pts20170609006 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Vorhofflimmern ist größerer Schlaganfall-Risikofaktor als bisher bekannt

Gezieltes Screening-Programm würde Leben retten und Kosten sparen


Wien/Wr. Neustadt (pts006/09.06.2017/09:00) "Vorhofflimmern ist die Epidemie des 21. Jahrhunderts schlechthin und von seiner Bedeutung sogar relevanter als die weit verbreitete Herzinsuffizienz", sagt Prim. Univ.-Doz. Dr. Franz Xaver Roithinger (LK Wiener Neustadt), Präsident der ÖKG, auf einer Pressekonferenz anlässlich der ÖKG-Jahrestagung 2017. "Zielführend wäre eine breit angelegte Kampagne und ein flächendeckendes Screening von Risikogruppen. Aus meiner Sicht ist ein solches Programm die wesentlichste Vorsorgemaßnahme der nächsten 20 Jahre. Wir würden damit wohl nicht nur mehr Leben retten als mit den heutigen Brust- oder Prostatakrebs-Programmen, sondern auch noch Kosten sparen."

Das Problem: Rund 70 Prozent der Vorhofflimmerattacken werden von den Betroffenen gar nicht bemerkt oder nur mit unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Leistungsabfall oder Schlafstörungen wahrgenommen. Und mit herkömmlichen Untersuchungsmethoden wie Ruhe- oder Langzeit-EKG ist diese Herzrhythmusstörung oft nur schwer nachzuweisen. Daher wird die Erkrankung, von der laut Literatur etwa ein Prozent der Menschen betroffen ist, häufig gar nicht oder erst sehr spät erkannt. Vorhofflimmern ist zwar zunächst nicht unmittelbar lebensbedrohlich, aber eine der häufigsten Ursachen für Schlaganfälle: Werden Gerinnsel, die sich bei Vorhofflimmern im Herz ("linken Herzohr") bilden, ausgeschwemmt, können sie die Gefäße im Gehirn verstopfen.

Schon kurze Episoden erhöhen das Schlaganfallrisiko

Studien haben gezeigt, dass nicht nur permanentes Vorhofflimmern, sondern auch vorübergehend auftretende Störungen das Schlaganfallrisiko erheblich steigern. In einer 2014 publizierten Untersuchung mit mehr als 6.500 Teilnehmern betrug die Rate ischämischer Schlaganfälle bei Patienten mit permanentem Vorhofflimmern 4,2 Prozent pro Jahr, bei jenen mit persistierend über sieben Tage auftretenden Störungen 3 Prozent und bei Patienten mit vorübergehenden Episoden 2,1 Prozent.

Aktuelle Studie: Einmalige Kontrolle liefert häufig falsch-negative Befunde

Heute können die Ursachen für Schlaganfälle oft nur retrospektiv entdeckt werden. Prim. Roithinger: "Zielführender wäre es, dieses Risiko frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig vorbeugende Maßnahmen einzuleiten." Zwar empfehlen die Behandlungsrichtlinien der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft ab dem Alter von 65 nach Vorhofflimmern zu fahnden - das Problem ist allerdings, dass eine einmalige Kontrolle in vielen Fällen trügerische, falsch negative Befunde liefert. So wurde in einer soeben in Chicago präsentierten Studie mit 385 Risiko-Patienten bei der initialen Diagnostik kein einziger Fall von Vorhofflimmern entdeckt. Im Laufe der nächsten 18 Monate stellte sich aber heraus, dass 29,3 Prozent der Teilnehmer solche Herzrhythmusstörungen hatten, nach 30 Monaten waren es sogar rund 40 Prozent.

Breites Screening-Programm würde Leben retten und Kosten sparen

Was für ein flächendeckendes Screening von Risikogruppen nötig ist, hat eine Arbeitsgruppe von 60 internationalen Experten soeben in einem White Paper zusammengefasst. Das schließt auch die technischen Voraussetzungen dafür ein. Prim. Roithinger: "Zwar sind die diversen Smartphone-Apps für das im Expertenpapier empfohlene Langzeit-Monitoring meist noch zu wenig ausgereift, allerdings dürften schon in naher Zukunft kleine, aufklebbare Eventrekorder zur Verfügung stehen, die eine zuverlässige Messung über einen längeren Zeitraum erlauben."

Wie eine Analyse aus Schweden zeigt, gelingt es bei einem Screening von 1.000 Personen, acht Schlaganfälle zu verhindern und zwölf zusätzliche gesunde Lebensjahre (QALYs) zu gewinnen. Wie die Schwedische Dental and Pharmaceutical Benefits Agency (TLV) in ihrem Abschlussbericht bestätigt, belief sich der Aufwand für das Screening auf rund 50.000 Euro. Dem stehen allerdings die eingesparten Kosten für die verhinderten Schlaganfälle und andere Krankheiten gegenüber, die mit 100.000 Euro doppelt so hoch gelegen wären, berichtet Prim. Roithinger.

Quellen:

- Reiffel J et al. High Incidence Of Previously Unknown ("Silent") Atrial Fibrillation In Patients At High Risk For Atrial Fibrillation And Stroke: Primary Results From The REVEAL AF Study. Kongress der Heart Rhythm Society (HRS) 2017; Chicago, 10.-13. Mai 2017, Abstract: C-LBCT02-05

- S. J. Connoly et al, Risk of ischaemic stroke according to pattern of atrial fibrillation: analysis of 6563 aspirin-treated patients in ACTIVE-A and AVERROES; Eur Heart J (2015) 36 (5): 281-288

- E. Svennberg et al, Cost-effectiveness of mass screening for untreated atrial fibrillation using intermittent ECG recordingArzneimittelbrief 2013, 47, 54a

(Ende)
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