pts20220816026 Forschung/Entwicklung, Bildung/Karriere

Golfländer als Entwicklungshelfer: die unbekannte Großzügigkeit


Berlin (pts026/16.08.2022/14:20)

Jemen ist seit langem eines der Schwerpunktländer der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Kein Wunder: Jemen ist eines der ärmsten Länder der arabischen Welt. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen herrscht hier die schlimmste humanitäre Krise der Welt. Der lang anhaltende Krieg, Armut und Hungersnot, Gewalt und Menschenrechtsverstöße, Gesundheitssituation und Wassermangel und damit verbunden die hohe Zahl von Binnenflüchtlingen machen das Land im Süden der Arabischen Halbinsel mit seinen 30 Millionen Einwohnern zum Dauer-Zielland von internationaler Hilfe.

Immer wieder ist die kritische Frage zu hören, wieso Deutschland und andere europäischen Staaten sich für Jemen engagieren sollen, wo doch eigentlich arabische Nachbarn gefordert wären?

Die Antwort darauf mag Europäer überraschen. Denn ihnen ist kaum bekannt, dass die Golfstaaten schon lange Entwicklungshilfe leisten - und zwar seit sie Einnahmen aus dem Verkauf von Öl haben. Und das in einem Umfang, der die westliche Entwicklungszusammenarbeit in den Schatten stellt. Im weltweiten Vergleich geben sie sehr hohe Summen aus. Vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) können auf ihre Leistungen in vielfacher Milliardenhöhe verweisen.

Allerdings sind diese Entwicklungshilfen an Jemen und an andere arabische Nachbarstaaten, die nicht durch Ölförderung privilegiert und zu Reichtum gekommen sind, wenig bekannt. Die Geberländer haben lange Zeit keine Veranlassung gesehen, mit ihren bereitgestellten Finanzmitteln für Jemen international wahrgenommen zu werden. Sie waren außerordentlich aktiv, aber machten mit ihrem Engagement kein Aufheben.

Den Gebern aus den Emiraten war es statt dessen viel wichtiger, tatsächlich zu helfen, und zwar aus mehreren Gründen, wie die Experten der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) meinen. Mit der großzügigen Entwicklungshilfe sind die Golfländer bestrebt, ihre Nachbarschaft zu stabilisieren, auch wenn dies nicht immer gelingt, und sozioökonomische Unzufriedenheit niederzuhalten. Insofern wird deren Entwicklungspolitik mit Sicherheits-, aber auch Wirtschaftspolitik gekoppelt und ist zudem ein außenpolitisches Instrument. Indirekt sichern sie damit auch ihr eigenes Staatssystem.

Ein weiterer Grund ist die noch lebendige Erinnerung an die eigene Vergangenheit: Vor dem Ölboom bestand die Golfregion selbst noch aus armen Ländern. Vor einem halben Jahrhundert waren sie unterentwickelt, hatten keine Infrastruktur und kaum Schulen. Jetzt, wo sie in der Lage dazu sind, empfinden sie es als ihre Pflicht, den anderen zu helfen.

Abgesehen vom großzügigen Umfang der Hilfen gibt es weitere Unterschiede zur klassischen Entwicklungszusammenarbeit des Westens mit Entwicklungs- oder Schwellenländern. Es geht hier weniger um Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe, wie es der Westen versucht, sondern um Hilfe von Reichen an Arme. Dadurch behalten die Geberländer die Autonomie in ihrer Entwicklungspolitik. Die Empfängerländer haben weniger mitzureden. Allerdings haben die Empfängerländer den Vorteil, dass die Hilfen in der Regel nicht an Bedingungen geknüpft sind. Das Prinzip der Nichtkonditionalität besteht nach wie vor, ein weiterer Unterschied zum Westen.

Nicht zu unterschätzen ist die Leistung der VAE, Aden, die Region Hadramaut und andere Gebiete im Rahmen eines Anti-Terror-Plans von der Terrormiliz Al Qaida befreit zu haben und der Bevölkerung ein sichereres Leben zu ermöglichen.

Die Schwerpunkte der Hilfen sind zahlreich: Die Golfstaaten unterstützen den Ausbau großer Infrastrukturprojekte und engagieren sich in Bildung und Ausbildung, bauen Wohnhäuser, Spitäler und Schulen, betreiben Frauenförderung, vergeben Mikrokredite, investieren ins Gesundheitssystem, fördern Ernährung und Hygiene, bauen Elektrizität und Wasserversorgung aus und machen die hohe Jugendarbeitslosigkeit zum Hauptanliegen. An die sechzig Prozent der arabischen Bevölkerung ist jünger als 25. Die Hilfen erfolgen zum Teil durch Gewährung von Krediten und zum Teil durch Schenkung aus dem Herrscherhaus.

Da die Leistungen der Golfstaaten im Westen zu wenig bekannt sind, ist die jemenitische Regierung selbst daran interessiert, in Europa mehr Akzeptanz für die Infrastrukturprojekte der arabischen Geber zu wecken. Die KAS erkennt darin den Versuch, eine Arbeitsteilung zwischen arabischen Gebern für "Hardware" und westlichen Gebern für "Software" zu sichern. Das soll verhindern, dass sich Europäer mit Kritik an fehlender Rechtsstaatlichkeit im Jemen in die arabischen Projekte einmischen.

(Ende)
Aussender: Berlin Insiders
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