pte20101202030 Umwelt/Energie, Politik/Recht

"Nachhaltigkeit braucht politisches Engagement"

Weltzukunftsrat-Gründer nimmt Zivilgesellschaft in die Pflicht


Jakob von Uexküll:
Jakob von Uexküll: "Ohne Politikengagement keine Wende möglich"(Foto: Wikimedia Commons)

Wien (pte030/02.12.2010/13:45) Nachhaltige Ansätze zur Lösung heutiger Probleme gibt es längst, doch die Umsetzung scheitert am fehlenden politisches Engagement der Zivilgesellschaft. Zu diesem Schluss kommt Jakob von Uexküll, Gründer des Weltzukunftsrats (WFC) http://www.worldfuturecouncil.org und des Alternativen Nobelpreises http://www.rightlivelihood.org , bei einem Hintergrundgespräch im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Wachstum im Wandel" http://www.wachstumimwandel.at am heutigen Donnerstag in Wien.

Politiker-Image gefährdet die Zukunft

Uexküll ortet eine tiefe Kluft zwischen Zivilgesellschaft und Politik. "Wirtschaftsleute schlagen Einladungen in die Politik ab und NGOs überschätzen sich selbst als zweite Supermacht statt mehr zu kooperieren. Eine nachhaltige Wende wird ohne mehr Engagement im politisch-öffentlichen Leben nicht gelingen", so von Uexküll. Schuld daran seien Berührungsängste gegenüber der Politik, zu denen auch die Medien beitragen. "Sie fördern das negative Bild durch reinen Zynismus und Skepsis. Damit tragen sie auch zu einer deutlichen Politikverachtung der Jugend bei, die Sorgen macht", so der WFC-Gründer gegenüber pressetext.

Das grundsätzlich negative Image hat die Politik jedoch zu Unrecht, betont Katiana Orluc, Vorsitzende des Supervisory Board des WFC. "Politik kann positiv bewegen und auch die Zukunft verändern, die weit über die nächste Legislaturperiode hinausgeht." Die Lösungen der wichtigsten Probleme gebe es längst - wobei sich der WFC die weltweite Suche danach zur Hauptaufgabe gemacht hat. Er prüft dabei bestehende Gesetze in puncto Nachhaltigkeit und stellt sie den Gesetzgebern zur Verfügung, ähnlich einem Ideen-Baukasten. Auf diese Weise wurde etwa das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz für bereits 47 Staaten zum Modell der Einspeisevergütung.

Genügend Vorbilder für nachhaltige Gesetze

"Heutige Herausforderungen liegen besonders bei Klima und Energie, da viele andere Probleme wie etwa Sicherheit, nukleare Abrüstung oder erneuerbare Energien davon abhängen. Weitere große Themenbereiche sind Stadtentwicklung, Landwirtschaft, Ernährung, Wasser und gute Arbeit", so von Uexküll. Die wenigsten Vorbilder gebe es im Bereich Finanzen. "Bisher hat es noch kein nationales Gesetz eine tiefgreifende ökologische Steuerreform geschafft. Fortschritte gibt es am ehesten auf Regionalebene, etwa in der kanadischen Provinz British Columbia, die eine CO2-Steuer hat."

Als Beispiel für lokale Vorbildlösungen hebt von Uexküll auch die brasilianische Stadt Belo Horizonte hervor. Für ihre Umsetzung des "Rechts auf Nahrung", die mittlerweile von zahlreichen Städten kopiert wurde, bekam sie den "Future Policy Award 2009". Diese Auszeichnung des WFC, die jährlich an das beste Gesetz zu einem Jahresschwerpunkt verliehen wird, bekam 2010 Costa Rica für seine Biodiversitäts-Bemühungen. Als erstes Entwicklungsland gelang dem mittelamerikanischen Staat ein Stopp der Regenwald-Abholzung und sogar die Netto-Wiederaufforstung. 2011 ist der Schwerpunkt "Wälder", wobei die Sieger-Präsentation vor der UNO stattfinden wird.

Verantwortung für die Zukunft

"Ansätze zur Nachhaltigkeits-Sicherung in der Gesetzgebung selbst gibt es nur wenige", berichtet von Uexküll. Er verweist dazu auf das Schweizer Modell der Stiftung Zukunftsrat http://www.zukunftsrat.ch , das eine dritte Kammer im Schweizer Parlament verankern will, sowie auf das ungarische Parlament, in dem bereits ein Ombudsmann für künftige Generationen bestimmte Gesetzesentschlüsse stoppen kann. Diese Idee der "future justice" praktizierten schon früher die Schoschonen-Indianer: Ihre Stammesrats-Beschlüsse hatten stets die Folgen für sieben Generationen zu verantworten.

Der Schlüssel für die Umsetzung aller Ideen ist das politische Engagement, hebt der WFC-Gründer nochmals hervor. "In den Gesellschaften müssen neue Allianzen entstehen, die den politischen Sektor mit einschließen. Die alten Athener wussten schon was sie taten, wenn sie Bürger, die sich zur Teilnahme am politischen Leben weigerten, als 'Idiotes' bezeichneten."

(Ende)
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