drogen oder Waffen handeln. "Menschenhandel ist eine der lukrativsten Menschenrechtsverletzungen, kann man doch die Opfer tagtäglich ausnützen", so Márquez.

Damit ein Fall als "Menschenhandel" gilt, müssen laut UNO-Definition drei Kriterien zutreffen, wenngleich jeder Fall aufgrund unterschiedlicher Biografien der Betroffenen einzigartig ist. "Zu den Kriterien zählen einerseits die Anwerbung, der Transport in ein Zielgebiet innerhalb eines Landes oder über die Grenzen hinweg sowie die Beherbergung. Zweitens entscheiden Mittel der Kontrolle wie etwa Druck, Gewalt, Drohung oder Täuschung. Schließlich ist die Absicht entscheidend, wie etwa die sexuelle- oder Arbeitsausbeutung, die Nötigung von Kindern zum Betteln sowie andere Formen von Ausbeutung."

DNA-Register zur Prävention des Kinderhandels

So verbreitet Menschenhandel auch ist, er fällt kaum jemandem auf. "Betroffene von Menschenhandel zu erkennen ist sehr schwierig, da sie sich in einer gefährlichen Situation befinden." Die Augen sollte man als Zivilist offen halten, bei einem Verdacht jedoch nichts im Einzelgang unternehmen. "Wer sich einmischt, verschlimmert oft nicht nur die Situation des Opfers, sondern bringt sich auch selbst in Gefahr. Weit sinnvoller ist es in diesem Fall, Polizei oder Ermittlungsbehörden zu kontaktieren", rät die spanische Politikwissenschafterin.

Ein Schwerpunkt der Konferenz war die Situation der unbegleiteten Kinder in Europa. "Minderjährige haben andere Bedürfnisse als Erwachsene und erfordern speziellen Schutz. Denn sie gelangen auf ihrem Weg besonders leicht in die Fänge von Menschenhändlern", so Márquez. Derzeit überlegt man, die DNA von Kindern in ihren Herkunftsländern zu registrieren. "In Haiti wird diese Maßnahme unter Leitung der spanischen Regierung bereits durchgeführt. Kann die Registrierung auch nicht vollständig sein, so erlaubt sie doch, die Ursprungsregion besser festzustellen. Das hebt das Vertrauen in ihre Aussage."

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