pts20151209018 Unternehmen/Wirtschaft

VÖB: Winter-Pressekonferenz 2015


Berlin/Frankfurt am Main (pts018/09.12.2015/11:35) Der Bankenverband VÖB zieht ein Jahr nach der Übernahme der direkten Aufsichtsverantwortung über 123 systemisch bedeutende Bankengruppen ein grundsätzlich positives Fazit. "Letztlich hat die EZB auch nur zwei Jahre zur Vorbereitung für den einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (SSM) gehabt", so VÖB-Präsident Dr. Gunter Dunkel auf der Winter-Pressekonferenz am 9. Dezember 2015 in Frankfurt. Dennoch wird in der Zusammenarbeit immer wieder deutlich, dass sich Abläufe und Prozesse noch einspielen müssen.

Der Präsident der öffentlichen Banken kritisiert auch die Vielzahl an Datenanforderungen der EZB, die sich zudem auch noch häufig verändern. Hinzu kommt, dass die EZB in ihrer Aufsichtstätigkeit keine Rücksicht auf nationale Rechnungslegungsvorschriften nimmt. So verlangt sie beispielsweise von einzelnen Instituten, die bisher nach HGB bilanzieren, im Zusammenhang mit der aktuellen Konsultation zur Harmonisierung von Aufsichtsrechten eine Lieferung von Bilanzdaten sowie des regulatorischen Eigenkapitals nach IFRS-Regeln.

Dunkel: "Die Übermittlung von IFRS-Daten für HGB-Bilanzierer ist nicht nur sehr aufwendig und in dem vorgegebenen engen Zeitplan nicht darstellbar, sondern sie widerspricht auch den Regelungen der SSM-Verordnung." Von zentraler Bedeutung sieht Gunter Dunkel auch die Ausgestaltung des Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP) durch die EZB, dem es aktuell entscheidend an Transparenz fehlt. Der Spitzenverband der öffentlichen Banken plädiert daher ausdrücklich für eine komplette Offenlegung der Anforderungen, die an die Institute gestellt werden, um die getroffenen Entscheidungen der Europäischen Zentralbank nachvollziehen und vor allem auch in die Kapitalplanung einbeziehen zu können.

Dunkel: "Mit dem SREP nimmt die EZB maßgeblich Einfluss auf das Geschäftsmodell einer Bank. Eine einheitliche Aufsichtspraxis darf aber nicht zu dem Fehlanreiz von einheitlichen Geschäftsmodellen oder gar zu SSM-idealen Banken führen, die nicht zu Deutschland und Europa passen." Ebenso appelliert Dunkel, dass die laufende Initiative der EZB zur Harmonisierung der Aufsichtswahlrechte in der Kapitaladäquanzverordnung (CRR) und der Kapitaladäquanzrichtlinie (CRD) nicht dazu führen darf, dass Besonderheiten bei den Förderbanken und Landesbanken vernachlässigt werden, wie zum Beispiel die Nullgewichtung von Forderungen an Förderinstitute.

"Mit dem Start des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) am 1. Januar 2016 wird der zuständige Behördenkreis nochmals erweitert. Umso mehr fordern wir eine klare Aufgabenteilung zwischen der EZB, den europäischen Finanzaufsichtsbehörden, den nationalen Aufsehern sowie den Abwicklungsbehörden bei der Regelsetzung und Beaufsichtigung der Banken. Die Bank als das zu beaufsichtigende Institut steht heute inmitten der Regulierer und soll es jedem der elf Aufseher mit ihren teils unterschiedlichen Interessen Recht machen. Das macht uns große Sorgen", so der VÖB-Präsident.

Geschäftsentwicklung der öffentlichen Banken

Die Konsolidierung der Bankbilanzen der Landesbanken der letzten Jahre ist heute weitgehend abgeschlossen. Seit 2007 wurden in der Institutsgruppe über 50 Prozent der Risikoaktiva abgebaut. Betrug die kumulierte Bilanzsumme im Jahr 2008 noch 1,8 Billionen Euro, so ist diese bis zur Jahresmitte 2015 auf 1,16 Billionen Euro zurückgegangen. Diese Reduzierung ging in der Regel einher mit einer Refokussierung auf die jeweiligen Kerngeschäftsfelder.

Auch die Ertragslage der Landesbanken hat sich weiter stabilisiert. Der Return on Equity lag Ende 2014 im Schnitt bei ca. 6,5 Prozent und die Cost-Income-Ratio - trotz der zunehmenden Regulierungskosten - bei 58,3 Prozent. Auch die Förderbanken konnten im gleichen Zeitraum ihre Ertragslage ausbauen, wenngleich die Erträge hier naturgemäß nicht in gleichem Maße im Vordergrund stehen. Die Kapitaldecke (CET 1) der Landesbanken betrug in diesem Zeitraum etwa 11,5 Prozent. Traditionell besser stehen hier die Förderbanken da, deren durchschnittliche Kapitaldecke bei fast 21 Prozent lag.

Bei der Unternehmensfinanzierung haben die öffentlichen Banken einen Marktanteil von 22 Prozent und sind mit 47 Prozent zugleich klarer Marktführer bei der Kommunalfinanzierung.

Dunkel: "Auch diese Zahlen zeigen, dass öffentliche Banken heute mehr denn je ein wichtiger Finanzier und Partner der deutschen Wirtschaft sind." Bezüglich der immer wieder aufkommenden Debatte über mögliche Fusionen merkte Dunkel an, dass diese Frage letztlich nur von den Eigentümern beantwortet werden kann und Zusammenschlüsse auch kein reiner Selbstzweck sein dürfen, sondern nachprüfbare Mehrwerte für Kunden und Anteilseigner schaffen müssen.

Keine Vergemeinschaftung von Einlagensicherungssystemen

Klar lehnt der Spitzenverband der öffentlichen Banken die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung in der Euro-Zone ab. Hauptgeschäftsführerin Prof. Dr. Liane Buchholz: "Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrer klaren Ablehnung. Für uns steht gleichzeitig fest: 'First things first', also keine Vergemeinschaftung von Einlagensicherungssystemen, bevor nicht die bisher beschlossenen Maßnahmen der Bankenunion vollständig umgesetzt sind. Dies sind Voraussetzungen, die nicht parallel, sondern klar vor einer Europäischen Einlagensicherung erfüllt sein müssen. Dabei heißt Umsetzung nicht Abdruck in einem Amtsblatt, sondern tatsächliche Anwendung in der Praxis. Vorher ist jede Diskussion reine Zeitverschwendung!"

Der Bankenverband VÖB verweist darauf, dass bis heute 13 von 28 Mitgliedsstaaten die Einlagensicherungsrichtlinie und 9 von 28 Mitgliedsstaaten die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (BRRD) noch nicht umgesetzt haben. Buchholz: "Die EU-Kommission sollte ihre Bemühungen auf die Umsetzung der verabschiedeten Regeln konzentrieren, anstatt verfrühte Debatten zu starten. Eine weitere Vergemeinschaftung ist und bleibt das falsche Signal an die Sparer."

Flüchtlinge: Außergewöhnliche Herausforderungen lassen sich nicht mit standardisierten Prozessen beantworten

Auch wenn die tägliche Zahl von Menschen, die in Deutschland Zuflucht vor Krieg und Verbrechen suchen, aktuell etwas zurückgehen, erfordert die nach wie vor hohe Zahl an Flüchtlingen nicht nur kurz- sondern auch langfristige politische Antworten.

Liane Buchholz: "Gerade die Förderbanken der Länder und des Bundes haben bereits frühzeitig die Notwendigkeit an Unterstützungsmaßnahmen ihrer öffentlichen Träger erkannt und ihre Möglichkeiten schnell und flexibel den neuen Herausforderungen angepasst. Dabei geht es insbesondere um die Unterstützung bei der Schaffung von Wohnraum, wo die Nachfrage und Inanspruchnahme von Fördermaßnahmen immens hoch ist. Um eine erfolgreiche Integration der Flüchtlinge aber auch nachhaltig zu fördern, sind weiterhin der Ausbau und die Investition in flüchtlingsrelevante Infrastruktur entscheidend. Ich denke hier an Schulen, Kitas, Sprachkurse, Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Integration der Flüchtlinge in dem Arbeitsmarkt. Auch hier stehen die Förderbanken ihren Trägern zur Seite."

Gerade in der Flüchtlingskrise erkennt die VÖB-Hauptgeschäftsführerin das Problem, dass diese außergewöhnliche Herausforderung mit den Prozessen der Normalzeit beantwortet werden soll. Buchholz: "Um es auf den Punkt zu bringen: Mit üblicher Bürokratie hätten wir die deutsche Einheit nicht so gemeistert, wie wir es vor 25 Jahren geschafft haben. Wir leben wieder in einer ungewöhnlichen Zeit und deshalb ist es auch richtig, die Standards und Prozesse der Normalzeit wo nötig und sinnvoll zu suspendieren."

Die anhaltenden Flüchtlingsströme sind für Buchholz nicht nur eine logistische, sondern auch eine finanzielle Herausforderung. Angesichts der Größe der Aufgabe ist es nach Auffassung des VÖB richtig, darüber zu diskutieren, die Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen als Sonderkosten nicht auf die im Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union festgelegte Neuverschuldungsquote von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und den Schuldenstand von maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzurechnen.

Prof. Dr. Liane Buchholz abschließend: "Es wäre nicht vermittelbar, wenn man Hilfen bei Naturkatastrophen herausrechnen darf, aber nicht die Aufwendungen für menschliche Katastrophen. Wir müssen damit rechnen, dass es nicht nur bei den drei Milliarden Euro für die Türkei bleiben wird. Weitere Kosten in Milliardenhöhe werden für militärische Unterstützungsaktionen und schließlich auch die Sicherung der europäischen Außengrenzen auf die EU-Mitgliedsländer zukommen. Kosten, die nicht nur durch Einsparungen und Umschichtungen in öffentlichen Haushalten refinanziert werden können."

Über den VÖB
Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, ist ein Spitzenverband der deutschen Kreditwirtschaft. Er vertritt die Interessen von 63 Mitgliedern, darunter die Landesbanken sowie die Förderbanken des Bundes und der Länder. Die Mitgliedsinstitute des VÖB repräsentieren mit über 2.669 Milliarden Euro 34 Prozent der Bilanzsumme des deutschen Bankenmarktes (Geschäftsjahr 2014). Mit knapp 76.000 Beschäftigten nehmen die öffentlichen Banken ihre Verantwortung für Mittelstand, Unternehmen, die öffentliche Hand und Privatkunden wahr und sind in allen Teilen Deutschlands fest in ihren Heimatregionen verwurzelt. Mit 47 Prozent sind die VÖB-Mitgliedsbanken Marktführer bei der Kommunalfinanzierung und stellen zudem rund 22 Prozent aller Unternehmenskredite in Deutschland zur Verfügung. Weitere Informationen unter http://www.voeb.de . Im Jahr 2016 wird der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, 100 Jahre alt.

(Ende)
Aussender: Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e.V. (VÖB)
Ansprechpartner: Dominik Lamminger
Tel.: +49 (0)30 8192-162
E-Mail: dominik.lamminger@voeb.de
Website: www.voeb.de
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