pts20061207030 Technologie/Digitalisierung

Warnung vor Gebührenpflicht bei Software-Lizenzverträgen

Österreichische Computer Gesellschaft (OCG) fordert Reparatur durch Gesetzgeber


Wien (pts030/07.12.2006/12:52) Die Österreichische Computer Gesellschaft nimmt ein vor kurzem gefälltes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. 9. 2006, 2006/16/0054) zum Anlass, einerseits Lizenzgeber und Lizenznehmer vor den sich aus dem Erkenntnis ergebenden beträchtlichen finanziellen Risken zu warnen und anderseits die Politik zu einer unverzüglichen Reparatur der nun bestehenden Rechtslage aufzufordern.

Der dem VwGH-Erkenntnis zugrunde liegende Sachverhalt ist kein Sonderfall, sondern tagtägliche Praxis: Ein Lizenzgeber erteilt einem Lizenznehmer mittels eines schriftlichen Lizenzvertrages eine nicht-ausschließliche Lizenz zur Nutzung eines Computerprogramms. Im vorliegenden Fall haben die Finanzbehörden dem Lizenzgeber eine Rechtsgeschäftsgebühr in Höhe von EUR 218.474,78 (!) vorgeschrieben. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel einschließlich einer Beschwerde an den VwGH waren erfolglos.

Gesetzliche Grundlage ist das Gebührengesetz 1957 (GebG), nach dem bestimmte Arten von Rechtsgeschäften einer Gebühr unterliegen, wenn - grob gesagt - über sie eine Urkunde errichtet wird (Beurkundung). Zwar fallen Lizenzverträge grundsätzlich in eine der Gattungen gebührenpflichtiger Rechtsgeschäfte, doch sind "Werknutzungsverträge" (das sind entweder nicht-ausschließliche Werknutzungsbewilligungen oder ausschließliche Werknutzungsrechte) ausdrücklich ausgenommen. Im vorliegenden Fall hat der VwGH den zu beurteilenden nicht-ausschließlichen Lizenzvertrag überraschenderweise nicht als Werknutzungsbewilligung und Werknutzungsvertrag eingestuft - und damit die Gebührenpflicht bejaht. (Die Gebühr beträgt im allgemeinen 1 % der für die Gebrauchsüberlassung vereinbarten Leistungen, hier des Lizenzentgeltes. Bei unbestimmter Vertragsdauer sind die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. Kurz: Wie der oben skizzierte Sachverhalt beweist, kann die Rechtsgeschäftsgebühr sich zu sehr hohen Beträgen auswachsen.)

Warum anerkennt der VwGH den verfahrensgegenständlichen Lizenzvertrag nicht als Werknutzungsvertrag und verneint daher die gesetzlich vorgesehene Gebührenbefreiung? Die Begründung des VwGH überrascht: Nach Ansicht des VwGH geht die vom Lizenzgeber dem Lizenznehmer erteilte Nutzungsbewilligung nicht über das hinaus, was dem Lizenznehmer ohnehin schon kraft bestimmter zwingender Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes erlaubt ist, und derlei sei kein Werknutzungsvertrag. (Insbesondere gibt das Urheberrechtsgesetz dem zur Benutzung Berechtigten die unverzichtbare Erlaubnis, Computerprogramme zu vervielfältigen und zu bearbeiten, soweit dies für ihre bestimmungsgemäße Benutzung notwendig ist.) Mit anderen Worten: Der VwGH verneint das Vorliegen eines Werknutzungsvertrages, wenn die vertragliche Lizenz nicht über die dem Lizenznehmer ohnehin schon durch das Urheberrechtsgesetz erteilte gesetzliche Lizenz hinausgeht.

Bis zur Behebung dieses für alle Beteiligten - von großen Software-Häusern bis zu kleinen privaten Anwendern! - untragbaren und vom Gesetzgeber vermutlich nicht gewollten Missstandes rät die OCG allen Lizenzgebern und Lizenznehmern, sämtliche legalen Möglichkeiten der Gebührenvermeidung auszuschöpfen. Abgesehen von den "klassischen" Möglichkeiten der Vermeidung einer Beurkundung (Anwaltskorrespondenz, Video-Dokumentation, Willensbetätigung, ...) können die Partner eines Lizenzvertrages die Gebührenpflicht dadurch vermeiden, dass sie die Nutzungsbewilligung weiter fassen als die einschlägigen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Außerdem sollte bei Kombinationen von Lizenzvertrag und Wartungsvertrag das Entgelt aufgeschlüsselt werden, um die Bemessungsgrundlage für eine allfällige Rechtsgeschäftsgebühr zu mindern.

Die bestehenden Möglichkeiten der Gebührenvermeidung dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Rechtsgeschäftsgebühr für Software-Lizenzverträge angesichts der Herausforderungen des Informationszeitalters völlig anachronistisch und geradezu fatal ist. Die OCG fordert daher die verantwortlichen Politiker, insbesondere die Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und für Finanzen und die Mitglieder des National- und des Bundesrates auf, das Gebührengesetz unverzüglich dahin anzupassen, dass trotz der diskussionswürdigen Rechtsansicht des VwGH der Abschluss schriftlicher Software-Lizenzverträge weder Lizenzgeber noch Lizenznehmer zu Gebührenschuldnern macht und zu finanziellen Opfern verpflichtet. Für die erforderliche (ohnehin nur geringfügige) Reparatur des Gebührengesetzes bietet die OCG jede erdenkliche Unterstützung an.

Rückfragen an:

Österreichische Computer Gesellschaft (OCG)
Generalsekretär Eugen Mühlvenzl
Tel. 512 02 35-0
ocg@ocg.at

Rechtsanwalt Dr. Albrecht Haller
Tel. 408 66 66-0
office@netlaw.at

Über die OCG:

Die Österreichische Computer Gesellschaft ( http://www.ocg.at ) gilt als Dachverband der IT-Aktivitäten in Österreich und vertritt heimische Interessen aktiv in bedeutenden internationalen Organisationen. Als Informationsdrehscheibe zwischen Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Ver-waltung und AnwenderInnen kommt ihr in Österreich eine wichtige Funktion zu. Sie fördert Aktivi-täten und Arbeitskreise in den verschiedensten Bereichen wie zum Beispiel Open Source, E-Government, E-Commerce, E-Learning, E-Security, E-Logistics oder E-Payment sowie die Initiie-rung und Förderung gesellschaftspolitischer Initiativen. Die größte Initiative ist der Europäische Computer Führerschein (ECDL).

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Aussender: Österreichische Computer Gesellschaft (OCG)
Ansprechpartner: Mag. Christine Haas
Tel.: 01/512 02 35 /51
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