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Fellner: "Österreich ist kein Boulevard-Blatt"

Exklusiv-Interview zur Bilanz nach sechs Monaten "Österreich"


Wolfgang Fellner (Foto: oe24.at)
Wolfgang Fellner (Foto: oe24.at)

Wien (pte001/03.03.2007/06:15) Die neue Tageszeitung "Österreich" ist nun seit einem halben Jahr auf dem Markt. pressetext nahm dies zum Anlass, bei Herausgeber Wolfgang Fellner nachzufragen, ob der Markteintritt aus seiner Sicht geglückt ist und wie sich die ersten sechs Monate für "Österreich" entwickelt haben. Bereits im Vorfeld hatte es viel Kritik an Fellners Zeitungsprojekt gegeben, die bis heute nicht verstummt ist. Jüngstes Beispiel ist die Vorgehensweise der "Österreich"-Berichterstattung im Rahmen der Geiselnahme in einer Wiener Bankfiliale. Im Interview mit pressetext beschreibt Fellner "Österreich" als Qualitätsblatt auf Augenhöhe mit Standard und Kurier.

pressetext: Herr Fellner, wie sieht Ihre persönliche Zwischenbilanz nach sechs Monaten "Österreich" aus?
Fellner: Großartig - wir haben mit den ÖAK-Zahlen jetzt Schwarz auf Weiß unsere tatsächliche Verbreitung dokumentiert. Wir sind vom Start weg - was uns weder Freund noch Feind zugetraut hätten - auf Platz zwei gekommen. In Wien, das ist eine wahre Sensation, sind wir sogar die neue Nummer eins. Das liegt weit über unseren Erwartungen. Wir hatten eine Erwartung von etwa 200.000 verbreiteten Exemplaren, jetzt sind es 317.000. Auch in der härtesten Währung der ÖAK, im Einzelverkauf, sind wir bereits ganz klar die Nummer zwei. Das ist mehr als das Doppelte vom Kurier und mehr als das Zehnfache von Presse und Standard.

pressetext: Die Abozahlen sind jedoch offenbar seit dem Start zurückgegangen?
Fellner: Bezüglich der Abos sind von diversen Neidern am Anfang ein paar Fehlmeldungen gekommen, die bereits wieder korrigiert wurden. Es ist so, dass die Abos am Anfang in einer ÖAK-Kontrolle extrem schwierig darzustellen sind. Vor uns ist noch niemand vor dem ersten Jahr in eine Auflagenkontrolle hineingekommen. Denn man beginnt bei null, muss sich erst langsam hinauf arbeiten und bekommt nie einen Ist-Stand, sondern einen Durchschnitt des letzten Quartals ausgewiesen. Die ÖAK hat, was uns nicht besonders freut, die ersten 30.000 Testabos, die nur für einen Monat liefen, nicht akzeptiert. Ausgewiesen werden nur jene, die bereits ein Ganzjahres-Abo bestellt haben. Jetzt im Februar halten wir schon bei 72.000 bezahlten Ganzjahres-Abos.

pressetext: Bezüglich der Abos gab es kürzlich auch jede Menge Aufregung. Beim Verein für Konsumenteninformation sprach man von aufgedrängten Abos. Was können Sie dazu sagen?
Fellner: So etwas kann immer passieren, wenn man 72.000 Abos registriert. Es gab hier zum Beispiel einen Vertreter des VKI, auf dessen Adresse ein Bekannter - offenbar um ihn zu ärgern - Vignetten-Abos bestellt hat - und das offenbar immer wieder. Da bei uns aber alles Computer-orientiert funktioniert, ist man erst nach ein paar Wochen dahinter gekommen, als diese Person nicht bezahlt hat. Es handelt sich hier um einen einzigen Fall. Wir konnten das sofort nachweisen, weil wir alles genau dokumentieren. Die betreffende Person wurde ausgeforscht und mehr liegt nicht in unserem Zuständigkeitsbereich. Die Sache ist vollkommen aufgeklärt.

pressetext: Thema Gratisausgaben. Wollen Sie diese längerfristig beibehalten?
Fellner: Das ist ein ganz normales Marketinginstrument, wie es jede Zeitung der Welt macht - von Rupert Murdoch bis hin zum Standard, der in seiner Anfangsphase Gratisversionen an Universitäten verteilt hat. Unser Zugang war immer: Wir wissen, dass wir bei den 25- bis 50-Jährigen sofort großen Erfolg haben werden, aber den jüngeren Leuten zunächst eine Gratisversion anbieten müssen. Fast jeder Gratisausgabe ist auch eine Abo-Karte beigelegt und unser Ziel ist es, die Gratisleser sukzessive zu Abonnenten umzuwandeln. Es wird einige Zeit dauern, aber es ist selbstverständlich, dass man zu einem Zeitungsstart auch Marketing betreibt.

pressetext: Und die Gratisversionen werden nicht dafür genutzt, um die Auflage zu pushen und für Werbekunden daher attraktiver zu sein?
Fellner: Vor unserem Start hat es kaum eine Zeitung im Stadtbild gegeben. Man sieht kaum eine Krone, kaum einen Kurier, aber jetzt sehen Sie wieder Zeitungen in der Stadt. Es geht überhaupt nicht darum, für die Werbekunden interessanter zu sein. Natürlich ist es auch Sinn der Sache, dass wir eine höhere verbreitete Auflage darstellen, aber die Gratisversionen sind primär ein Marketinginstrument, um unsere Zeitung an junge Leser heranzutragen. Das ist das mit Abstand beste Marketingmittel, das es gibt.

pressetext: Haben Sie keine Angst, dass diese Herangehensweise auf das Image von "Österreich" drückt?
Fellner: Überhaupt nicht. Das genaue Gegenteil ist der Fall - das hebt das Image, weil wir plötzlich im Stadtbild sind. Internet ist auch gratis und senkt das Image deshalb auch nicht. Die City-Auflage wird auch ausschließlich an junge Leute verteilt. Der Sinn ist, die Gratisleser zu Abonnenten zu machen.

pressetext: Wie sieht die Positionierung von "Österreich" aus. Sehen Sie sich als Boulevard- oder als Qualitätszeitung?
Fellner: Wir sehen uns überhaupt nicht als Boulevard, außer dass wir vielleicht einen etwas boulevardesken Sportteil haben. Wir sehen uns durchaus vergleichbar mit dem Standard. Wenn Sie uns mit Standard und Kurier vergleichen, sehen Sie, dass das praktisch die gleichen Themen sind. Wir haben bei den meisten innenpolitischen Themen, wie etwa den Eurofightern, die klare Marktführerschaft. Außerdem sehen wir uns überhaupt nicht als Konkurrenz zur Krone. Wir sehen uns eigentlich als Vis-a-Vis zum Kurier und auch durch die Zahlen der ÖAK zeigt sich, dass wir auf gleicher Flughöhe mit dem Kurier sind.

pressetext: Was sind Ihrer Meinung nach die Schwächen von "Österreich"?
Fellner: Eine Schwäche ist natürlich, dass wir alles erst entwickeln müssen. Normalerweise gilt als Faustregel: Fünf Jahre für eine Tageszeitung. Darunter kann man eine Zeitung eigentlich nicht messen. Unser Ziel ist es, uns von Quartal zu Quartal auch inhaltlich weiter zu verbessern.

pressetext: Wurden auch Fehler gemacht? Wenn ja, welche?
Fellner: Nein. Das ist die eigentliche Überraschung und Sensation. Obwohl wir wirklich von der Konkurrenz gejagt werden, weil man natürlich alle Fehler bei uns sucht, haben wir bis jetzt noch keinen gravierenden Fehler gemacht. Vergleicht man uns mit anderen Tageszeitungen und ihren Starts, dann sieht man, wie gut uns dieser gelungen ist. Außer Kleinigkeiten gibt es nichts, was man uns vorwerfen kann. Einen Fehler, bei dem man wirklich Kritik anbringen könnte, hat es in der ersten Phase bei uns nicht gegeben. Darauf sind wir stolz.

(Ende)
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