Schweiz: "Politische Beihilfe zur Pädophilie"
Lücke in Rechtssprechung verhindert Ermittlungen in Chatrooms
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Polizist: keine Ermittlung in Schweizer Chatrooms (Foto: pixelio.de, A. Bachert) |
Bern (pte025/10.02.2012/13:55) Manche Bereiche des Internets können für Kinder gefährlich sein. Zum Schutz von Heranwachsenden sind deshalb in vielen Ländern verdeckte Ermittler im Netz unterwegs, um beispielsweise Versuche von Pädophilen, sich das Vertrauen von Kindern zu erschleichen, zu vereiteln. In der Schweiz ist mit dem 1. Januar 2011 eine neue, allgemeine Strafprozessordnung in Kraft getreten. Mit Eintreten des neuen Gesetzes wurde eine ältere Regelung, die verdeckte Polizeiermittlungen reguliert hat, aufgehoben. So entstand unbeabsichtigt eine Gesetzeslücke, die präventive Ermittlungen gegen Pädophile in Internet-Chatrooms verbietet, wie der Jusletter http://weblaw.ch berichtet.
Unklare Zuständigkeit
"Die Lücke wäre schon vor ihrem Entstehen einfach zu schließen gewesen. Auch jetzt wäre eine schnelle Anpassung über ein dringliches Gesetz problemlos möglich. Alle, die sich mit der Thematik beschäftigt haben, wissen, dass es diese Lücke gibt und dass sie geschlossen werden muss, aber niemand will die Verantwortung übernehmen", sagt der ehemalige Schweizer Bundesgerichtspräsident Martin Schubarth http://www.martinschubarth.ch gegenüber pressetext. Die Regierung in Bern verweist darauf, dass die Polizeiarbeit in der Schweiz grundsätzlich Sache der Kantone ist, die regionalen Gesetzgeber fühlen sich aber mit der Aufgabe überfordert.
"Bei 26 Kantonen dauert es ewig, bis alle eine eigene Lösung erarbeitet haben. Eine Regelung auf Bundesebene wäre effektiver", erklärt Schubarth. Doch in Bern scheint keine Eile zu herrschen. "Das Bundesgericht hat schon im Sommer 2008 vor der Lücke gewarnt, die ab 2011 entstanden ist. Die Untätigkeit ist politisch verantwortungslos, wenn nicht gar politische Beihilfe zur Pädophilie. Es handelt sich um ein totales Versagen aller Beteiligten", so Schubarth. In einigen Kantonen wird mittlerweile an einer eigenen Regelung gearbeitet, um präventive Polizeiermittlungen in Chatrooms wieder zu erlauben.
Schwacher Hoffnungsschimmer
Die Praxis der Ermittlungen im Netz, bei denen sich Polizisten als Kinder ausgeben und so potenzielle Straftäter ausforschen, ist in der Schweiz unbestritten. "Das Modell wurde nie angefochten. Es herrscht Einigkeit, dass solche Ermittlungen wichtig und zulässig sind. Die Polizei hat, etwa in Zürich, gute Erfahrungen mit diesen Methoden gesammelt. Es gab schon mehrere Verhaftungen", erklärt Schubarth. Mit dieser Meinung steht der Professor nicht alleine da, weshalb sich vielleicht eine Lösung abzeichnet.
"Seit 2008 ist eine parlamentarische Initiative in Arbeit. Die lange Bearbeitungszeit ist zwar ein Skandal und der Inhalt sogar laut dem Initiator nicht zur Lösung des Problems geeignet, es ist aber denkbar, dass es noch in diesem oder im nächsten Jahr - also viel zu langsam - eine Regelung auf Bundesebene geben wird", so Schubarth.
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