pte20120110036 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Wachkoma-Patienten kontaktfähiger als vermutet

Durch EEG und fMRT gezeigt: Menschen geben im Wachkoma Feedback


Komapatient und Arzt: könnten sich künftig verstehen (Foto: pixelio.de, sparkie)
Komapatient und Arzt: könnten sich künftig verstehen (Foto: pixelio.de, sparkie)

Stuttgart (pte036/10.01.2012/16:15) Ärzte schätzen die Reaktionsfähigkeit von Wachkoma-Patienten häufig falsch ein, so die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) http://dgkn.de . "Unsere Experten vermuten, dass die Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten besser sein kann", sagt DGKN-Sprecherin Christina Weddig gegenüber pressetext. Die Forscher haben mit hochauflösender Elektroenzephalografie (EEG) und funktioneller Kernspintomografie (fMRT) gezeigt, dass Wachkoma-Patienten reagieren.

Bewusstseinsskalen wichtig

Das Ergebnis der Untersuchungen: Jeder Fünfte weist etwa in speziellen EEG-Verfahren Hinweise für bewusste Reaktionen auf, die Standardverfahren nicht erkennen. Die DGKN fordert daher, funktionelle Bildgebungsverfahren sowie spezielle elektrophysiologische Verfahren bei der Beurteilung von Wachkoma-Patienten häufiger einzusetzen. Wachkoma-Patienten zeigen augenscheinlich keinerlei Bewusstsein für ihre Umgebung oder sich selbst - obwohl ihre Augen offen sind.

Um die Reaktionsfähigkeit dieser Patienten zu ermitteln, sollten Ärzte Bewusstseinsskalen nutzen. Das international bewährte und standardisierte klinische Diagnoseinstrument, die sogenannte Coma Recovery Scale-Revised (CRS-R), kommt nach Schätzungen der DGKN aber bisher bei weniger als fünf Prozent der Wachkoma-Patienten zum Einsatz. Mit dem CRS-R untersuchen Ärzte systematisch akustische, visuelle, motorische und verbale Reaktionen auf Reize, sowie den Aktivierungsgrad des Nervensystems.

"Neueste Erkenntnisse zeigen jedoch, dass wir unser Verständnis vom Wachkoma grundlegend verändern müssen", so Andreas Bender, Leiter des Therapiezentrums Burgau und Spezialist für Hirnschäden. Denn Studien deuten darauf hin, dass elektrophysiologische und bildgebende Verfahren wie EEG und fMRT zusätzliche Reaktionen bei Wachkoma-Patienten messen, die Verhaltensbeobachtungen von außen nicht erkennen lassen. So weisen rund 17 Prozent der Patienten typische Aktivierungsmuster vergleichbar mit denen gesunder Probanden im fMRT auf.

Einfache Kommunikation möglich

"Teilweise war sogar eine einfache Kommunikation mithilfe des fMRT-Signals möglich", sagt Bender. Dabei konnte ein Patient während der fMRT-Untersuchung richtige Ja- oder Nein-Antworten auf autobiografische Fragen geben. Bildgebende Verfahren hätten daher in den vergangenen Jahren einen Paradigmenwechsel bei der Beurteilung von Wachkoma-Patienten hervorgerufen. Da die fMRT allerdings sehr aufwendig, teuer und störanfällig ist, bietet sich das EEG als alltagstauglichere Untersuchungsmethode zur Prüfung der Hirnfunktion der Betroffenen an.

"Auch mit dieser Methode konnten eindrucksvolle Erkenntnisse gewonnen werden: Bei verbalen Aufforderungen und Tonsignalen werden bestimmte Hirnregionen aktiv, und es kommt zu einer Veränderung des EEG-Frequenzspektrums", so Bender. In einer aktuellen Studie reagierten drei von 16 Wachkoma-Patienten auf verbale Aufforderungen, die mit der CRS-R nicht erfasst wurden.

"Unterhalb der Schwelle der klinischen Beobachtbarkeit mit Komaskalen gibt es somit bei etwa jedem fünften bis sechsten Patienten eindeutige Hinweise für bewusste Interaktionen mit der Umwelt", fasst Bender die Ergebnisse zusammen. Die Rate der Fehldiagnosen bei Wachkoma-Patienten liege daher höher als bisher vermutet, schätzen Experten der DGKN.

(Ende)
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