pts20211102017 Bildung/Karriere, Politik/Recht

Bildungsbaustelle Kindergarten: Offener Brief an die Verantwortlichen in Österreich

Institut für musisch-kreative Bildung appelliert an Minister Fassmann und Stadtrat Wiederkehr


Wien (pts017/02.11.2021/10:10) Der Bereich der Musikerziehung fristet im Kindergarten und in der Volksschule ein trauriges Dasein! Es ist die unendliche Geschichte einer Fehleinschätzung zu Lasten der Kinder. Das Institut für musisch-kreative Bildung Wien, unter Leitung von Mag. Urd Anja Specht und Mag. Gerald Specht, appelliert in einem offenen Brief an Minister Dr. Heinz Fassmann und Stadtrat Mag. Christoph Wiederkehr: "Sehen Sie hier nicht weiter weg! Gestehen Sie endlich der Berufsgruppe der Musik-und Bewegungs-pädagog*innen/Rhythmik-Pädagog*innen ihren Wirkungsbereich in der Elementarpädagogik zu! Wir fordern die wöchentliche Musik-und Bewegungs-/Rhythmik-Stunde für jedes Kind! Denn jedes Kind hat ein Recht auf die Förderung seiner musisch-kreativen und sozialen Persönlichkeitsbereiche - und dies wird keinesfalls allein durch die Kindergarten-Pädagog*innen oder Volksschullehrer*innen abgedeckt, dafür fehlt diesen die fachliche Ausbildung. Lassen Sie endlich die Expert*innen zu den Kindern in den Kindergarten und in die Volksschule!" https://www.rhythmikstudio.at

Musische Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen

Es darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, ob für ein Kind zusätzlich musische Förderung leistbar ist oder nicht! Es kann auch nicht sein, dass weiterhin falsche Weichen gestellt werden, auf dem Rücken der Kinder und auf dem Rücken der Pädagog*innen, die sich um die Entwicklung der Kinder bemühen. Gerade die Corona-Krise hat die Problematik der Entwicklungschance der Kinder krass aufgezeigt und die Notwendigkeit einer qualifizierten musisch-pädagogischen Unterstützung ist evident.

Chronische Überforderung der Kindergartenpädagog*innen hat in Österreich System

Österreich laboriert seit Jahrzehnten an einer Verbesserung der Kindergartenpädagogik - und kommt zu keiner nachhaltigen Veränderung bzw. Verbesserung. Die Gruppen sind zu groß, die Pädagog*innen zu wenige, die Aufgaben viel zu umfangreich, die Hilfen, die dafür möglich wären, werden allerdings abgewiesen. Warum?

Die neue Idee zur Verbesserung für die Kindergartenpädagogik (oder auch Elementarpädagogik) ist, noch weitere Qualifizierungen einzubauen, das bedeutet aber, auf die schwer tragende, bereits massiv ausgelastete Berufsgruppe kommen immer weitere Anforderungen und zu absolvierende Qualifikationsideen hinzu - bald wird Kindergartenpädagogik/Elementarpädagogik ein Unistudium sein. Das löst allerdings die akuten, realen Probleme nicht.

Märchenstunde?

Eine Kindergartenpädagogin ist ein ganz besonderes Wesen, sie ist ein wahrer Tausendsassa, sie ist Bildungsbeauftragte, sie ist Entwicklungspsychologin, sie ist Eventmanagerin, sie ist Dokumentatorin für Verhaltensauffälligkeiten ihrer jungen Klient*innen, sie ist Musikerin und Sport/Bewegungspädagogin und bewältigt alle diese Aufgaben im Teamwork, aber trotzdem allein verantwortlich in ihrer oft 25 Personen umfassenden Gruppe, plus deren Eltern.

Schnitt: Schluss mit diesem Märchen und den überdimensionierten Vorstellungen, was eine Kindergartenpädagogin (auch der seltene männliche Kollege) alles leisten können soll, darüberhinaus bei sehr knappem Lohn (Siehe Demoforderungen der Kindergartenpädagog*innen 10.10.2021). Das Zugeständnis, jetzt mehr Kindergarten-Assistent*innen einzusetzen, verstärkt den Betreuungs- und Unterbringungsanteil des Kindergartens, nicht aber den Bildungsanteil.

Es gäbe Hilfe, die Expert*innen - da heißt es aber: Bitte draußen bleiben

Die Expert*innen im Fach Musik-und Bewegungserziehung/Rhythmik für die Elementarpädagogik gibt es, aber der Kindergarten verschließt sich immer mehr gegen Expert*innen von außen und in der Volksschule herrscht noch immer das 1-Lehrer*innen-Prinzip!

Noch vor zehn Jahren gab es im Kindergarten Angebote, die von externen Personen in den Kindergarten hineingetragen und dort veranstaltet wurden, um den Kindergarten-Alltag zu bereichern mit Expert*innen wie Rhythmik-Pädagog*innen, Nativ-Speaker, Tanzpädagog*innen u.ä.

Allerdings gab es auch den negativen Nebeneffekt, dass nicht so genau geschaut wurde, welche pädagogische Qualifikation die jeweiligen Externen haben - man konnte leicht den Eindruck gewinnen, es genüge, einfach etwas anzubieten (Zumba, Yoga, Judo, Schach u.ä.) - da stellte sich nicht die Frage nach der pädagogischen Ausbildung, der Relevanz oder Qualität. Dass dies abzulehnen ist, liegt auf der Hand.

Nun aber hat Corona das gesamte Externen-Angebot leergefegt, abgeräumt, weil ja die Bestimmungen so sind, dass keine Externen aufgrund der Pandemie in die Kindergärten gehen durften und noch immer nicht dürfen.

Bald ist das Schlimmste allerdings vorbei - und wir reiben uns die Augen - flugs und ganz schnell haben die Kindergarten-Träger (zum Beispiel in Wien Kiwi, Kindercompany, St. Nikolausstiftung, Stadt Wien, Wr. Kinderfreunde) die Möglichkeit für externe pädagogische Spezialist*innen, ihre Arbeit im Kindergarten anzubieten oder wieder aufzunehmen, abgeschafft!

Begründungen wie, die Kindergarten-Pädagog*in habe selbst diese Qualifikation und mache diese Dinge selbst mit den Kindern, es müssen alle Kinder an allen Aktivitäten teilnehmen können etc.etc. machen die Runde.

Wir erinnern uns: Tausendsassa....

Ein X für ein U? Wer sind denn die Expert*innen?

Expert*innen im Bereich der Musik in der Elementarpädagogik sind Musik- und Bewegungspädagog*innen/Rhythmik-Pädagog*innen. Sie studieren ihr breitgefächertes Fach an der Universität für Musik und Darstellende Kunst, Institut 13 (Mindeststudienzeit vier Jahre Bachelor, zwei Jahre Master-Vollstudium) und absolvieren ein anspruchsvolles, mit weitreichenden künstlerischen und pädagogischen Themen und Anfordernissen prall gefülltes Studium: https://www.mdw.ac.at/mrm/mbe/studium

Die Musik-und Bewegungspädagog*innen/Rhythmik-Pädagog*innen sind ganz speziell unter anderem für die Altersgruppe der Kinder im Kindergartenalter ausgebildet, des weiteren unter anderem für die Aus- und Weiterbildung für KindergartenpädagogInnen/Lehrer*innen, das heißt, sie sind sowohl direkte pädagogische Expert*innen für Kinder, als auch für Mulitplikator*innen. Sie unterrichten auch in den BAfEPs (Bildungsanstalt für Elementarpädagogik) den Unterrichtsgegenstand Musik- und Bewegungspädagogik/Rhythmik.

Die Kindergarten-PädagogInnen haben also in ihrer Ausbildung Musik- und Bewegungspdädagogik/Rhythmik als Schulfach mit in drei Wochenstunden (im Vergleich Bewegungserziehung/Sport: elf Wochenstunden) http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20009623 . Dabei geht es um Eigenerfahrung der Schüler*innen (im jugendlichen Alter zwischen 15 und 18 Jahren) in der Verbindung von Musik&Bewegung, in Improvisation und Gestaltung , um einen ersten Eindruck dieses künstlerisch-pädagogischen Systems zu bekommen.

Dass diese Kindergarten-Pädagog*innen anschließend allerdings dieses hochkomplexe Fach selbst im Wochenrhythmus des Kindergarten-Alltages unterrichten können sollen, ist nicht seriös. Aber genau das wird seit Jahrzehnten so vertreten und von Kindergarten-Trägern behauptet, die Kindergarten-Pädagog*in hätte selbst eine Rhythmik-Ausbildung!

Es wäre in etwa so, als könnte jede Person, die in ihrer Ausbildung zwei Semester Psychologie oder Anatomie hatte, sich als Psycholog*in oder Arzt betätigen, undenkbar! Und trotzdem wird von Kindergarten-Trägern behauptet, Kindergartenpädagog*innen hätten eine Rhythmik-Ausbildung! Muss das Wenige einfach für Kinder genügen? Als Ausnahme könnten jene Menschen gelten, die dieses Fach als persönlichen Schwerpunkt gewählt haben und sich Jahr für Jahr selbst in Weiterbildungen begeben (zum Beispiel Rhythmik-Lehrgang) sowie durch persönliche besondere musikalische Qualifikationen auszeichnen.

Daher fordern wir, Musik-und Bewegungspädagog*innen/Rhythmik-Pädagog*innen als Expert*innen in jeden Kindergarten einzubeziehen und den Kindern diese besondere Musikpädagogik im Rahmen einer Rhythmik-Stunde ein Mal pro Woche direkt anzubieten sowie den Kindergarten-Pädagog*innen bei ihren sonstigen musikalischen, tänzerischen oder gestalterischen Ideen für deren Wochenplänen oder Jahreszeitfesten o.ä. beratend beiseite zu stehen.

Der Gewinn für die Kinder, die Kindergarten-Pädagog*innen und die Kindergärten wäre riesig!

Die Kosten dafür sind moderat.

Absurde Verdrehung von Qualifikationen - so entgeht der Gesellschaft ein ganz wichtiger Teil der Erziehung

Den Kindergarten-Pädagog*innen wird also mit drei Wochenstunden (siehe oben) eine "Rhythmik-Ausbildung" zugesprochen, die sie weder fachlich haben und noch bei dieser Minimalversion als Schulfach haben können.

Den Musik-und Bewegungspädagog*innen/Rhythmik-Pädagog*innen wird ihre pädagogische Qualität und Expertise für die Arbeit mit Kindern im elementarpädagogischen Segment nach sechsjährigem Studium abgesprochen, obwohl sie darüber hinaus auch die Befähigung haben, selbst die Pädagog*innen zu unterrichten.

Kaum eine Kindergarten-Pädagog*in könnte nach absolvierter Schule aus dem Stand die Aufnahmeprüfung für Musik-und Bewegungspädagogik/Rhythmik an der Universität für Musik und Darstellende Kunst schaffen, es sei denn sie ist besonders musikalisch begabt.
Diese absurde Verdrehung von Qualifikationen ist vollkommen unverständlich und geht zu Lasten der musischen Bildung von Millionen von Kindern über Jahrzehnte.

Beispiel Schweiz: in einigen Schweizer Kantonen ist die Musik- und Bewegungspädagogik/Rhythmik (Rhythmisch-musikalische Erziehung wie es in der Schweiz genannt wird) nicht nur im Kindergarten sondern auch in der Volksschule als Musikunterricht verankert, sinnvoll und wertvoll für die Kinder und deren nachhaltigen Lernerfolge. In Österreich entgeht der Gesellschaft ein ganz wichtiger Teil in der Erziehung/Ausbildung ihrer Kinder und den Kindern wird ein wertvoller Bildungsanteil für ihre musische, gesundheitliche und Persönlichkeits-Bildung vorenthalten.

Hat die Selbst-Ausbeutung im pädagogischen Bereich System?

Ist das so weil der Beruf der Kindergartenpädagog*in ein grundlegend weiblicher Beruf ist? Weil die Gesellschaft es noch immer gewohnt ist, Frauen komplexe, soziale Aufgaben aufzubürden, in der Gewohnheit, dass diese sie meistern werden, mit einem gehörigen Anteil Selbstausbeutung? Oder steht dahinter die Haltung, dass Kinder nicht die beste Ausbildung/Betreuung brauchen, weil es eh nur Kinder sind? Oder ist die Einstellung eher elitärer Natur, dass die Eltern letztlich pädagogische Defizite, sofern sie welche wahrnehmen, dann privat auffüllen sollen?

Klare Aufforderung an Minister Dr. Heinz Fassmann und Stadtrat Mag. Christoph Wiederkehr: Jetzt handeln!

Wir laden daher Herrn Minister Fassmann, Herrn Stadtrat Wiederkehr, Vertreter*innen der Universität Wien Institut 13 (Musik-und Bewegungspädagogik) und Vertreter*innen des Berufsverbands der Musik-und Bewegungspädagog*innen/Rhythmik-Pädagog*innen, sowie weitere Expert*innen (Österreichischer Musikrat, AGMÖ u.a.) zum Gespräch ein, um eine Lösung dieses Problems zu finden, denn es ist höchste Zeit, eine grundlegende Verbesserung der musisch-pädagogischen Landschaft im Elementarbereich zu veranlassen und einer ganzen Berufsgruppe endlich ihren Wirkungsbereich im Sinne der Kinder zuzugestehen.

Kontakt:
Mag. Urd Anja Specht
Mag. Gerald Specht
RhythmikStudio
Institut für musisch-kreative Bildung
1030 Wien
Web: https://www.rhythmikstudio.at

(Ende)
Aussender: RhythmikStudio
Ansprechpartner: Mag. Urd Anja Specht
Tel.: +43 1 513 39 13
E-Mail: studio.office@rhythmikstudio.at
Website: www.rhythmikstudio.at
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