pts20051108053 Politik/Recht, Unternehmen/Wirtschaft

Werden wir vom Arbeitsrecht zugeschüttet? - Eine Diskussion im Gewerbeverein!

Der MANZ-Ratgeber "Arbeitsrecht für Klein- und Mittelbetriebe" als Erste Hilfe!


Wien (pts053/08.11.2005/23:05) Anlass für eine überfällige Podiumsdiskussion im Österreichischen Gewerbeverein (ÖGV) zum Arbeitsrechts-GAU war die Buchpräsentation des neu erschienenen Ratgebers von Kollros/Gauss: Arbeitsrecht für Klein- und Mittelbetriebe; MANZ-Verlag.

In seinem Impulsreferat betonte Co-Autor Ernst Kollros, dass das heimische Arbeitsrecht immer unverständlicher wird. Darüber hinaus ist der Umfang dieser Rechtsmaterie erschreckend. Alleine heuer wurden in diesem Gebiet 170 Seiten Gesetzestext beschlossen. Fügt man das Sozialrecht und höchstgerichtliche Entscheidungen hinzu, dann wird zwangsweise eine Abhängigkeit der KMU von Steuerberatern unumgänglich.

Der Ratgeber "Arbeitsrecht für Klein- und Mittelbetriebe" vermittelt Plausibilitätswissen. Es geht dabei um Einstellungserfordernisse, Entgeltfragen, Rechte und Pflichten, Arbeitszeiten und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Beispiele, Tipps, Muster, Formulierungsvorschläge und Checklisten machen den Ratgeber zu einem Vademecum des unternehmerischen Mittelständlers.

Der zweite Autor des Ratgebers, BMF-Abteilungsleiter Richard Gauss wies in seinem Statement darauf hin, dass bei dem moderaten Wirtschaftssinkflug Österreichs das nationale Arbeitsrechts-Regelwerk zum zunehmenden Wachstumshemmnis wird. Staaten mit massiver Redimensionierung des Arbeitsrechts erlebten stets zuvor einen wirtschaftlichen Crash. EU, OECD, IWF und viele andere Organisationen bescheinigen Österreich ein hypertrophes Wirtschaftsrecht - einen wesentlichen Teil dazu trägt auch das überzogene Arbeitsrecht bei.

Arbeitsrechtsprofessor Franz Schrank konnte nicht umhin auf die zwei Seelen in seiner Brust hinzuweisen - immerhin ist seine Expertise höchst willkommen, wenn das Arbeitsrecht so richtig kompliziert wird. Um aber dann richtig loszulegen. Seit 35 Jahren beobachtet er, wie es den Unternehmen mit dem Arbeitsrecht ergeht. In dieser Periode war das "Zuschütten" mit Arbeitsrecht ein einschleichender Prozess. Man kann davon ausgehen, dass gerade einmal zehn Prozent der etwa tausend Seiten Arbeitsrechtskodex Handwerkszeug für Unternehmer sind. Einfaches - so Schrank - ist ohne Judikatur nicht mehr nachvollziehbar. Das Recht des Nichtarbeitens ist im heimischen Arbeitsrecht fest geschrieben. Unsere Wirtschaft floriert nur noch, da weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer das Gesetz ausreichend kennen. Kommt es dann aber dennoch zu Konflikten, dann schlägt das Imperium der Gesetze mit voller Wucht zurück.

Schrank beklagt einen Overkill an Misstrauensregelungen im Arbeitsrecht. Die Antwort darauf war eine immer stärker werdende Absetzbewegung aus diesem Rechtsbereich. Begonnen hat dies mit der Schwarzarbeit. Mitte der 90er Jahre kam dann die Flucht aus dem Arbeitsrecht durch Werkverträge und ähnliche Konstrukte auf breitester Basis. Arbeitsrechtsexperten innerhalb der Betriebe können nebenher keine unternehmerische Tätigkeit mehr ausüben.

Bemerkenswert - so Schrank - ist das Ungleichgewicht zwischen hoch geschraubten Arbeitgeberpflichten und minimalen Arbeitnehmeranforderungen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) urteilte, dass "der Dienstnehmer keinen Erfolg schuldet - es zählt lediglich sein Bemühen im Rahmen dessen, was er kann". Da konnte man sich den Zwischenruf nicht verkneifen, dass genau dieser OGH ein Dienstzeugnis mit dem Passus "der Dienstnehmer hat sich stets bemüht den Anforderungen gerecht zu werden" als diskriminierend bezeichnete.

Kein Zweifel, so Franz Schrank, dass Arbeitsrecht für den sozialen Frieden unerlässlich sei. Aber es sollte uns doch zu Denken geben, wenn über Ausgliederungen der Weg aus den durch das überzogene Arbeitsrecht teuren Rahmenbedingungen heute gang und gäbe ist.

Helmut Jörg, geschäftsführender Gesellschafter der L.Jörg Maschinenbau GmbH betonte, dass das derzeitige Arbeitsrecht heimische Unternehmen zwingt, im Ausland arbeiten zu lassen. Im Lande bleibt, was der Auftraggeber morgen haben will, so Jörg. 1980 gab es in Österreich lediglich einen Anteil von 33 Prozent Ein-Mann-Unternehmen. Heute ist dieser Anteil bei insgesamt beträchtlich mehr Unternehmungen auf 55 Prozent angewachsen. Und jeder dieser Ein-Mann-Unternehmer scheut sich, den ersten Mitarbeiter zu einzustellen. Dessen arbeits- und sozialrechtliche Betreuung bindet wöchentlich 15 Stunden unproduktiver Unternehmerkapazität.

Hervorgehoben wurde, dass unser soziales System zwar Sicherheit aber keinen Anreiz zum Arbeiten bietet. Die skandinavischen Systeme - ein Mix von Armutsvermeidung und Anreizen - haben sich zweifelsohne besser bewährt. In Dänemark vermerkt man nach einem radikalen Rückbau des Arbeitsrechts eine Renaissance hin zum traditionellen Arbeitsverhältnis. Ursache dafür ist ein beschäftigungsfreundlicher Regelungsmix:
+ Der Arbeitsmarkt wurde flexibilisiert, das Arbeitsrecht schränkt nur mehr minimal ein.
+ Die soziale Sicherung erfolgt überwiegend über Steuern, nicht überSozialversicherungen.
+ Eine aktive Arbeitsmarktpolitik baut auf Fordern und Fördern auf. Dänemark beweist: Je weniger Regulierung, desto mehr Beschäftigung!

Abschließend wies Franz Schrank darauf hin, dass ein Zuviel an Schutz kontraproduktiv ist. Es gibt dann abgesicherte Arbeitsplatzbesitzer einerseits und Verlierer andrerseits. Als besonderes Schmankerl bezog er sich auf einen hoch aktuellen Schildbürgerstreich beim neuen Behindertenrecht, das ab 1.1.2006 gültig wird: Zwar wurde der Kündigungsschutz bei der Einstellung begünstigter Behinderter von drei auf sechs Monate verlängert. Aber gleichzeitig kann bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses vor dieser Frist der Arbeitnehmer vom ersten Tag an Motivkündigungsschutz geltend machen. Die dann geltende Nichtdiskriminierung kann jeder - auch nicht begünstigte Behinderte - im Kündigungsverfahren vorbringen. Es ist zu erwarten, dass solche Prozesse künftig auf der Tagesordnung stehen. Und, dass in der Folge niemand mehr Behinderte einstellen wird. Doch halt: Unternehmer, die dann behaupten, sie zahlen lieber die Behindertenausgleichstaxe bevor sie einen Invaliden einstellen, können wegen diskriminierender Äußerungen belangt werden!

Bemerkenswert, dass die ÖGV-Sonntagsmatinee am Tag vor dieser Veranstaltung von etwa fünfmal mehr Besuchern frequentiert wurde. Offenbar haben sich Unternehmer und Manager schon leidvoll damit abgefunden, dass Arbeitsrecht so kompliziert sein muss!

(Ende)
Aussender: Österreichischer Gewerbeverein
Ansprechpartner: Herwig Kainz
Tel.: +43/1/587 36 33
E-Mail: h.kainz@gewerbeverein.at
|