pte20110726004 Politik/Recht, Technologie/Digitalisierung

Tallinn wehrt sich weiter gegen E-Voting

Experte kann sich Einsatz in Österreich 2018 vorstellen


Stimmabgabe: Papierwahl nach wie vor am sichersten (Foto: pixelio.de/GemPuch)
Stimmabgabe: Papierwahl nach wie vor am sichersten (Foto: pixelio.de/GemPuch)

Tallinn/Wien (pte004/26.07.2011/06:15) Die estnische Hauptstadt Tallinn wehrt sich weiterhin gegen die Einführung der elektronischen Wahl bei Lokalwahlen. Die US-amerikanische Computerexpertin Barbara Simons warnte im Rahmen einer Pressekonferenz vor Gefahren durch Attacken auf die Server der Wahlzentrale oder manipulative Malware auf den Rechnern der Wähler. Manuel Kripp, Geschäftsführer der E-Voting.cc GmbH http://www.e-voting.cc hält diese Wahlform jedoch für grundsätzlich sicher und kann sich den Einsatz bei der Nationalratswahl 2018 vorstellen.

Kripp: Elektronische Wahl ist ausgereift

"Das Internet von heute ist nicht bereit für E-Voting" ist der Titel eines 158 Seiten starken Buches, dass die Stadt Tallinn herausgegeben hat. Expertin Simons untermauerte die titelgebende Feststellung und warnte vor gezielten Angriffen auf die Wahlserver und Schadsoftware, die anstelle der Wahlberechtigten Stimmen abgeben könnte. Estland ist europäischer Vorreiter bei der Einführung der elektronischen Wahl.

Manuel Kripp hält den Wahlvorgang via Internet jedoch für ausgereift. Im ausführlichen Gespräch mit pressetext ging er auf die von Simons genannten Bedrohungspotentiale ein. "Distributed-Denial-of-Service-Angriffe (DDoS) sind zwar möglich, in der Praxis aber noch nicht vorgekommen. Dazu gibt es wirkungsvolle Methoden, solche Angriffe im Vorfeld zu registrieren und abzuwehren.", so der Experte. Malware auf Wähler-PCs stelle hingegen eine kompliziertere Gefahr dar, weil hier unmittelbare Kontrolle nicht möglich ist. Die E-Voting.cc GmbH beriet das österreichische Wissenschaftsministerium im Rahmen der Hochschülerschafts-Wahl 2009.

Vier Eckpfeiler für reibungslose Abstimmung

Zur sicheren Durchführung einer Wahl am elektronischen Wege empfiehlt Kripp die Einhaltung von vier Grundsätzen: Information, Auditierung, Zertifizierung und Verifikation. So sei es notwendig, im Vorfeld der Wahl eine ausgiebige Wählerinformationskampagne zu lancieren. Diese sollte die Stimmberechtigten über grundlegende Sicherheitsaspekte, auch hinsichtlich des Schutzes der eigenen Rechner, als auch den Ablauf der Stimmabgabe aufklären.

Dann muss die Einrichtung des E-Voting-Systems, vom Sourcecode der Wahlsoftware bis hin zur Stimmauszählung, von Sicherheitsexperten und Wahlbeobachtern beobachtet und unterstützt werden. Die Dokumentation des gesamten Prozesses muss letztlich verständlich aufbereitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Damit ist auch die nachträgliche Kontrolle im Fall von Unregelmäßigkeiten gesichert. Kripp: "Die ÖH-Wahl hat gezeigt, dass das möglich ist."

E-Voting als Option für 2018

Auch die jüngsten Coups verschiedener Hackergruppen bereiten ihm keine großen Sorgen. Lediglich Anonymous gelte es genau zu beobachten, da dieses Kollektiv offenbar eine politische Agenda hat, meint Kripp.

Die Zukunft dieser Abstimmungsform in Österreich wird auch von der im Herbst erwarteten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs abhängen. Die ÖH-Wahl 2009 war von mehreren Seiten angefochten worden. Der Experte kann sich trotz der Turbulenzen vorstellen, die Online-Abstimmung bei der übernächsten Nationalratswahl 2018 zum Einsatz zu bringen. Davor empfiehlt er jedoch mehrere Testläufe, etwa bei Wirtschaftskammer- oder Hochschülerschaftswahlen. Da diese nicht der Bundesverfassung unterliegen, reicht dazu eine ministerielle Weisung.

"E-Voting ist noch nicht ganz so sicher wie die Papierwahl, aber schon sehr weit. Das Internet von heute ist definitiv bereit dafür", zeigt sich Kripp zuversichtlich.

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