Friedensjournalistin fordert Aufrüstung gegen Putin
Cathrin Kahlweit bei Toleranzgesprächen: Rechtsstaat mit allen Mitteln verteidigen
Fresach (pte013/05.06.2025/11:00)
Die langjährige Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in London, Wien und Kiew, Cathrin Kahlweit, tritt für eine außen- und sicherheitspolitische Aufrüstung gegen innere und äußere Feinde ein. In ihrer Rede zur Eröffnung der Europäischen Toleranzgespräche 2025 im Kärntner Bergdorf Fresach pochte die ehemalige Friedensbewegte auf der Notwendigkeit, die demokratischen Errungenschaften der Nachkriegsära mit allen Mitteln zu verteidigen.
"Wenn der Rechtsstaat nicht mehr funktioniert, dann verschwindet das Vertrauen der Bürger in den Staat und die Wirtschaft und die Zukunft, und am Ende bleiben alle, Eliten und normale Bürger, Opfer der Willkür eines wankelmütigen Absolutismus", betonte die Journalistin. Diese Botschaft gehe auch an jene Wirtschaftsvertreter in Österreich, die glaubten und glauben, mit den Rechtsextremen als Erfüllungsgehilfen ließe sich prächtig Geld verdienen, egal ob diese den Rechtsstaat gern nach ihrem eigenen Gusto auslegen oder zerschlagen wollen.
In den USA gäbe es derzeit eine Debatte darüber, ob Trump nun Faschist, Paternalist oder Kopf eines Oligopols sei. In einem sind sich Kahlweit zufolge aber alle Demokratie-Forscher einig: in ihrem Schock darüber, dass die Amerikaner so freimütig und naiv ihr Land einem Mann und seiner Clique aushändigen, der 250 Jahre Geschichte ausradieren, die amerikanische Erzählung verändern, Errungenschaften zurückdrehen und Freiheiten beschneiden will.
Für Frieden und Freiheit muss man kämpfen
Doch es gibt eine Gegenwehr, auch wenn wir sie nicht sehen sollen. Für Freiheit muss man kämpfen, auch wenn das im Umkehrschluss Aufrüstung, Abschreckung, militärische Mittel bedeuten kann. Wer sollte das besser wissen als eine Nachfahrin des NS-Staates, der von den Alliierten befreit wurde? Und sie sage das bewusst in einem Land, das sich an die Neutralität klammert wie an einen Strohhalm, als würde man, wenn man sich an den Strohhalm der Verfassungsneutralität klammert, im reißenden Strom externer Aggressionen nicht doch untergehen.
Rezepte gegen den Wahnsinn der Gegenwart in Politik und Wirtschaft habe sie keine, sagte Kahlweit, aber sie glaube an den guten, alten Sozialstaat als Stabilisator der Demokratie. Sie sei überzeugt, dass Vermögens- und Erbschaftssteuern sinnvolle Erfindungen sind, und dass man eher mit Verteilungsgerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit Wähler erreicht als mit Hass auf Migranten.
"Tax the rich" - das sei das Gebot der Stunde angesichts einer polarisierten Welt, in der die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung 83 Prozent des weltweiten Vermögens besitzen und die Schere weiter aufgeht. Und in der die reichsten zehn Prozent zwei Drittel der Erderwärmung verursachen.
Wertegeleitete Politik braucht aktive Verteidigung
Kahlweit weiter: "Demokratien muss man nach innen und nach außen verteidigen. Heute, 44 Jahre nach der Friedensdemo im Bonner Hofgarten gegen die Stationierung amerikanischer Pershing-Raketen, bei der Existenz sowjetischer SS20-Raketen seltsamerweise keine Rolle spielte, bin ich für die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland, für eine europäische Armee, für gemeinsame Rüstungsanstrengungen. Und für eine effektive, dauerhafte, solidarische Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine. Whatever it takes."
Eine wertegeleitete Politik sei etwas sehr Altmodisches. "Aber genau das erwarten die Ukrainer von Europa, die auf dem Maidan standen, und die Georgier, die nicht wieder in der russischen Welt leben wollen, und die Bulgaren, die gegen Korruption demonstriert haben, und die Serben, die gegen ihr Regime auf die Straße gehen, und die Slowaken, die Ficos Kulturmafia weghaben wollen, und die Ungarn, die ein Rechtsstaatsverfahren erwarten, dass auch nach Budapest Recht bringt.
Und die Briten, die den Brexit bedauern. Und die Russen, die ein Ende des verheerenden Krieges gegen ihre Brüder und Schwestern in der Ukraine und eine Zuflucht vor dem Terror im eigenen Land haben wollen. Und die Amerikaner, die womöglich demnächst die Mayflower fit machen und wieder rübermachen", so Cathrin Kahlweit in ihrer Analyse.
Das Fazit von Kahlweit in Fresach fiel nüchtern und realistisch aus: "Wie heißt es doch immer so schön in Österreich? Ein weiter so wie bisher können wir uns nicht leisten. Da haben die Österreicher, die sich immer so gern für den Nabel der Welt halten, ausnahmsweise mal recht."
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