Zusehen, wie das Gefühl Schmerz entsteht
Bildgebende Verfahren zeigen Vorgänge im Gehirn auf
München (pte) (pte010/22.10.1999/11:00) Schmerzforscher sehen dem menschlichen Gehirn dabei zu, wenn es Schmerz empfindet und verarbeitet. Sie sehen auch, was sich im Zentralorgan verändert, wenn chronische Schmerzen seinen "Besitzer" quälen. Bildgebende Verfahren haben begonnen, die Schmerzforschung zu revolutionieren. Sie liefern nicht nur neue Erkenntnisse für ein besseres Verständnis des Phänomens Schmerz, sondern werden auch die Schmerztherapie voranbringen. http://www.schmerzkongress.de/
Schmerzen kann man sichtbar machen erklärt Privatdozent Dr. Thomas Tölle, Neurologe am Klinikum rechts der Isar der TU München. http://www.tu-muenchen.de/ Möglich ist dies beispielsweise mit Hilfe der sogenannten Positronen-Emissions-Tomographie (PET), einem Verfahren, das physiologische und biochemische Prozesse im Gehirn sichtbar macht. So wissen die Forscher inzwischen, dass schmerzhafte Reize in verschiedenen Arealen des Gehirns verarbeitet werden. Eine Gruppe von Nervenzellen (Neuronen) bewertet beispielsweise, ob ein Signal die Schmerzschwelle überschreitet. Eine zweite Gruppe in einer anderen Gehirnregion ist für die Verarbeitung der Schmerzintensität, eine dritte Gruppe für die emotionale Komponente des Schmerzes zuständig.
Untersuchungen von Wissenschaftlern aus Tübingen und Bochum mit anderen bildgebenden Verfahren, die auf dem Deutschen Schmerzkongress in München vorgestellt werden, zeigen, dass chronische Rückenschmerzen oder Phantomschmerzen die Repräsentation genannte "Spiegelung" des betroffenen Körperteils in der Großhirnrinde verändern. Ebenso ist inzwischen klar, dass Dauerschmerzen dazu führen, dass sich die Verarbeitung von Schmerzsignalen und damit verknüpften anderen Sinnesreizen in Rückenmark und Gehirn verändert.
Dr. Arne May von der Universität Regensburg berichtet, dass bei dem sehr seltenen, aber extrem schmerzhaften Clusterkopfschmerz jeweils ganz bestimmte Hirnstrukturen "arbeiten". Bei Attacken von Cluster-Kopfschmerz sind Areale aktiv, die den Schlaf-Wach-Rhythmus und andere zirkadiane Rhythmen steuern. Dieser körpereigene Zeitgeber, die "innere Uhr", könnte vermutlich bei den Betroffenen generell verändert und somit das Triggerorgan für die uhrwerkartig auftretenden Kopfschmerzattacken sein.
Mit Hilfe solcher Erkenntnisse können - in Verbindung mit physiologischen und molekularbiologischen Untersuchungen - Mechanismen und Risikofaktoren aufgespürt werden, die zur Chronifizierung von Schmerzen führen. Vor allem können Forscher bildgebende Verfahren auch für die Weiterentwicklung therapeutischer Strategien nutzen: Das Opiatsystem spielt bei Schmerz eine zentrale Rolle. Alle Gehirnregionen, die Schmerzsignale verarbeiten, haben Eines gemeinsam: Körpereigene Opiate, sogenannte Endorphine, spielen als Signalübermittler eine entscheidende Rolle.
Doch selbst diese hochpotenten Schmerzhemmer lindern nicht jede Art von Schmerz und können vor allem im Laufe einer längeren Behandlung mitunter an Wirksamkeit verlieren. Mit Hilfe der bildgebenden Verfahren können die Forscher nun nachweisen, dass ihre Opiat-Testsubstanzen, die in der Bildgebung eingesetzt werden, bei chronischen Schmerzsyndromen weniger gut an den Bindungsstellen (Rezeptoren) auf der Oberfläche der Neuronen andocken. Verschiedene andere Medikamente, die an Rezeptoren für unterschiedliche Signalstoffe (Neurotransmitter) im Gehirn andocken können, beeinflussen dadurch über komplexe Signalkaskaden auch das Opiatsystem. Diese anderen Medikamente "kitzeln das endogene Opiatsystem wach und machen es wieder empfänglich", erklärt Tölle.
Oberstes Ziel ist eine maßgeschneiderte Therapie, die sich an dem jeweiligen Schmerzmechanismus orientiert. Informationen: PD Dr. med. Dr. rer. nat. Thomas R. Tölle, Neurologische Klinik, TU München, Email: dgss99@lrz.tu-muenchen.de (idw)
(Ende)Aussender: | pressetext.austria |
Ansprechpartner: | rh |
Tel.: | 01/406 15 22-0 |
E-Mail: | redaktion@pressetext.at |
Website: | pressetext.at |