pte20121130028 in Leben

New York Times verpasst Reporterin Kindermädchen

Social-Media-Postings von Korrespondentin werden überwacht


Sozial vernetzt: Herausforderung für Journalisten (Foto: pixelio.de, G. Altmann)
Sozial vernetzt: Herausforderung für Journalisten (Foto: pixelio.de, G. Altmann)

New York (pte028/30.11.2012/12:31) Die New York Times hat der Chefin ihres Nahost-Büros in Jerusalem, Jodi Rudoren, eine Social-Media-Anstandsdame in Form eines Kollegen aus dem Außenpolitik-Ressort zur Seite gestellt. Rudoren hatte zuvor mit Postings für Aufregung gesorgt, die einige Beobachtern für unangemessen hielten. Unter den beanstandeten Beiträgen befanden sich unter anderem ein Link zu einem pro-Hisbollah-Medium und eine Lobpreisung für ein Buch über Zionismus, wie paidContent berichtet. Auch andere Medienhäuser haben Schwierigkeiten, mit den Social-Media-Aktivitäten ihrer Angestellten umzugehen.

Harte Konsequenzen

Im Gegensatz zu einigen anderen Medienunternehmen hat die New York Times bisher keine restriktiven Richtlinien für den Social-Media-Gebrauch unter den eigenen Journalisten ausgegeben. CNN hat seinen Nahost-Analystin Octavia Nasr nach einem Tweet, der Bewunderung für einen verstorbenen Hisbollah-Führer ausdrückte, sofort entlassen. Die New Yorkt Times rechtfertigt ihre Reaktion in einem Blog-Eintrag damit, dass beiläufige Kommentare in einem politisch brisanten Umfeld schnell falsch verstanden werden können. Ungefilterte, halb-ausgegorene Postings in sozialen Medien können problematische Folgen haben, heißt es in dem Beitrag.

"Gerade im Bereich Politik und speziell im Nahen Osten ist für Journalisten in sozialen Medien äußerste Vorsicht geboten. Wenn religiöse oder ethnische Konflikte im Spiel sind, kann ein falscher Satz sich rasend schnell verbreiten und einen Erdrutsch auslösen", sagt Social-Media-Berater Martin Will http://www.martin-will.de gegenüber pressetext.

Die New York Times ist der Meinung, die Einschaltung einer zusätzlichen Kontrollinstanz sei die einzige Lösung für das Problem, da ein komplettes Social-Media-Verbot nicht in Frage komme. Die Überwachung der Rudoren-Postings hat aber ebenfalls einen negativen Beigeschmack. "Diese Maßnahme ist hart. Für einen Profi ist das nicht leicht zu verdauen. Das Erlassen von Richtlinien hätte wohl ausgereicht", so Will.

Öffentlich oder privat?

Soziale Medien leben davon, dass sie spontan und persönlich sind. Nachträglich weißgewaschene Beiträge berauben den Kanal aber genau dieser Eigenschaften, wie einige Kommentatoren meinen. Durch ihre Postings erhalten viele Journalisten eine menschliche Qualität, es zeigen sich Meinungen, Zweifel und manchmal eben mangelnde Überlegung. "Journalisten sind auch Privatpersonen. Sie sollten das aber trennen, etwa mit einem zweiten Account bei sozialen Medien. Ansonsten kann eine Unkonzentriertheit schnell einen Sturm heraufbeschwören", sagt Will.

Auf sozialen Netzwerken verhalten sich Journalisten manchmal wie Privatpersonen. Wenn Leser diesen Unterschied begreifen, kann das durchaus auch besseres Verständnis für die Berichterstattung bewirken. So kann auch eine neue Art von Transparenz im Journalismus entstehen. Trotzdem muss ein redaktioneller Mitarbeiter aufpassen, was er öffentlich von sich gibt. Innerhalb gewisser Grenzen kann ein informeller Kanal wie Facebook oder Twitter das Bild, das ein Reporter zeichnet, aber auch bereichern. Die Alternative ist entweder ein arbeitgeberseitiges Verbot sozialer Medien oder eine überwachte, zensierte Variante, die den Kanal unter Umständen aber seines Charms und sogar Zwecks beraubt, wie etwa Gawker schreibt.

(Ende)
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