pte20130206012 in Leben

NGOs machen gegen Überwachungsfirmen mobil

OECD-Beschwerde eingebracht - Trovicor und Gamma im Visier


Stopp: deutsche Technologie in Bahrain im Einsatz? (Foto: pixelio.de/tokamuwi)
Stopp: deutsche Technologie in Bahrain im Einsatz? (Foto: pixelio.de/tokamuwi)

Berlin/München (pte012/06.02.2013/11:55) Eine Reihe von internationalen Menschenrechtsorganisationen haben heute, Mittwoch, bei der OECD Beschwerde gegen die Münchner Firma Trovicor http://trovicor.com und die deutsch-britische Gamma Group http://gammagroup.com eingebracht. Laut den NGOs gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Trovicor Überwachungstechnologien in Bahrain wartet. Der Gamma Group wird vorgeworfen, den bahrainischen Behörden zu helfen, massive Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Zu den Beschwerdeführern zählen Privacy International, Reporter ohne Grenzen, Bahrain Center for Human Rights, Bahrain Watch und das European Center of Constitutional and Human Rights.

Grobe Menschenrechtsverletzungen

Sollten die von Trovicor funktionsfähig gehaltene Technologie den Zugriff auf Regimekritiker in Bahrain zumindest, wenn nicht gar in bestimmten Fällen ermöglicht haben, verstoße die Firma gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Mithilfe der durch Trovicor gewarteten Software können Sicherheitsbehörden und Geheimdienste große Datenmengen aus Telefon- und Computerüberwachung abfangen, aufzeichnen und analysieren. Während der Massenproteste 2011 "wurden Opfer mit Sätzen konfrontiert, die sie in vertraulichen Telefonaten und E-Mails geäußert hatten", erklärt Maryam al-Khawaja, Präsidenten des Bahrain Center for Human Rights. Es gebe Belege für Menschenrechtsverletzungen auf breiter Front, bei denen auch mit Hilfe des Internets gegen Dissidenten vorgegangen wurde. "Um diese Übergriffe zu stoppen, müssen auch diejenigen zur Rechenschaft gezogen werden, die zu ihnen beigetragen haben", so al-Khawaja.

Bei der Gamma Group sind den Menschenrechtsaktivisten vor allem die invasiven FinFisher-Produkte ein Dorn im Auge. Dabei werden Überwachungsprogramme auf das Zusammenwirken mit Trojanern ausgelegt. Daten können dadurch nicht nur überwacht, sondern auch manipuliert werden. Medienberichte und Experteneinschätzungen würden nahelegen, dass diese in dutzenden Ländern eingesetzt werden, auch in Bahrain. Vorgeworfen wird dem Unternehmen die Wartung und Aktualisierung ohne die ein dauerhaftes Funktionieren dieser Technologien nicht möglich wäre. Damit habe man mit dazu beigetragen, dass es zu willkürlichen Verhaftungen, Folter sowie Verletzungen der Privatsphäre und des Rechts auf freie Meinungsäußerung gekommen sei. Gamas FinFisher wurde auf den Computen von bahrainischen Oppositionellen gefunden.

"Wir halten uns an Gesetze"

Die formale Beschwerde wurde bei den OECD-Kontaktstellen in Deutschland und Großbritannien eingereicht. Ziel ist es, dass Trovicors und Gammas Verträge mit repressiven Regimen offengelegt und auf Menschenrechtsverträglichkeit geprüft werden. Lieferungen und Dienstleistungen müssen gestoppt sowie durch technische Vorkehrungen gegen einen Missbrauch dieser Technologien effektiv vorgebeugt werden. Die Beschwerdeführer betonen, dass Deutschland und Großbritannien Menschenrechtsverletzungen von auf ihrem jeweiligen Territorium ansässigen Unternehmen zu verhindern.

Im Gespräch mit pressetext versichert Birgit Fischer-Harrow, Pressesprecherin von Trovicor, alle Gesetze einzuhalten. "Dafür können wir uns verbürgen." Zu diesen Regelungen gehören laut Fischer-Harrow deutsche sowie europäische Export- und Liefergesetze, das Wassenaar-Abkommen sowie Embargos, die von Ländern ausgesprochen werden, in denen Trovicor eine Niederlassung unterhält. Dazu zählt unter anderem Pakistan. Das Unternehmen verweist auf einen "aufwendigen" Code of Conduct und standardisierte Prüfverfahren bei Lieferungen. Zu der aktuell eingebrachten Beschwerde sowie den darin enthaltenen Vorwürfen geben die Münchner keine Auskunft. Fischer-Harrow betont, dass Trovicor als Unternehmen aus deutschem Hause auch moralische Ansprüche habe. In sämtlichen Lieferverträgen existiere eine Klausel, wonach Lieferungen und Dienstleistungen im Falle eines ausbrechenden Bürgerkriegs eingestellt würden. Über konkrete Kundenbeziehungen und Geschäftsverträge gibt es jedoch keine Auskunft.

Mangelnde Kontrolle durch Regierungen

"Da die Regierungen Exporte von Überwachungstechnologien nicht ordentlich kontrollieren, werden Firmen wie Gamma und Trovicor ausschließlich durch ihren eigenen moralischen Kompass reguliert", kritisiert Eric King, Forschungsdirektor von Privacy International. Man hoffe, dass der OECD-Prozess die Unternehmen dazu bringt, ihre Kunden sowie die Anwendung ihrer Produkte zu hinterfragen. Die Menschenrechtsorganisationen erwarten sich von ihrer Beschwerde, dass die OECD-Kontaktstellen in beiden Ländern Empfehlungen an Trovicor und Gamma ausspricht und regelmäßig über deren Einhaltung informiert.

"Der unregulierte Handel mit Überwachungstechnologie in autoritären Staaten ist eine der größten Bedrohungen für Pressefreiheit und Menschenrechtsarbeit im Internet", mahnt Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. "Exporte solcher digitalen Waffen müssen den gleichen Beschränkungen unterworfen werden wie Auslandsgeschäfte mit traditionellen Rüstungsgütern", so Mihr.

(Ende)
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