Steuergeldverschwendung: Skandal um Asfinag-Ausschreibepraxis
Systematischer Ausschluss günstiger Anbieter
Wien (pte021/03.10.2007/12:45) Der Autobahnbetreiber Asfinag http://www.asfinag.at hat durch eine fragwürdige Praxis bei öffentlichen Ausschreibungen zumindest Steuergelder in der Höhe von rund 500.000 Euro verschwendet. Zu diesem Schluss kommen die Rechtsanwälte Gunter Estermann und Ralf D. Pock http://www.estermann-pock.at in ihrer aktuellen Ausgabe "Die Vergabepraxis 7" (siehe Anlage) und führen schwerwiegende Argumente gegen diese Form der Ausschreibungen ins Treffen. "Hauptkritikpunkt ist dabei das von der Asfinag angewendete Unterpreiskriterium, das einen klaren Rechtsverstoß gegen EU-Bestimmungen darstellt", so Estermann im Gespräch mit pressetext. Die Asfinag entscheidet sich dabei im Ergebnis häufig für teurere Angebote und lässt preislich zum Teil deutlich günstigere Angebote - mit gleicher technischer Qualität - unberücksichtigt.
Allein im heurigen Jahr haben die beiden Vergaberechtsexperten drei Fälle beim Bundesvergabeamt aufgedeckt, in denen sich die Asfinag auf dieses unzulässige Unterpreiskriterium gestützt hat. Darin heißt es im Wesentlichen, dass "bei mehr als 30 Prozent Abweichung zum Mittelwert der abgegebenen Angebote (...) das gegenständliche Angebot keiner weiteren vertieften Angebotsprüfung unterzogen wird und ausscheidet". Insgesamt wurden dabei rund 500.000 Euro "verschwendet", weil preislich günstigere Angebote ausgeschieden wurden. Das bedeutet, dass ohne weitere Prüfung der Preisangemessenheit das günstigste Angebot in vielen Fällen ausscheidet und automatisch teurere Angebote zum Zug kommen. Gerade eine solche Vorgangsweise hat der Europäische Gerichtshof aus verständlichen Gründen in bereits mehreren Anlassfällen für unzulässig erklärt, so die beiden Vergaberechtsexperten.
Eine Planungsvergabe für die S37 war jüngst deshalb beim Bundesvergabeamt anhängig: Dabei wurde das mit 748.627,05 Euro preislich günstige Angebot, das ansonsten in keiner Weise zu beanstanden war, ausgeschieden. Zum Zug kam dadurch ein Angebot von 954.552 Euro. Die Asfinag begründete diese Entscheidung mit einer Abweichung von 30,96 Prozent statt der von der Asfinag willkürlich festgelegten Unterpreisgrenze von 30 Prozent, erklärt Pock. Anzumerken sei auch, dass der ausgeschiedene Bieter kein "Neuling" ist, sondern eines der renommiertesten österreichischen Ziviltechnikerbüros für die ausgeschriebenen Leistungen.
In einem weiteren aktuell anhängigen Verfahren - hier geht es um Planungsleistungen für die S1 - wurde ebenfalls der preislich günstigste Bieter ausgeschlossen. Interessanterweise wurde von der Asfinag dabei die Toleranzgrenze von 30 auf 25 Prozent gesenkt. Die Asfinag hat diese Differenzierung im Vergleich zur S 37 in keiner Weise begründet. Auch hier kam ein Bieter zum Zug, dessen Angebot um rund 300.000 Euro über dem ausgeschiedenen Angebot gelegen ist.
"Abenteuerlich" mutet in beiden Fällen die ausdrückliche Begründung der Asfinag für ihre mathematische Sonderregel in ihren Ausschreibungen an: "Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Auftragnehmer nach Auftragsvergabe ihren billigen Angebotspreis durch Nachträge und entsprechendes Claim-Management an den tatsächlichen Aufwand anzupassen versuchen. Um solchen Vorgangsweisen gegenzusteuern, scheiden wir Angebote, die unter dem von uns gemäß den Ausschreibungsbestimmungen ermittelten Mittelwert liegen, aus." Diese Begründung widerspreche jedoch nicht nur den Intentionen des Gesetzgebers, sie ist auch inhaltlich nur schwer nachvollziehbar und im Ergebnis - zumindest in dieser Allgemeinheit - unzutreffend, meint Estermann. "Denn wer berechtige Nachtragsforderungen vermeiden will, erreicht dieses Ziel vernünftiger Weise nicht durch einen vornherein überhöhten Preis, sondern durch eine sorgfältig ausgearbeitete Leistungsbeschreibung und einen fundierten Leistungsvertrag", so sein Kollege Pock.
Rudolf Wach, zuständig für das Vergabewesen bei der Asfinag, verweist im Gespräch mit pressetext darauf, dass Angebote, die einen Unterpreis aufweisen, laut dem Bundesvergabegesetz ausgeschieden werden müssen. "Die betreffenden Bieter werden daraufhin von der Asfinag informiert und haben danach die Möglichkeit, den Unterpreis aufzuklären. Kommt eine entsprechende Erklärung, wird das Angebot natürlich einer vertieften Prüfung unterzogen", so Wach. Wenn der Bieter nicht reagiert, wird das Angebot jedoch so wie angekündigt ausgeschieden. Außerdem müsse laut Wach zwischen geistigen Leistungen und Bauvorhaben unterschieden werden, da die Asfinag in den letzten Jahren schlechte Erfahrungen mit unterpreisigen Angeboten gemacht hat. In den konkreten Fällen, die beim Bundesvergabeamt anhängig sind bzw. waren, komme zudem laut Wach hinzu, dass der Bieter für bestimmte Bereiche der in der Ausschreibung angebotenen Leistungen keine Befugnis gehabt habe.
Dieser Vorwurf der angeblich fehlenden Befugnis treffe jedoch in den Vergabekontrollverfahren, die von Estermann und Pock geführt wurden bzw. werden, nicht zu. "Alle betroffenen Bieter sind nämlich eingetragene Ziviltechniker", so Estermann. Außerdem ändert dieser Vorwurf laut Estermann nichts an der Tatsache, dass die Asfinag laufend preislich günstigere Angebote ausscheidet und damit gegen EU-Recht verstößt. Dieser Umstand dürfte letztlich auch der Asfinag bewusst sein. Die vermeintlich unterpreisigen Bieter wurden nämlich in den bekannten Fällen tatsächlich aufgefordert, ihre Preise zu erklären. Aufgrund des in den Ausschreibungsunterlagen festgelegten Unterpreiskriteriums, an das die Asfinag in der Folge auch selbst gebunden ist, kommt es aber zum automatischen Ausschluss des betreffenden Bieters. "Das Aufklärungsersuchen ist daher lediglich als Feigenblatt zu verstehen", so Estermann im pressetext-Interview.
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