pte20110804014 in Leben

China suspendiert forsche Journalisten

Berichterstattung zu Zugunglück war zu kritisch


Chinesische Mauer: Journalisten unter Beobachtung (Foto: pixelio.de, s. flint)
Chinesische Mauer: Journalisten unter Beobachtung (Foto: pixelio.de, s. flint)

Peking (pte014/04.08.2011/12:30) Zwei Mitarbeiter der staatlichen chinesischen Fernsehanstalt CCTV http://www.cctv.com sind wegen ihrer kritischen Berichterstattung über ein schweres Zugunglück in Wenzhou suspendiert worden, wie der britische Independent berichtet. Die Journalisten hatten Fragen über Chinas Hochgeschwindigkeits-Schienennetz und den Preis, den China für sein schnelles technologisches Wachstum bezahlt, aufgeworfen.

Das Propagandaministerium in Beijing hatte nach der Kollision zweier Züge, bei der mehr als 40 Personen ums Leben kamen, positive Berichterstattung verordnet. Viele chinesische Medien, darunter die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, ließen sich von der Verordnung von oben allerdings nicht abschrecken. Daraus einen Trend zu einer generell freieren Berichterstattung in China abzuleiten, wäre aber verfrüht. "Im Gegenteil: Die Behörden in China sind nervöser als jemals zuvor, weil sie Angst vor Protesten wie im arabischen Frühling haben", sagt Anja Viohl, Pressereferentin von Reporter ohne Grenzen Deutschland http://www.reporter-ohne-grenzen.de , im Gespräch mit pressetext.

Der Umstand, dass in diesem Fall auch die staatliche Nachrichtenagentur und das staatliche Fernsehen kritisch berichtet haben, zeigt aber trotzdem, dass auch innerhalb der chinesischen Führung verschiedene Ansichten zur Medienfreiheit gibt. "Die Regierung ist unter anderem durch den Druck, den das Internet auf traditionelle Medien ausübt, in manchen Fällen etwas toleranter geworden. Die Entscheidung, welche Fälle man durchgehen lässt, ist allerdings sehr willkürlich und hängt vermutlich auch von den ausführenden Personen ab", meint Benjamin Ismail, Asienreferent von Reporter ohne Grenzen, gegenüber pressetext.

Harte Bandagen

Nach dem Bekanntwerden von Schlampereien mit der Signalanlage, die wahrscheinlich zu dem Unglück beigetragen haben, war ein erster öffentlicher Aufschrei im Internet, vor allem über das chinesische Twitter-Äquivalent Weibo, zu beobachten. "Das Internet ist eine treibende Kraft bei der Verbreitung kritischer Information, das konventionelle Medien in Zugzwang bringt. Die chinesische Regierung versucht zwar durch technische Aufrüstung die Kontrolle zu behalten, manchmal ist das aber selbst mit dem größten Aufwand nicht zu bewerkstelligen", meint Viohl.

Der erste Journalist, der suspendiert worden ist, war Wang Quinglei, Produzent der Nachrichtensendung "24 Stunden", der über Weibo Regierungsmitglieder dazu aufgerufen hatte, die Wahrheit über das Zugunglück zu sagen. Kurz darauf traf es auch Chai Jing, Reporterin des investigativen Magazins "News Probe". Der Weibo-Account von Frau Chai wurde mittlerweile abgeschaltet. Artikel über ihre Entlassung sind ebenfalls aus den chinesischen Medien verschwunden.

Es ist nicht das erste Mal, dass die chinesische Regierung ein Exempel an einzelnen Journalisten statuiert. Die Angst um den Job und die eigene Existenz führt zu einem System effektiver Selbstzensur in den Medien, das nur von wenigen mutigen Journalisten durchbrochen wird. Wenn die Berichterstattung der Regierung missfällt, wird der Druck erhöht. "Seit Jannuar wurden in China elf Journalisten entlassen. 13 wurden verhaftet und zwei sind verschwunden", berichtet Viohl.

(Ende)
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