pte20120814015 Medizin/Wellness, Politik/Recht

Österreicher wissen zu wenig über Gesundheit

Kompetenz deutlich unter EU-Schnitt - Nachteilig für Lebensführung


Pelikan: Kompetenz verbessert Lebensführung (Foto: fotodienst.at/Rauchenberger)
Pelikan: Kompetenz verbessert Lebensführung (Foto: fotodienst.at/Rauchenberger)

Wien (pte015/14.08.2012/12:40) Geht es um Kompetenz für die eigene Gesundheit, ist es um Herrn und Frau Österreicher schlechter bestellt als um Bürger vieler anderer EU-Länder. Das zeigt eine Studie des Ludwig-Bolzmann-Instituts http://lbg.ac.at , die am heutigen Dienstag in Wien präsentiert wurde. "Gesundheitskompetenz beeinflusst die Lebensqualität enorm. Die Mehrheit der Bevölkerung verfügt aber bloß in eingeschränktem Maß über sie", sagt Jürgen Pelikan, Leiter der vom Fonds Gesundes Österreich http://fgoe.org beauftragten Studie.

Schlusslicht Europas

"Wie schwer fällt es Ihnen, Ihren Arzt zu verstehen, die Vertrauenswürdigkeit von Medienberichten über Krankheiten zu überprüfen, Lebensmittelpackungen zu lesen?" Die Forscher stellten 50 derartige Fragen zur Fitness des Gesundheitswissens ("health literacy") an 8.000 Menschen in acht EU-Mitgliedsstaaten sowie ergänzend auch an 1.800 Menschen in den Bundesländern sowie an 500 Jugendliche. Als "ausreichend" oder "exzellent" wurde die Kompetenz dann eingestuft, wenn man zumindest 33 der Situationen gut meistert.

Österreich schnitt gegenüber den Vergleichsländern mit insgesamt nur 43 Prozent Anteil an den beiden besten Niveaus ähnlich schlecht ab wie Bulgarien (38 Prozent) und Estland (42 Prozent), während es Deutschland mit 54 Prozent immerhin knapp über den EU-Schnitt (52 Prozent) rangiert und die Niederlande mit 71 Prozent die Spitzenplatz einnehmen. Auch Österreichs Bundesländer stellten sich sehr heterogen dar, mit Top-Werten in Vorarlberg und Burgenland, niedrigen hingegen in Wien oder der Steiermark. Allgemein sinkt mit steigendem Alter die Kompetenz, wobei Jugendliche nur unterdurchschnittlich abschnitten.

Wissen ist gesund

Die Bedeutung dieser Zahlen für die Lebensführung ist nicht zu unterschätzen, betont Pelikan. "Je kompetenter man sich in der Gesundheit sieht, desto besser schätzt man die eigene Gesundheit ein. Man betreibt häufiger Sport und hat einen signifikant geringeren Body-Mass-Index, wenngleich es beim Rauchen und Alkoholkonsum kaum Unterschiede gibt", berichtet der Soziologe. Auch die Zahl der Spitalsaufenthalte, der Arztbesuche und der Inanspruchnahme medizinischer Notfalldienste nimmt mit steigender Kompetenz ab.

Die Vorreiterrolle der Niederlande begründet Pelikan auf pressetext-Anfrage durch eine "andere Alterspolitik" sowie etablierte Systeme der Qualitätssicherung, die etwa auch die Arzt-Patienten-Kommunikation umfasst. "Neben jahrzehntelangen Schwerpunkten auf Prävention und Gesundheitsförderung ist das niederländische Gesundheitssystem mehr patientenorientiert und erlaubt mehr Beteiligung, etwa durch einen eigenen Patientenbeirat in jedem Spital", ergänzt die Genfer Gesundheitsforscherin Ilona Kickbusch.

Schlechtere Behandlung für Inkompetente

"Das EU-Recht sichert den Bürgern Zugang zur Gesundheit, doch bei der Teilhabe gibt es Lücken", so Kickbuschs Analyse. Patienten mit wenig Kompetenz für Gesundheit werden vom System schlechter behandelt, weshalb etwa medizinische Professionisten besser für die Kommunikation mit benachteiligten Gruppen trainiert werden sollten. Transparenz und Orientierung werden angesichts der steigenden Wahlmöglichkeiten wichtiger, wobei die Politik Qualitätskriterien sicherstellen sollte.

Ansätze für Gesundheitskompetenz gibt es längst: "Dazu gehören etwa die Ampelkennzeichnung für Lebensmittel, 24-Stunden-Hotlines für Patienten, die Thematisierung in Sprachkursen für Migranten in Holland oder die Schweizer Allianz für Gesundheitskompetenz, die auch die Bildung miteinbezieht", mahnt die Wissenschaftlerin.

Eigenverantwortliche Patienten

Als "Auftrag und Chance" wertet Pamela Rendi-Wagner, Sektionschefin für öffentliche Gesundheit im Bundesministerium für Gesundheit, das Studienergebnis. "Wird das Gesundheitssystem nicht adäquat genutzt, so werden Ressourcen verschwendet. Rahmenbedingungen sollen deshalb geschaffen werden, die die Patientensouveränität stärken und eigenverantwortliche Entscheidungen ermöglichen." Die Stärkung der Gesundheitskompetenz sei deshalb eines der Gesundheitsziele bis 2030 - was durch Maßnahmen "in Kindergärten, Schule, Arbeitsplatz und Verbänden" erreicht werden soll.

Download der Veranstaltungsfotos unter: http://fotodienst.pressetext.com/album/3056

(Ende)
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