ptp20210809008 Politik/Recht, Kultur/Lifestyle

Verfassung schützt Scientologen

Praxis der Stadt München verletzt die Religionsfreiheit und das Gebot der Gleichbehandlung


München (ptp008/09.08.2021/09:00) Das schriftliche Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH Az. 4 B 20.3008) in dem Prozess einer Münchner Scientologin gegen die Landeshauptstadt München liegt jetzt vor. Es ging um die städtische E-Mobile-Förderrichtlinie, die dem Umweltschutz dient und die Verweigerung eines Fördergeldes zum Kauf eines E-Bikes allein aufgrund der Scientology-Zugehörigkeit der Klägerin.

Mit unmissverständlichen Worten verurteilte der Bayerische VGH die behördliche Praxis als einen durch nichts gerechtfertigten Eingriff in die in Art. 4 GG garantierte Religionsfreiheit und als Verstoß gegen Art. 3 GG über das Verbot der Ungleichbehandlung vor dem Gesetz mit den Worten: "Der Ausschluss von Antragstellern, die der Scientology-Lehre verbunden sind, aus dem Kreis der Förderungsempfänger stellt auch in mehrfacher Hinsicht einen Grundrechtsverstoß dar. Er ist unvereinbar mit der Religions- bzw. Weltanschauungsfreiheit und genügt nicht den gleichheitsrechtlichen Anforderungen der Verfassung."

Wie schon das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 2005 geurteilt hatte, bestätigte auch der Bayer. VGH, die Klägerin und generell die Mitglieder der Scientology-Kirche können "in jedem Fall das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz für sich in Anspruch nehmen". Art. 4 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Freiheit des Glaubens bzw. des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Durch Verweigerung der beantragten Förderung verstieß die Stadt München in mehrfacher Hinsicht hiergegen.

Die Stadt durfte generell nicht die Offenlegung der religiösen bzw. weltanschaulichen Überzeugung verlangen und Scientologen pauschal von ihrem Förderprogramm für E-Bikes ausschließen. Dazu das Gericht: "Maßnahmen von Trägern öffentlicher Gewalt, die sich gezielt gegen eine von Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Freiheitsbetätigung richten, stellen jedenfalls mittelbare Grundrechtseingriffe dar. Diese Voraussetzungen liegen bei dem an ein persönliches Bekenntnis geknüpften Ausschluss von Scientology-Anhängern aus dem Förderprogramm der Beklagten vor."

Zum Verbot der Ungleichbehandlung stellte das Gericht fest, dass die städtische Ausschlusspraxis gegen die Gleichheitsgrundsätze des Grundgesetzes verstößt: "Auch aus Gründen der Gleichbehandlung ist der Ausschluss von Scientology-Mitgliedern und -Anhängern aus dem Förderprogramm der Beklagten als rechtswidrig anzusehen. Er verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG.", das heißt, gegen den Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und nicht aufgrund ihres Glaubens oder ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung benachteiligt werden dürfen.

Die Pressesprecherin der Scientology-Kirche Deutschland kommentierte erfreut das Urteil mit den Worten: "Damit hat ein Gericht erstmals die Dinge beim Namen genannt. Wir sind erfreut darüber, dass die behördliche Diskriminierungspraxis gegenüber Scientologen endlich eine rote Karte erhielt, die sie schon lange verdient hatte. Dies ist ein Erfolg für die Religionsfreiheit aller Menschen, die in Deutschland aufgrund ihrer religiösen Überzeugung Nachteilen ausgesetzt sind."

(Ende)
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