pte20240130017 Technologie/Digitalisierung, Politik/Recht

"Universalbibliothek" kann niemals neutral sein

Laut Wissenschaftlerin Natalia Grincheva spielt dafür die Geopolitik derzeit eine zu große Rolle


Buchneuerscheinung: Allwissenheit hat ihren Preis (Foto: cambridge.org)
Buchneuerscheinung: Allwissenheit hat ihren Preis (Foto: cambridge.org)

Melbourne (pte017/30.01.2024/11:30)

Die Idee einer "Universalbibliothek" der Menschheit ist nie politisch neutral und immer auch von geopolitischen Ambitionen durchzogen. Heute sammeln und verwalten riesige digitale Aggregatoren Daten verschiedenster Institutionen. Das Ziel bei Trove oder Europeana ist es, einen Zugangspunkt via Online-Portal zu schaffen. Das "Google Arts and Culture"-Projekt will sogar Kunst und Kultur zugänglich machen. Laut Natalia Grincheva von der University of Melbourne gibt es auf diesem Weg jedoch viele Hürden.

"Geopolitics of Digital Heritage"

Die Wissenschaftlerin betont in ihrem neuen Buch "Geopolitics of Digital Heritage", dass die digitale Geopolitik heute ein sehr ausgereiftes Strategiespiel sei. Online-Communitys würden mobilisiert und in der Folge auch kulturelle Repräsentationen kontrolliert. So ließen sich Werte und Identitäten beeinflussen. Technologie sei daher immer auch politisch nutzbar.

Das gemeinsam mit Liz Stainforth von der University of Leeds verfasste Buch untersucht, wie die Politik bei der Entwicklung von Plattformen voll mit digitalisiertem Kulturgut sichtbar wird, um verschiedenen Akteuren zu dienen. Die Bandbreite reicht hier von den Regierungen eines Landes bis hin zu transnationalen Unternehmen. Gemein sei diesen Anstrengungen der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Menschen und die Macht, ihre Gedanken und Gefühle zu kontrollieren.

Dabei geht es den Forscherinnen um eine Vielzahl an Fragen. "Handelt es sich beim Stöbern von Material auf Tove, das danach trachtet, die nationale australische Identität hinauszutragen, um eine geopolitische Handlung?" Daran schließen weitere Fragen zur Bedeutung dieses Vorgehens für marginalisierte Gruppierungen wie die Ureinwohner Australiens oder Einwanderer aus Schwellenländern, heißt es.

Vorhaben sind nicht harmlos

Die beiden Wissenschaftlerinnen melden auch in Hinblick auf Europeana und Google Arts and Culture Bedenken an. Bei Google stelle sich die Frage, ob es von Bedeutung sei, dass die digitalen Wege der User verfolgt werden, um bei jedem Besuch zum Beispiel eines Museums oder einer Galerie ein Einkommen zu generieren. Sind, fragen sich die Forscherinnen, User Opfer einer großen Initiative der Regierungen und transnationalen Unternehmen, zur globalen Beherrschung der Medien?

Oder ermöglichen diese digitalen Wege den Menschen vielmehr herauszufinden, wer sind? Ein Bewusstsein darüber, wer die Geschichte der Menschheit schreibt und damit unsere Erinnerungen formt, ist, betonen die Expertinnen, der erste Schritt beim bewussten Umgang mit Geopolitik und unserer Vergangenheit. In einem nächsten Schritt gehe es darum, das Recht einer Teilhabe in diesem Bereich einzufordern.

(Ende)
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