pte20000928053 Bildung/Karriere, Politik/Recht

WU-Rektor befürchtet den schleichenden Tod der Forschung

Gehrer will Übungen und Prüfungen auch in vorlesungsfreier Zeit


Wien (pte053/28.09.2000/18:29) Bildungsministerin Elisabeth Gehrer ist davon überzeugt, dass durch die Einhebung von Studiengebühren und den daraus resultierenden zusätzlichen Mitteln für die Universitäten "eine Welle von Qualitätsverbesserungen in Bewegung gesetzt wird". Sie bestätigte die geplanten Einsparungen im Personalbereich der Unis in Höhe von jeweils 200 Mio. Schilling in den nächsten beiden Jahren, die vor allem durch die Streichung der Prüfungstaxen erzielt werden sollen. Gehrer bezeichnete das System "insgesamt als stark reformbedürftig". Es werde nicht erspart bleiben, "dass wir da Einschnitte machen".

Definitiv keine Einsparungen soll es im Investitionsbereich geben, der um mehr als zwei Drittel von 1,4 Mrd. Schilling im Jahr 1999 auf 500 Mio. Schilling im heurigen Jahr gekürzt wurde. 2001 soll es für diesen Budgetposten laut Gehrer wieder 1,3 Mrd. Schilling geben, 2002 dann 1,8 Mrd. Schilling. Außerdem kündigte die Ministerin neue Pläne an, wie Studierende schneller ihr Studium absolvieren sollen. "Die Universitäten müssen die Kreativität besitzen, dass in jenen Fächern, wo viele Studenten anfallen, in der vorlesungsfreien Zeit auch Übungen und Prüfungen angeboten werden. Ich sehe nicht ein, dass Milliardeninvestitionen des Steuerzahlers einfach einige Monate lang nicht genützt werden", so Gehrer.

Der Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), Hans Robert Hansen, reagiert darauf im Gespräch mit pressetext.austria ungehalten: "Wenn die Ministerin gelegentlich bei den Universitäten vorbeischauen würde, wüsste sie, dass es schon längst Übungen und Prüfungen in der vorlesungsfreien Zeit gibt. Notgedrungen - weil die vorlesungsfreie Zeit an sich die einzige Möglichkeit bietet, um intensive Forschung zu betreiben." Während des Semesters sei das Unipersonal durch Lehrveranstaltungen, die Studentenbetreuung und Prüfungen voll eingedeckt, da bleibe bei bestem Willen keine Zeit für die Forschung. Langfristig bedeute Gehrers Vorschlag den schleichenden Tod für die Forschung und damit das Ende der Universitäten. "Ich halte diese Tendenzen für sehr gefährlich, weil die Universität damit zur reinen Lehranstalt degradiert wird und nur noch Wissen reproduziert, anstatt neue Erkenntnisse zu generieren. Das würde die Unis zugrunde richten", so Hansen.

Der WU-Rektor rechnet vor, dass beispielsweise das Betreuungsverhältnis an der WU, das die Relation zwischen wissenschaftlichem Personal und Studierenden angibt, mit 1:60 schon heute katastrophal und mehr als doppelt so hoch wie der österreichische Durchschnitt sei. International sei die Relation drei bis vier Mal besser. In den USA und Europa wären Verhältnisse von 1:10 bis 1:25 üblich.

Widerstand gegen die Streichung der Prüfungstaxen und die Einführung von Studiengebühren haben auch die Assistenten an der WU angekündigt. In einer einstimmig beschlossenen Resolution werden die von der Regierung geplanten Maßnahmen im Unibereich wörtlich als unüberlegt, unsozial, ungerecht, unzumutbar und undemokratisch bezeichnet. Assistenten im Doktoratsstudium würden durch die anfallenden Studien- und die wegfallenden Prüfungsgebühren doppelt getroffen.

Der Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH), Martin Faißt, macht darauf aufmerksam, dass "die Reformen, die jetzt versprochen werden, seitens der ÖH den zuständigen Ministerien schon vor langer Zeit übergeben wurden". Man sollte den Experten Glauben schenken, die sagen, dass die Unis derzeit nicht in der Lage wären, ihren Verpflichtungen nachzukommen. "Was allerdings jetzt passiert, sind Versprechungen, Gerüchte und Rechtfertigungen für eine unüberlegte und nicht koordinierte Maßnahme wie es die Studiengebühren sind", so Faißt. (gm)

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