pte20080422042 in Leben

Psychiatrie im 21. Jh.: "Wir sind im Umbruch"

Ärzte und Therapeuten wollen aufklären und neues Image etablieren


8. Jahrestagung befasst sich mit der Psychiatrie im Wandel (Foto: oegpp.at)
8. Jahrestagung befasst sich mit der Psychiatrie im Wandel (Foto: oegpp.at)

Wien (pte042/22.04.2008/13:55) "Wir wollen die Gesichter der Psychiatrie im 21. Jahrhundert zeigen und dazu beitragen, dem gesellschaftlichen Stigma der psychischen Erkrankungen entgegenzutreten", erklärt Universitätsprofessor Michael Musalek, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie ÖGPP, Motto anlässlich der morgen, Mittwoch, beginnenden Jahrestagung der ÖGPP. "Darüber hinaus wollen wir mit dem Irrtum aufräumen, dass psychische Erkrankungen immer etwas mit psychischer Verursachung zu tun haben müssen und zeigen, dass Psychiater heute nicht mehr dem immer noch vorherrschenden Stereotyp unterliegen", so Musalek weiter. Der sei nämlich weder ein Freud auf der Couch noch ein Anstaltsaufseher über Schwerstkranke, sondern müsse vielmehr dem Anspruch des Krankheitsmanagers und des unmittelbaren Ansprechpartners in einer Person gerecht werden.

Zudem sei es an der Zeit den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Therapie zu rücken. "Heute geht es nicht mehr nur um die medikamentöse Behandlung von psychischen Erkrankungen, sondern auch um den Menschen und darum, ihn zu lehren, wie er mit seiner Krankheit umgehen kann", erläutert Musalek gegenüber pressetext. Das fordere die Psychiatrie auf, die Behandlungsformen anzupassen und attraktiver zu gestalten. "Die klassische Krankheitsdiagnostik wird derzeit abgelöst durch die personenzentrierte Diagnostik. Hier spielt nicht nur die richtige Krankheitszuordnung eine Rolle, sondern auch die Erfassung des Menschen in seiner Gesamtheit und seinen Ressourcen", fasst der Professor für Psychiatrie zusammen.

Die frühzeitige Diagnose psychologischer Erkrankungen sei jedoch schwierig, da die Stigmatisierung in der Gesellschaft immer noch sehr hoch sei. "Die Patienten leiden viel mehr unter dem Zustand, dass sie eine psychische Erkrankung haben, als unter den Symptomen der Krankheit", sagt Musalek. Weit verbreitet sei zudem die Annahme, dass das Gros der psychiatrisch betreuten Patienten Schwerstkranke seien. "Das ist aber keineswegs der Fall. Von Depressionen, Persönlichkeitsstörungen und Sucht sind viel mehr Menschen betroffen, als etwa von Schizophrenie." Viele Betroffene würden aufgrund dieser Ansichten davor zurückschrecken, einen Fachmann aufzusuchen. Das wiederum führt dazu, dass die "guten medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten", die in den vergangenen zehn bis 20 Jahren entwickelt worden sind, nicht so zur Wirkung kommen, wie sie sollten, meint Musalek.

Die Aufklärung über psychische Erkrankungen und ihre Folgen sei also weiter voranzutreiben. "Was wir brauchen, ist, dass über das Thema gesprochen wird und sich ein anderes Verständnis entwickelt", mahnt Musalek. Es seien nämlich nicht immer nur die Anderen betroffen, beispielsweise leide jeder Fünfte mittlerweile an Depressionen. Zudem sei die Zunahme demenzieller und depressiver Erkrankungen aufgrund der demographischen Entwicklung zu erwarten. "In Gesamtkampagnen, die die Gesundheit betreffen, sollten auch die psychischen Erkrankungen einbezogen werden, denn das Wissen über die psychische Gesundheit ist in der Bevölkerung sehr vage." Durch den langen Leidensweg bis zur Diagnose und die hohe Selbstmordgefährdung seien psychische Erkrankungen aber besonders ernst zu nehmen-

In einem tagungsbegleitenden Schülerkongress wolle man mit Vorträgen und Diskussionen dazu beitragen, junge Menschen aufmerksam zu machen und über Themen wie Sucht, Schizophrenie und Suizid aufzuklären. "Die Entstigmatisierung kann nur beim Jugendlichen ansetzen, da sich bei ihnen noch keine Vorurteile festgefahren haben", kommentiert Musalek.

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