pte20101006003 Auto/Verkehr, Medizin/Wellness

Alkohol am Steuer: Abschreckung ist nutzlos

Bilder von Alkoholtoten im Straßenverkehr werden verdrängt


Alkohol und Auto: Wer beide nicht trennen kann, braucht Hilfe (Foto: pixelio.de/Hofschläger)
Alkohol und Auto: Wer beide nicht trennen kann, braucht Hilfe (Foto: pixelio.de/Hofschläger)

Wien (pte003/06.10.2010/06:05) Autofahrer, die sich auch nach dem Konsum von Bier oder Wein hinters Steuer setzen, lassen sich von Bildern der schrecklichen Folgen von Alkoholunfällen nicht beeindrucken. "Weder entsprechende Medienkampagnen noch Verkehrscoaching ändern das Verhalten", erklärt Werner Ortner, Leiter der Fachsektion Verkehrspsychologie beim Berufsverband der Psychologen http://www.boep.at im pressetext-Interview. Sechs renommierte verkehrspsychologische Einrichtungen haben dazu eine entsprechende Studie durchgeführt.

Schuld daran ist das Verdrängen. "Inhalte verdrängen wir aus Selbstschutz aus dem Bewusstsein, sobald diese unserem Verhalten widersprechen", so Ortner. Nur so gelinge es, täglich in der Zeitung von Unfällen mit Alkohol zu lesen und trotzdem Lust am Autofahren zu verspüren. Ausreden werden gesucht, etwa "es wird eh nix passieren", "andere tun es ja auch" oder "ist ja nur ein kurzes Stück". "Man schützt sich damit vor Schuldgefühlen, genau wie sich Raucher trotz erwiesenem Zusammenhang von Rauchen und Lungenkrebs gerne an Bekannte erinnern, die trotz Zigarette alt wurden." Zusätzlich schaltet Alkohol ab einer bestimmten Menge das Großhirn und damit den klaren Kopf aus.

Verschärfung ohne Wirkung

Anlass der Studie ist die Strafverschärfung für Alkohol-Fahrer, die in Österreich vor einem Jahr in Kraft getreten ist. So droht bei 0,8 bis 1,2 Promille Führerscheinentzug und ein vierstündiges Verkehrscoaching, bei dem abschreckende Unfallbilder gezeigt werden. Erst von 1,2 bis 1,6 Promille gibt es zusätzlich Nachschulungen mit Verkehrspsychologen im Ausmaß von 15 Einheiten, darüber hinaus auch eine Arztkontrolle. Eine Medienkampagne sollte die abschreckende Wirkung erhöhen. Ohne Erfolg, wie die Forscher in einer Befragung zeigten, und auch die Statistik gibt ihnen Recht. Die Verkehrsunfälle gingen insgesamt um 5,4 Prozent zurück, jene mit Alkohol im Spiel nur um 1,3 Prozent.

Die Experten drängen darauf, dass Psychologen schon ab 0,8 Promille eingebunden werden. "Viele Lenker mit diesem Alkoholgehalt haben bereits eingeschliffene Trinkfahrgewohnheiten. Manche sind gesellschaftliche Trinker, bei manchen gibt es das Problem über den Straßenverkehr hinaus. Man muss hier individuell abklären", erklärt Ortner. Der Verkehrspsychologe könne dies mit seinem speziellen Handwerkszeug erreichen und bei Anlass der Erkenntnis Nachschub leisten, dass ein Suchtproblem besteht und Therapie nötig ist.

Verantwortung ist gesund

Gesellschaftliches Umdenken müsse jedoch umfassender sein und schon im Kindes- und Jugendalter ansetzen. "18-Jährige verstehen nicht, wenn Alkohol zuvor stets bagatellisiert wurde, in Verbindung mit dem Auto jedoch plötzlich ein Problem darstellt", so der Verkehrspsychologe. Zielführend sei Suchtprävention, die den Schwerpunkt auf positive Aspekte legt. "Ein bewusster, verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol fördert die Gesundheit. Denn man umgeht nicht nur Verkehrsprobleme, sondern auch Arbeits- und Freizeitunfälle sowie zahlreiche Alkohol-Folgeerkrankungen. Zudem finden über 90 Prozent der Gewaltdelikte in alkoholisiertem Zustand statt."

In Deutschland, wo die Nachschulungen Aufbauseminare heißen, geht man noch einen Schritt rigider vor. Arztatteste sind schon bei kleineren Übertretungen nötig, die Dauer des Führerscheinentzuges ist länger und die Ablehnungsquote nach dessen Ende höher. Für Ortner ebenfalls kein wünschenswerter Zustand. "Ein Alkoholproblem ist eine Erkrankung und sollte nicht kriminalisiert werden. Wer eine Therapie macht, sollte vom Trinken wegkommen und wieder in die Gesellschaft integriert werden. Wird der Führerschein zu lange entzogen, bedeutet das bei vielen Erwerbsarbeiten automatisch die Kündigung. In Folge droht die Armutsspirale", so der Experte.

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