pte19980717010 Produkte/Innovationen, Forschung/Entwicklung

Schmieren und wackeln gegen Reibung

Neuartige Methode zur Kontrolle der Reibung entwickelt


Heidelberg (pte010/17.07.1998/09:30) Jahrzehntelang haben Forscher hartnäckig versucht, in mechanischen Systemen die Reibung zu reduzieren, indem sie die chemische Zusammensetzung der Schmierstoffe verbesserten, welche die beweglichen Teile auseinanderhalten. Jetzt deutet eine Studie über einen hauchdünnen Schmierstoff auf atomarer Ebene auf eine vielversprechende neue Strategie hin.

Forscher des Georgia Institute of Technology http://www.gatech.edu/TechHome.html berichten im Journal of Physical Chemistry B http://pubs.acs.org/journals/jpcbfk/index.html daß sie die Reibung zwischen zwei Gleitoberflächen beträchtlich verringern konnten, indem sie die Breite des Zwischenraumes schnell oszillieren ließen. Durch diese Technik bleibt der Schmierstoff in einem Zustand der dynamischen Unordnung, was die Reibung verursachende Bildung molekularer Schichten verhindert. Die experimentellen Erfolge gründen auf molekulardynamische Simulationen und sind von besonderem Interesse für Konstrukteure von Maschinen mit kleinsten Abmessungen.

"Es handelt sich um eine völlig neuartige Methode, die Reibung zu kontrollieren" sagt Uzi Landman, Leiter des Center for Computational Materials Science (GTCMS). http://www.physics.gatech.edu/people/faculty/ulandman.html "Durch die Verwendung kleiner Schwingungen im Zwischenraum zwischen zwei festen Oberflächen wird der Ordnungsprozeß des Schmierstoffes gestört, wodurch letzterer flüssig bleibt. Dies gestattet eine stetige Bewegung der Oberflächen bei einer geringen Reibungszahl." Die von Landman sowie seinen Kollegen Jianping Gao und W.D. Luedtke durchgeführten Studien legen nahe, daß eine Veränderung der Lücke von nur fünf Prozent den notwendigen Grad an Unordnung erhalten kann.

Die neue Forschung basiert auf früheren Untersuchungen, denen http://www.gtri.gatech.edu/res-news/LUBE.html zufolge hauchdünne, zwischen zwei festen Oberflächen eingeschlossene Schmierstoffmoleküle sich selbständig in Schichten mit eindeutiger Struktur anordnen. In einem begrenzten Film von etwa 2 Nanometern bildet ein Schmiermittel wie zum Beispiel Hexadekan vier bis fünf Schichten, in denen die langkettigen Moleküle alle parallel zu den Gleitebenen liegen. Die molekulare Organisation führt dann zur Bildung eines, wie Landman sich ausdrückt, halbfesten Stoffes. Eine derartige Struktur kann jenen Scherkräften widerstehen, die nötig sind, um die zwei getrennten Oberflächen aneinander entlang gleiten zu lassen und dadurch den Kraftaufwand zur Bewegungserzeugung erhöhen.

Landman zufolge, beeinträchtigen die kleinen Variationen des Abstandes zwischen den gleitenden Oberflächen die Fähigkeit der Schmierstoffmoleküle, sich "komfortabel" zwischen den Oberflächen einzurichten. Ein Verkleinern der Lücke zwängt einige Moleküle heraus, ein Vergrößern gibt mehr Molekülen Platz. Diese ständige Neuanordnung der Moleküle verhindert im Schmierstoffilm die Bildung geordneter Schichten. Die jeweilige Frequenz, mit der die Oberflächen schwingen sollten, richtet sich nach der Viskosität des entsprechenden Schmierstoffes. Dickere Flüssigkeiten brauchen mehr Zeit, um sich von der Lücke fortzubewegen, wenn die Entfernung sich verringert, und auch mehr Zeit, um wieder zurückzukehren, wenn die Lücke vergrößert wird. Somit würde die Aufrechterhaltung einer Unordnung bei zäheren Schmierstoffen weniger häufige Schwingungen als in dünnflüssigeren Stoffen erfordern.

Landman glaubt, daß die kleinen Schwingungen in der Lücke die Oberflächen nicht aufheizen würden, solange die Amplituden der Oszillationen nicht groß genug sind, um eine Kavitation hervorzurufen (Kavitationen werden durch die Implosion von Blasen verursacht und setzen potentiell gefährliche Energiemengen frei). In ihren molekulardynamischen Simulationen, die an leistungsstarken Großrechnern in drei verschiedenen Orten in den Vereinigten Staaten (darunter auch das Georgia Institute of Technology) durchgeführt wurden, studierten die Forscher ein klassisches Problem der Reibung: einen mittels einer Feder über eine geschmierte Oberfläche gezogenen Block.

Der Block bleibt zunächst so lange liegen, bis die Zugkraft der Feder die Reibung zwischen ihm und der geschmierten Oberfläche überwinden kann. Dann gleitet er eine Weile und reduziert dabei die Spannung in der Feder. Daraufhin verlangsamt sich der Block und bleibt schließlich liegen, bis die Zugkraft der Feder erneut die Reibung überwindet. Dieses Phänomen ist als Reibungsschwingung oder stick-slip bekannt. http://www.haverford.edu/physics-astro/Gollub/friction.html

Mit zunehmender Geschwindigkeit des gleitenden Blocks bleibt dieser letztlich überhaupt nicht mehr stehen, obgleich sein Tempo sich als Reaktion auf das Verhältnis zwischen den Reibungs- und Zugkräften verändert. Bei sehr großen Geschwindigkeiten reicht die Geschwindigkeit des Blockes allerdings aus, um die gesamten Reibungskräfte zu überwinden. Diese dritte Phase wird als "super-kinetisches" Gleiten bezeichnet.

Mit ihren Simulationen erzeugten die Forscher kleine Schwingungen an der Lücke zwischen dem Block und der Oberfläche. Diese gestatteten es, die Reibungsschwingung zu eliminieren und superkinetisches Gleiten bei Geschwindigkeiten zu erreichen, die viel niedriger sind, als dies normalerweise möglich wäre. "Wenn wir den Lückenabstand um nur ein Zehntel Nanometer schwanken lassen, ist das Gleiten ohne stick-slip möglich", bemerkte Landman. "Die Reibung können wir kontrollieren, indem wir das Bestreben des Schmierstoffes, sich zu organisieren, stören und somit eine hohe Fließfähigkeit beibehalten."

Einige Aspekte dieser theoretischen Vorhersagen wurden bereits in Laborexperimenten bestätigt, die von Jacob Israelachvilis http://squid.ucsb.edu/~sfalab/jacob.html Gruppe an der University of California in Santa Barbara http://www.ucsb.edu/ durchgeführt wurden und über die sie in der gleichen Ausgabe des Journal of Physical Chemistry B berichten. Landmans Auffassung zufolge ist die Kontrolle und Verringerung der Reibung durch Schwingungen mit kleinen Amplituden in Geräten wie beispielsweise Laufwerken für magnetische Datenträger und Miniaturmaschinen durchaus machbar. "Die Reibung ist ein wichtiges ökonomisches, technologisches und wissenschaftliches Problem", sagte er. "Das ist so, weil sie zwischen zwei beweglichen Teilen - ob nun in einer großen oder kleinen Maschine - einen Energieverlust, Hitze und Materialverschleiß verursacht. Die Wirkung der Reibung ist daher gänzlich unerwünscht." (Georgia Institute of Technology, Spektrum der Wissenschaft)

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