pte20150601023 Unternehmen/Wirtschaft, Handel/Dienstleistungen

DIRK-Konferenz: Geldpolitik muss Krise managen

Gläubigerschutz oberstes Gebot für Zentralbanken


Frankfurt (pte023/01.06.2015/18:23) "Die ganze Welt im Umbruch und die Krise als Normalzustand" - so beschreibt der Hamburger Volkswirtschafter Hennig Vöpel die aktuelle Situation auf den Finanzmärkten, doch nicht ohne Auswege aufzuzeigen. Er empfiehlt Anlegern, die Märkte differenzierter zu analysieren und in Aktien zu investieren, sie seien weniger krisenanfällig als Anleihen. Und er empfiehlt Unternehmen, von der Schuldenfinanzierung (Anleihen) abzugehen. Eine rasche Erholung der Märkte sei generell nicht zu erwarten, man müsse sich auf eine relativ lange Periode schwachen Wachstums einstellen, so Vöpel auf der 18. Konferenz des Deutschen Investor Relations Verbandes (DIRK) http://dirk.org am Montag in Frankfurt.

Die Frage "Wohin fließt das ganze Geld der Zentralbanken?" stand im Mittelpunkt der gut besuchten Eröffnungsveranstaltung, in der es um die Mobilisierung von Unternehmenskapital und die Entschlackung der Regulierung ging. Vöpel, Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts http://hwwi.org untersuchte die Ursachen und Folgen der aktuellen Krise, die mit überhöhten Wachstumserwartungen und unerfüllbaren Zinsversprechen ihren Ausgang nahm und in beschleunigte Globalisierung, globale Ungleichgewichte und Vermögenspreisblasen gemündet hätten. Hinzu gekommen sind systemische Risiken und Regulierungsversagen der Institutionen.

Gigantische Umverteilung

Vöpel zeigte in seinem Beitrag auf, dass der Gläubigerschutz bisher oberste Priorität hatte. Es habe eine gigantische Umverteilung zwischen Gläubigern und Schuldnern stattgefunden - aus Angst vor einer weiteren Ausbreitung der Krise. Das gesamte Krisenmanagement wurde in die Hände der Zentralbanken gelegt, die ihre Bilanzen massiv aufgeblasen haben und nun offensiv Staatsanleihen aufkaufen. Die Frage sei berechtigt, ob dieses Zentralbankgeld in der Realwirtschaft ankommt, so der Volkswirtschaftsexperte. Und er versuchte sie auch zu beantworten: Ja, es landet in der Wirtschaft, aber auf den Kosten bleiben die Steuerzahler sitzen - die Kosten würden "zeitlich gestreckt", und das bedeutet auf sehr lange Zeit niedrige Zinsen.

Die Konsequenz: Wer Rendite sucht (wie etwa Versicherungen oder Rentenfonds), muss ins Risiko gehen. Vöpel sprach von einer gefährlichen Entwicklung, Anleger würden sogar "ins Risiko getrieben". Einen "Easy Exit" aus dem aktuellen Krisenmanagement gäbe es nicht. "Wir haben eine relativ lange Periode schwachen Wachstums vor uns", sagte Vöpel mit Blick auf die nächsten 15 Jahre. Die "realen Negativzinsen" beurteilt der Wissenschafter jedoch als "temporäre Erscheinung" für zwei bis drei Jahre. Das sei der "Preis für die Sicherheit", die "Risikoprämie" für den realen Einkommensverlust.

Geld landet in Deutschland

Und ein weiteres Phänomen zeigte Vöpel in seiner Analyse auf. Lohn und Konsum steigen in einigen Ländern bereits wieder, doch die geldpolitischen Impulse verteilen sich ungleich. Das Geld der Zentralbanken landet nicht in den Krisenländern, sondern in Deutschland. Während Portugal, Griechenland und Spanien mit sinkenden Kreditvolumina kämpfen, ist das verliehene Geldvolumen in Frankreich nach einem kurzen Einbruch stabil und in Deutschland seit 2010 sogar gewachsen, und das trotz strengerer Regulatorien. Durch die Verschiebung von Kreditangebot und Nachfrage befinde sich Europa auf dem Weg der Entkoppelung von Geldmarkt und Realwirtschaft, sagte der Experte.

Aktien als neue Anleihe

Hinsichtlich der Wachstumserwartungen gab sich Vöpel durchaus optimistisch. Europa und die USA können im Schnitt mit 1,6 Prozent pro Jahr rechnen, Schwellenländer wie China und Indien bis zu sieben Prozent. Russland und Brasilien müssten hingegen bis 2020 mit schrumpfenden Wirtschaftsdaten rechnen.

Investoren gibt der Wirtschaftsexperte den Rat, die Märkte differenzierter zu betrachten. Wachstum sei in allen Branchen und Ländern möglich, nur eben mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Es sei außerdem leichter in "Branchen" als in "Trends" zu investieren, Technologie-Aktien seien besonders empfehlenswert. Chancen gibt es immer, wenn diese auch regulatorisch und wirtschaftspolitisch genutzt werden, meinte Vöpel: Technologie-Unternehmen lösen die Probleme der Zukunft: Energie, Umwelt und Migration.

Fotos zur 18. DIRK-Konferenz stehen unter http://fotodienst.pressetext.com/album/3460 als Download zur Verfügung.

(Ende)
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