pte20000430004 Umwelt/Energie

Hirnveränderung erklärt "Phantomschmerz" nach Amputation

Gezieltes Neuronenwachstum könnte Abhilfe schaffen


Nashville (pte004/30.04.2000/10:00) Wenn ein Arm oder Bein noch zu kribbeln oder fühlen scheinen, obwohl sie amputiert wurden, sprechen die Ärzte vom Phantomempfinden - und können nun erstmals beweisen, dass das Wachstum neuer Hirnverknüpfungen daran schuld ist. Die Erkenntnis von US-Forschern von der Vanderbilt University http://www.vanderbilt.edu könnte eines Tages zu einer Therapiemöglichkeit für das Phantomgefühl und vor allem für den schwer zu behandelnden Phantomschmerz führen. Auch könnte es eventuell möglich werden, durchtrennte Rückgrat-Nerven zu reparieren, wenn sich ein solches Neuronenwachstum gezielt fördern und steuern ließe. http://www.eurekalert.org/releases/vand-ngi042100.html

Bereits seit längerem ist bekannt, dass das Phantomgefühl von den Anstrengungen des Hirns herrührt, mit dem Wegfall großer Nervenbereiche und deren ständiger Rückmeldungen fertig zu werden. Die so genannten somatosensorischen Regionen in der Großhirnrinde, dem Thalamus und dem Hirnstamm sind für die Verarbeitung der Sinneseindrücke aus dem zentralen Nervensystem zuständig und hochspezifisch organisiert. Wenn durch Amputation eines großen Körperteils oder eine schwerwiegende Rückenmarksverletzung ein massiver Ausfall solcher Informationen auftritt, beginnt auch das erwachsene Hirn offenbar, diese Organisation umzustellen.

Erste Beweise dafür liefern Neurowissenschaftler um Neeraj Jain und Sherre L. Florence von der Vanderbilt University im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Science (PNAS). http://www.pnas.org/ An erwachsenen Affen, die eine Rückgratverletzung erlitten hatten oder aus therapeutischen Gründen ein Körperglied amputiert bekamen, konnte das Team das Neuronenwachstum nachweisen. "Wir hatten dies bereits seit längerem vermutet", berichtet Jain, "doch bis vor kurzem lautete die vorherrschende Meinung, dass diese Art regenerativen Wachstums in erwachsenen Hirnen sehr unwahrscheinlich ist."

Die Nervenenden von Hand, Arm, Gesicht und anderen Körperteilen laufen über das Rückgrat im Hirn zusammen. Die Forscher konnten nachweisen, dass im Hirnstamm für das Gesicht zuständige Neuronen ihre Axone auch in Richtung Hand-Bereich hatten wachsen lassen und dort einige Verknüpfungen gemacht hatten. Zwar waren diese nicht zahlreich, reichten aber aus, um viele Neuronen zu aktivieren, die früher für die inzwischen amputierte Hand zuständig gewesen waren.

"Hoffentlich werden diese neuen Erkenntnisse Wege aufzeigen, die Phantomglieder-Gefühle zu stoppen oder umzukehren", so Jain, "denn im Laufe der Zeit fühlen sie sich immer echter an." Der Phantomschmerz ist die dramatischste und gleichzeitig rätselhafteste Form eines Phänomens namens neuropathischer Schmerz: Weil das Nervensystem falsch funktioniert, tritt ohne körperliche Ursache ein Schmerz auf. Mit üblicher Schmerzbehandlung lässt er sich kaum bekämpfen, und mit der Zeit kann er sich verschlimmern und für manche Patienten zur ernsthaften Behinderung auswachsen. Informationen: David Salisbury, E-Mail: david.salisbury@vanderbilt.edu (wsa)

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