pte20080429035 Produkte/Innovationen, Forschung/Entwicklung

TU München stellt Spinnenseide synthetisch her

"Biologische Fäden könnten in Zukunft Kunststoff-Fasern ersetzen"


In dieser Reaktionskammer verspinnen sich die Seidenproteine (Foto: S. Rammensee)
In dieser Reaktionskammer verspinnen sich die Seidenproteine (Foto: S. Rammensee)

München (pte035/29.04.2008/12:40) An der Technischen Universität München (TUM) http://www.tumuenchen.de ist es dem Physiker Sebastian Rammensee gelungen, den natürlichen Herstellungsprozess von Spinnenseide-Fäden im Labor nachzuahmen. Bereits seit einigen Jahren beschäftigt sich ein Gruppe Münchner Biotechnologen um Thomas Scheibel mit der Gewinnung von Spinnenseide-Proteinen aus Bakterien. Durch die Erkenntnisse Rammensees kann nun eingehend über die physikalischen und chemischen Bedingungen geforscht werden, die zur Produktion und Nutzbarmachung der Spinnenfäden nötig sind.

Spinnennetze sind besonders dehnfähig und extrem reißfest. Diese Eigenschaften beruhen auf den Fäden, aus denen es gesponnen ist. Diese sind fester als Stahl aber gleichzeitig elastisch wie Gummi. "Generell wäre ein solches Material interessant für alle Anwendungsgebiete, wo stabile, leichte und elastische Fasern gebraucht werden", erklärt Rammensee gegenüber pressetext Anlass und Nutzen der Forschung. "Möglicherweise könnte es in Zukunft auch als Ersatz für Kunststofffasern genutzt werden, die ja aus dem immer teurer werdenden Erdöl hergestellt werden." Doch bevor dieses komplett biologische Produkt reif für den Einsatz in der Industrie ist, werden noch einige Jahre ins Land gehen, meint Rammensee. "Wir beschäftigen uns ja zunächst mit der Forschung und versuchen die Details bei der Herstellung der Spinnenfaser zu verstehen, um die optimalen Prozessparameter zu finden."

Den Spinnprozess der Fäden zu untersuchen gestaltete sich bisher sehr schwierig, da die mikroskopisch kleinen Vorgänge nicht direkt im Spinnkanal beobachtet werden können. Zudem gab es kaum die Möglichkeit an das Rohmaterial für die Fäden - die Proteinbausteine der Spinnenseide - heranzukommen, da der Kannibalismus der Tiere die Zucht in größerem Rahmen unmöglich macht und zur Gewinnung von ausreichend Material eine große Anzahl von Spinnen gehalten werden müsste. Diesem Umstand konnte eine Forschungsgruppe um Thomas Scheibel Abhilfe schaffen. Seit rund vier Jahren beschäftigen sich die Biotechnologen mit der Herstellung der Proteine, aus denen die Spinnenseide aufgebaut sind, mit Hilfe von genetisch dafür programmierten Bakterien. Das Rohmaterial für die Fäden steht damit in genügend großen Mengen zur Verfügung.

Rammensee begann daraufhin vor zweieinhalb Jahren mit den Überlegungen zum Bau einer künstlichen Spinnendüse, in der sich die Verspinnung der Proteine beobachten lässt. Herzstück des Experiments ist eine dünne Plexiglasplatte mit winzigen Kanälen, von denen jeder nur etwa 100 Mikrometer breit ist. Durch diese Kanäle werden die Lösungen mit den Protein-Bausteinen geleitet, sowie zusätzliche Chemikalien, die für den Herstellungsprozess erforderlich sind. "Durch diese Technik kann man erkennen, unter welchen Bedingungen die Proteine beginnen zu aggregieren und einen stabilen Faden zu bilden", erklärt Rammensee. Zugleich ließen sich die Strömungsexperimente so mit sehr geringen Flüssigkeitsmengen und auf kleinstem Raum bewerkstelligen. Die wichtigste Erkenntnis der Untersuchung lautet bisher: Ein stabiler Faden entsteht nur dann, wenn durch eine Verengung im Kanal der Fluss der Proteinlösung so beschleunigt wird, dass die zunächst kugelförmigen Spinnenseidenaggregate miteinander in Wechselwirkung treten und zu einem Faden gezogen werden.

Im nächsten Schritt wolle man nun die bisherigen Kenntnisse auswerten, um die Eigenschaften der Fäden weiter verbessern zu können. "Ich denke, dass wir im Laufe des Jahres die optimalen Parameter für diesen Prozess gefunden haben. Es wäre dann möglich das Material in größeren Mengen herzustellen", erklärt Rammensee, " Das wäre aber immer noch ein recht teures Unterfangen, wenn man den Prozess, den wir benutzen, hochskalieren wollte." Ein Schritt in die richte Richtung sei aber getan, meint auch Universitätsprofessor Andreas Bausch vom Physikdepartement der TUM http://www.e22.physik.tu-muenchen.de : "Wir haben hier versucht, die Natur so gut wie möglich nachzubauen und zu verstehen. Damit sind wir auf dem Weg zu künstlich hergestellten Biomaterialien einen entscheidenden Schritt weitergekommen."

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