pts20080228025 Medien/Kommunikation

"Werbung ist kein guter Zweck"

Experten stellen Gemeinnützigkeit von kaioo in Frage


Berlin und Wien (pts025/28.02.2008/12:03) Die Stiftungs-GmbH kaioo aus Hamburg, Konkurrent der Social Community StudiVZ, will 100 Prozent der Werbeeinnahmen ihrer Plattform kaioo.com steuerbefreit an gemeinnützige Organisationen spenden. Experten zweifeln in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins DIE STIFTUNG (06/2008) am Gemeinnützigkeitsstatus von kaioo: "Das Generieren von Mitteln mit Hilfe eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ist nicht schon deswegen gemeinnützig, weil die so generierten Mittel für gemeinnützige Zwecke verausgabt werden."

Medien verwandeln Aufmerksamkeit in Geld: Je höher die Auflage, Einschaltquote oder Klickrate ist, desto höher der Preis, den Werbekunden für Anzeigen bezahlen. Wäre es nicht schön, wenn man diesen Mechanismus nutzen könnte, um Gemeinwohl für alle, statt Profit für wenige zu schaffen? Denn letztlich ist es doch die Masse, die mit ihrer Aufmerksamkeit die Werbeeinnahmen generiert.

Thomas Kreye hat im letzten Jahr eine Idee, um Werbung für den guten Zweck einzusetzen: In "Online Social Communities" wie "Facebook" oder "StudiVZ" treffen hunderttausende Menschen aus aller Welt zusammen, die einander im "richtigen" Leben vielleicht niemals begegnen würden, um etwas gemeinsam zu unternehmen - innerhalb des Netzes, etwa in Diskussionsgruppen, aber auch außerhalb. Kreye will eine neue Social Community gründen, deren Rahmen an Werbekunden vermieten und die Einnahmen zu 100 Prozent an gemeinnützige Organisationen spenden. Die Nutzer der Kontaktbörse sollen demokratisch bestimmen, welche zehn Organisationen das Geld am Ende des Jahres erhalten, und welche Unternehmen als Werbepartner erwünscht sind oder nicht.

Die Anschubfinanzierung "im Rahmen von 500.000 Euro" kommt aus dem Privatvermögen des derzeitigen Vorstandsvorsitzender des internationalen Musikkonzerns SonyBMG, Rolf Schmidt-Holtz, den Kreye kennenlernte, als er für die Bertelsmann AG als "Unternehmensentwickler" arbeitete, während Schmidt-Holtz dort im Vorstand saß. Im November 2007 geht kaioo "online". Der operative Betrieb soll weiter über Spenden oder Sponsoring finanziert werden.

Gemeinnützig oder nicht?

Seit kaioo auf dem Markt ist, kursieren in der Presse und im Internet Unterstellungen, Kreye und Schmidt-Holtz seien Strohmänner des Bertelsmann-Konzerns, der unter dem "Deckmantel der Gemeinnützigkeit" Marketingstrategien im Internet testen und persönliche Daten von Nutzern sammeln wolle. Die beiden sehen sich genötigt, immer wieder zu beteuern: "kaioo hat mit Bertelsmann nichts zu tun!" Im Internet tobt ein Glaubenskampf um die Bertelsmann-Frage. Ein Umstand wird dabei jedoch fast nie bezweifelt: die Gemeinnützigkeit von kaioo. Gerade sie ist es aber, die einen Stiftungsfachmann stutzig macht.

"Das Generieren von Mitteln mit Hilfe eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ist nicht schon deswegen gemeinnützig, weil die so generierten Mittel für gemeinnützige Zwecke verausgabt werden", sagt der auf Nonprofitrecht spezialisierte Rechtsanwalt Stefan Winheller. Zwar ermögliche § 58 Nr. 1 AO durchaus das Modell der Förderstiftung, deren Zweck darin besteht, "Mittel für die Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke einer anderen Körperschaft" zu beschaffen. Entscheidend sei aber, so Winheller, dass das Geschäft nicht überwiegend durch einen steuerpflichtigen Wirtschaftsbetrieb geprägt sei.

Der Bundesfinanzhof hat in der Vergangenheit regelmäßig geurteilt, dass das Werbegeschäft gemeinnütziger Organisationen dem steuerpflichtigen Wirtschaftsbetrieb zugehöre. Außerdem wäre zu fragen, ob eine steuerliche Privilegierung des Werbegeschäfts nicht gegen § 65 Abs. 3 AO verstieße, der einen Wettbewerbsnachteil für nicht begünstigte Konkurrenten verhindern soll. "Konkurrenten könnten gegebenenfalls rechtlich gegen das Finanzamt vorgehen und eine Besteuerung des Wettbewerbers verlangen", meint Stefan Winheller.

Das Finanzamt Hamburg-Nord, das für kaioo zuständig ist, wartet ab, wie sich das Geschäft von kaioo im Laufe des Jahres entwickelt. Stelle sich bei der endgültigen steuerlichen Veranlagung einer vorläufig als gemeinnützig anerkannten Körperschaft heraus, dass das Geschäft überwiegend durch einen steuerpflichtigen Wirtschaftsbetrieb geprägt war, werde die Gemeinnützigkeit nachträglich aberkannt.

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Weitere Themen der aktuellen Ausgabe

*Österreichische Stiftungen in der "Mausefalle"
*Lizenz zum Helfen: Social Franchising wird zum Innovationsmodell für Stiftungen
*Die Chance, etwas zu bewegen: Strategische Erfolgsfaktoren im Stiftungsmanagement
*SPECIAL: Kunst- und Kulturstiftungen
*Alternative in der Krise: Mit ETFs flexibel, transparent und liquide profitieren
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Den kompletten Text aus DIE STIFTUNG Nr. 6 vom 29. Februar 2008 senden wir Ihnen gerne zu. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Christian Backe, Redaktion DIE STIFTUNG (Tel.: 030 / 240 848 102, Fax: 030 / 240 848 250, E-Mail: c.backe@die-stiftung.de)

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