pte20090721003 Medizin/Wellness, Kultur/Lifestyle

Kleinhirnzellen machen Radfahren unvergesslich

Forscher identifizieren Mechanismus des Bewegungslernens


Einmal gelernt, vergisst man viele Bewegungen nicht mehr (Foto: pixelio.de/Tobaben)
Einmal gelernt, vergisst man viele Bewegungen nicht mehr (Foto: pixelio.de/Tobaben)

Aberdeen (pte003/21.07.2009/06:10) Nervenzellen im Kleinhirn sorgen dafür, dass bestimmte Bewegungsabläufe wie Fahrrad- und Schifahren oder das Essen mit Stäbchen nach dem Erlernen nicht mehr vergessen werden. Das berichten Forscher der schottischen Universität Aberdeen http://www.abdn.ac.uk/ims in der Zeitschrift Nature Neuroscience. Gemeinsam mit Kollegen aus Rotterdam, London, Turin und New York untersuchten sie an Mäusen, wie Koordinationen der Körperbewegung im Gehirn abgespeichert werden.

Beim Erlernen von Bewegungen ist besonders die Kleinhirnrinde aktiv berichtet Peer Wulff, Erstautor der Studie, im pressetext-Interview. "Sie sendet elektrische Signale aus und gibt somit dem Bewegungsapparat des Körpers Anweisungen. Gleichzeitig verfügt sie über bestimmte Nervenzellen - sogenannte Stern- und Korbzellen - die wie ein Türhüter ausgehende Signale überwachen." Diese Interneurone funktionieren als Signalumwandler. "Sie verändern die Signale derart im Tempo und Zeitablauf, dass sie in anderen Teilen des Gehirns abgespeichert werden können, vermutlich in den Kleinhirnkernen", so der Neurowissenschaftler. Dieser Mechanismus sei wesentlich daran beteiligt, dass wir Bewegungsabläufe erlernen können.

Der Faktor Zeit scheint laut Wulff für die Abspeicherung jedoch eine große Rolle zu spielen. "Tatsächlich kommt es vor, dass man bestimmte Fertigkeiten am nächsten Tag schon wieder vergisst, nachdem man sie nur kurze Zeit eingeübt hat. Stern- und Korbzellen helfen dabei, kurzfristig erlernte Bewegungsabläufe im Langzeitgedächtnis zu speichern. Die dafür nötige Strukturierung des Codes tritt jedoch möglicherweise erst nach längerer Trainingszeit ein." Wie bei vielen anderen Lernprozessen auch, sei die Dauer des nötigen Trainings nicht nur nach Tätigkeit, sondern auch nach dem Individuum verschieden. "Manche lernen Bewegungsabläufe schnell, andere brauchen für denselben Vorgang länger", so der Forscher.

Die Entschlüsselung dieses Lernmechanismus sieht Wulff als ein Puzzleteil für die Entwicklung künstlicher Netzwerke, die etwa bei Robotern zur Anwendung kommen könnten oder auch bei Vorrichtungen, die verloren gegangene natürliche Gehirnfunktionen wieder herstellen. So gibt es etwa Patienten, die nach einem Schlaganfall oder aufgrund einer Multiple Sklerose-Erkrankung eine Kleinhirnschädigung erleiden und Bewegungsabläufe nicht mehr richtig koordinieren können. "Forschungen zur Entwicklung solcher Prothesen laufen bisher mit Erfolg in Zusammenhang mit Funktionen des Innenohrs oder der Netzhaut. Derartige Entwicklungen für das Kleinhirn sind jedoch noch ferne Zukunftsmusik, da wichtige Grundlagen noch fehlen", gibt Wulff zu bedenken.

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