pts19990211012 Politik/Recht

Ewige Steuerpflicht beim Immobilienverkauf?

Geplante Gesetzesreform stößt bei Immobilienexperten auf Widerstand


Wien (pts012/11.02.1999/10:21) Kritik an einer geplanten Gesetzesänderung, die Spekulation mit Immobilien Einhalt gebieten soll, übt der Steuerrechts- und Immobilienexperte Mag. Ing. Walter Stingl, Mitautor der soeben erschienenen Publikation "Handbuch Immobilien und Steuern". Der diesbezügliche Entwurf der Steuerreformkommission sieht vor, jeden Gewinn aus dem Verkauf von Liegenschaften zu besteuern, wenn es sich nicht um den Hauptwohnsitz des Verkäufers handelt.

"Betroffen von dieser Gesetzesänderung wäre grundsätzlich jede Person, die eine Immobilie veräußert", stellt Stingl fest, der das neue Immobilien-Standardwerk gemeinsam mit Dkfm. Gerhard Nidetzky von TPA Treuhand Partner Austria im Manz Verlag herausgegeben hat. Sei es der Zweitwohnsitz auf dem Lande, die Eigentumswohnung, die inzwischen von den Kindern bewohnt wird, die vermietete Vorsorgewohnung, der Miteigentumsanteil, oder `uch ein Grundstück, das irgendwann den Besitzer wechselt.

"Gegen den Reformvorschlag spricht, daß er unser Steuersystem durchbricht, das von einer Trennung des Betriebs- und Privatvermögens ausgeht", erklärt Stingl. Die Konsequenz: Jeder Verkauf von Privatvermögen wäre möglicherweise steuerlich problematisch. Hier tue sich ein weites Feld für "Gesetzeserfinder" auf, kritisiert der Immobilienrechtler. "So könnte zum Beispiel der Briefmarken- oder Münzensammler, der das eine oder andere Stück verkauft, vom Fiskus zur Kasse gebeten werden. Besonders lecker wäre es für den Finanzminister auch, Verkaufserlöse aus Antiquitäten und anderen Gegenständen in Privatbesitz voll zu besteuern", zieht Stingl die Konsequenzen aus dem Vorschlag der Steuerreformkommission.

Als Gewinn gilt laut Stingl im Reformvorschlag die Differenz zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten. Geht es nach den Vorstellungen der Reformkommission, reduziert sich der Verkaufsgewinn um fünf Prozent, wenn eine Immobilie nach elf oder mehr Jahren verkauft wird, wobei aber auf jeden Fall ein Minimum von 25 Prozent steuerpflichtig ist. Darüber hinaus ist laut dem Entwurf bei der Vermietung von Gebäuden vom Buchwert auszugehen.

Ewige Aufbewahrungspflicht für Belege?
Als "besonders delikat" bezeichnet Stingl den Umstand, daß bereits vor Jahrzehnten gekaufte Grundstücke von der Regelung betroffen sein sollen. Wenn der Anschaffungspreis nicht mehr feststellbar ist, müßte der Einheitswert neu festgestellt und dem Verkaufsserlös in den nächsten Jahren gegenübergestellt werden. In Zukunft werde der Steuerzahler außerdem nicht nur Belege über den Kauf einer Immobilie verpflichtend aufbewahren müssen, sondern auch Rechnungen über Bau-, Umbau- und Sanierungskosten, um sie dem Veräußerungserlös gegenüberstellen zu können.

"Wenn etwa der Enkel in 50 Jahren das Haus des Großvaters verkauft, das dieser im Jahre 1999 auf seinem Grundstück errichtet hat, braucht er also die entsprechenden Belege des Großvaters", erläutert Stingl die Sachlage und empfiehlt: "Bei jedem Neubau sollte man einen Raum als Ablage für den Fiskus einplanen".

Keine Vorteile für den Fiskus zu erwarten
Auch der Staat selbst dürfte von einer solchen Neuregelung nur geringfügig bis gar nicht profitieren, meint der Steuerexperte: "Das Geld wird in Zukunft wohl weniger in Immobilien investiert, sondern wesentlich ertragreicher im Ausland veranlagt werden, ohne daß der Fiskus Zugriff darauf hat. Das könnte sich auf unsere Volkswirtschaft negativ auswirken."

Außerdem werde, sollte dieses Gesetz in Kraft treten, ein Verkaufserlös wohl immer seltener offiziell im Kaufvertrag aufscheinen. "Damit verliert der Fiskus nicht nur die Grunderwerb-, sondern auch Umsatz- und Einkommensteuer, weil Maklerprovision, das Honorar des Rechtsanwalts und Notars, und diverse andere Kosten von der Basis des Kaufpreises ausgehen. Vor dieser "Kriminalisierung" fürchten sich schon jetzt Vertragsverfasser, Makler und viele andere Berufsgruppen", gibt Stingl zu bedenken.

Dem Fiskus entgehen nicht nur Einnahmen, es entstehe auch ein enormer Verwaltungsaufwand, wenn dieser Gesetzesvorschlag realisiert würde, weil für jeden Verkaufsvorgang ein eigener Steuerakt angelegt werden müßte. Damit nicht genug, meint Stingl: "Da sich viele den Verkauf einer Immobilie in Zukunft überlegen werden, wenn der Fiskus zulangt, ist vor allem für die Bauwirtschaft mit Problemen bei der Beschaffung von Grundstücken zu rechnen."

Ob und in welcher genauen Form das neue Gesetz in Kraft treten wird, ist laut Stingl noch nicht bekannt, jedenfalls sei zu hoffen, "daß die Regierungsparteien diesen Vorschlag der Steuerreformkommission wieder fallen lassen." Dennoch lautet sein Rat an Anleger: "Wer jetzt und heute in Immobilien investieren will, sollte diese Absichten kennen und bei der Immobilienveranlagung bedenken."

Information: TPA Treuhand Partner Austria, Mag. Helene Bovenkamp, Mag. Karin Fuhrmann, Ziegelofengasse 33, 1050 Wien, Tel. 01/54650-0, Fax DW 299, eMail: tpabo@via.at oder tpajh@via.at, http://www.tpawt.com und Ing. Mag. Walter Stingl, Top Audit, Laxenburger Straße 83, 1100 Wien, Tel. 01/6040151, Fax DW 25, E-Mail: stingl-tax@xpoint.at

(Ende)
Aussender: Treuhand Partner Austria TPA
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