pts20060503008 Medien/Kommunikation, Kultur/Lifestyle

Schweizer Werbung: Fotos prägen Story

Rede zur Verleihung des 10. Schweizer Pressefoto Award


Zürich (pts008/03.05.2006/09:00) Am vergangenen Freitag wurde in Zürich der 10. Schweizer Pressefoto Award verliehen. Die lange applaudierte Rede von Jury-Mitglied Piero Schäfer von der Schweizer Werbung in Auszügen.

"... Im Programm steht, dass ich über die Bedeutung des Fotos für die Dramaturgie einer Story reden werde. Und über die Frage, was ein gutes Pressefoto ausmacht. Sie wundern sich vielleicht, warum das grad jemand von der Schweizer Werbung macht. Ich sags Ihnen: Erstens hat Werbung sehr viel mit Bildern zu tun, und zweitens habe ich, wie so viele Leute in meinem Alter, eine Vergangenheit. Und diese legitimiert mich durchaus, über Fotos und Stories zu referieren.

Lange nämlich noch vor meinem Studium war ich Redaktor bei der Photopresse. Ich habe mich da täglich mit Pressefotos beschäftigt. Sie waren mein tägliches Brot. Es war die Zeit der Clichés, der Hermes und des ratternden Telex.

Später war ich bei der NZZ, wo das Bild freilich ziemlich stiefmütterlich behandelt wurde. Ausser natürlich in der Wochenend-Beilage. Dort waren und sind Bild und Text ebenbürtige Partner.

Bei der "Alten Tante" gab es seinerzeit nicht einmal eine Bildredaktion. Zwar war ein Hausfotograf (Hofer) engagiert und es gab Agenturbilder, aber die Bildintegration war den Ressorts überlassen. Und die hielten sich vornehm zurück. Da wurde schon mal zuungunsten eines Bildes auf das Kürzen eines Artikles verzichtet. Selbst wenn es beim Fotografen bestellt gewesen war. Kosten spielten keine Rolle. Damals gings der Zeitung eben noch gut.

In der Ausgabe vom Samstag gab es auf dem Titelblatt nie eine Illustration. Da hätte das benachbarte Operhaus in Flammen aufgehen oder der Zürichsee auslaufen können. Samstag, war und ist Texttag. Da dürfen die Redaktoren der Teppichetage Leitartikel platzieren. Für Fotos hat's da keinen Platz.

Die Wochenendbeilage dagegen war geprägt von Bildern, grossflächigen, hervorragenden, aber natürlich in diskretem schwarz/weiss.

Renommierte Journalisten wie etwa Oswald Iten, der ebenso gut schreibt wie fotografiert, fanden hier ein hoch anspruchsvolles Betätigungsfeld. Dieses Ressort war kreativ, unkonventionell und dank seines Prestiges bei schreibenden Fotografen oder fotografierenden Schreiberlingen ausgesprochen beliebt und begehrt.

Szenenwechsel: Jahre später arbeitete ich bei der Schweizer Illustrierten, die damals noch eine Nachrichten-Zeitschrift war, mit waschechten Reportagen aus aller Welt und packenden Stories. Die Cervelat-Prominenz war damals noch kein Thema. Die Bildredaktion war fast so gross wie die Textredaktion und es gab einen ganzen Stab renommierter Fotografen. Darunter Alberto Venzago oder Dölf Preisig.

Das Bild prägte die Story. Das Bild war das Rückgrat und die Seele der Geschichte. Viele Beiträge kamen gar nicht in Betracht, weil das Bildmaterial nicht zu überzeugen vermochte, weil es kein passendes Aufmacherbild gab oder weil es schlicht zu wenig Fotos hatte. Und der Produzent war der Boss. Da wurde gnadenlos am Text herumgeschnipselt, alles dem Bild untergeordnet.

Was sagt uns das? Die Philosophie eines Blattes und auch dessen Tradition entscheiden über den Einsatz des Bildes: Politik und Wirtschaft wird schwergewichtig in Sprache umgesetzt, der Rest der menschlichen Aktivitäten vielfach im Bild. Und ich bin sicher, dass das Bild nicht zuletzt durch den Einfluss von TV, Werbung, Handys, Internet und Games weiterhin an Bedeutung zunehmen wird.

Die Menschen haben sich an die Bildsprache gewöhnt, eine reine Textseite wirkt verstaubt, altmodisch, langweilig. Höchsten eine Zeitung, die weit über 200 Jahre alt ist, kann sich das heute noch leisten. Und die Frage muss erlaubt sein: Wie lange wohl noch?

Kein Zweifel: Das Bild besitzt Charakter, Ausstrahlung und Überzeugungskraft. Gewisse Medien, wie etwa die Boulevardpresse und die Regenbogenpresse leben gewissermassen davon. Ein paar knallige und grosse Buchstaben und exklusive Bilder reichen, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Und den Verkauf anzukurbeln.

Auch wenn ein Ereignis noch so dramatisch ist, so richtig unter die Haut geht es doch erst, durch die bildhafte Dokumentation.

Ich erinnere mich an das Papstattentat vom 13. Mai 1981 in Rom: Mein SI-Kollege Dölf Preisig war damals auf dem Petersplatz dabei, und er war der einzige professionelle Fotograf, der das Ereignis im Kasten hatte. Seine Exklusivbilder gingen um die Welt. Und Dölf wurde bekannt und wohlhabend.

Man stelle sich diese dramatischen Reportagen, welche global die Titelbilder sämtlicher Zeitschriften zierten, ohne Fotos oder mit kläglichen Amateur-Schnappschüsschen vor. Undenkbar.

Gerade illustrierte Magazine stehen im bildhaften Wettbewerb. Wer am Kiosk auffallen will, muss exklusives Material feilbieten. Das sieht man am besten bei den TV-Programmzeitschriften, deren Titelbilder zunehmend von abnehmend bekleideten Moderatorinnen geprägt sind. Sex sells.

Aber es ist natürlich nicht nur Sex, der ein Pressebild attraktiv macht. Es sind zahlreiche professionellere Attribute und Merkmale, wie Bildkomposition, Farbe, Licht und Schatten, Originalität der Aufnahme, Aussschnitt, Blickwinkel, Szenerie und optische Choreografie, und nicht zuletzt überraschende Details und Witz, die ein Bild ansprechend machen.

Mitunter gelingen gute Bilder auch zufällig, man drückt ab und stellt erst nachher fest, dass irgendein Element vorhanden ist, das man vorher nicht beachtet hatte.

Die nicht mehr ganz Jungen unter Ihnen erinnern sich vielleicht an den Film "Blowup", von Antonioni, in welchem ein Fotograf wegen einer zufälligerweise im Bild festgehalteten Leiche in einen Mordfall verwickelt wird.

In der Regel aber ist Fotografie nicht von Zufall, sondern von Können und Geduld geprägt. Man muss warten, bis die Sonne so steht, dass der Schatten eines Baumes genau im gewünschten Winkel ins Bild fällt. Es braucht Zeit, bis ein Einheimischer mit seinem Eselskarren genau dort vorbeifährt, wo er dem Bild zur Ausgewogenheit oder gar Perfektion verhilft. Das ist dann der künstlerische Aspekt fotografischer Arbeit. Und der spielt bei der Fotografie eine entscheidende Rolle. Nur wer das Auge für eine bildhafte Szene hat, wer ein Detail entdeckt, an welchem andere achtlos vorbei gehen, verfügt über die Gabe, gute Fotos zu schiessen.

Ein gutes Pressefoto, meine Damen und Herren, hat von all dem etwas, ist überdies möglichst exklusiv und damit einmalig. Und es muss das Herz, den Bauch und das Auge ansprechen. Es muss eine Story erzählen, und zum innerlichen Ausrufen animieren. "Hey-Martha-Pictures" nennt man in den USA solche Bilder. Sie sind dermassen überraschend, aussagestark und einnehmend, dass der Betrachter automatisch ausruft: "Hey Martha, das musst Du Dir ansehen."

Natürlich spielt auch die Exklusivität eine Rolle: Von ihr lebt bekanntlich eine ganze Branche, die bei vielen Prominenten nicht ausgesprochen beliebten Paparazzis. Bundesrat Leuenberger lässt grüssen.

Diese Branche zeichnet sich weniger durch fotografisches Talent und künstlerisches Können als vielmehr durch überdimensionierte Teleobjektive und unerschöpfliche Geduld und Chuzpe aus.

Diese Kategorie war bei der Jurierung allerdings nicht vertreten. Was ich insofern ein wenig dedaure, weil ich gerne einmal in offizieller Funktion etwas mehr von Frau Jolie oder Frau Lopez gesehen hätte ..."

Webseite von Piero Schäfer http://www.pieroschaefer.ch
Infos zur Schweizer Werbung: http://www.sw-ps.ch/
Die Meldung zur Preisverleihung: http://www.pressetext.at/pte.mc?pte=060428040

(Ende)
Aussender: pressetext corporate news
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