Bundeskanzleramt missachtet bei Bundesvergabegesetz-Novellierung EU-Kritik
Österreich droht Vertragsverletzungsverfahren
Wien/Brüssel (pte026/05.02.2007/13:30) Die letzten Monat vom Bundeskanzleramt vorgestellte Novellierung des Bundesvergabegesetzes 2006 missachtet die von der Europäischen Union (EU) geäußerte Kritik an der mangelnden Transparenz von Vergabeverfahren für Aufträge mit vermeintlich "geringen" Auftragswerten. Zu diesem Schluss kommt Gunter Estermann von der Kanzlei Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH http://www.estermann-pock.at im Gespräch mit pressetext. Die Rede ist dabei von Aufträgen bis zu einem Wert von 120.000 Euro. Gerade jene Aufträge, die auf Grund der österreichischen Wirtschaftsstruktur für heimische Unternehmen von besonderer Bedeutung sind. Die Novellierung http://www.bundeskanzleramt.at/site/cob__16253/5102/default.aspx sieht vor, dass das bloß ein Jahr alte Vergabegesetz in insgesamt 95 Punkten geändert werden soll (siehe dazu beigestellte PDF-Datei von Estermann Pock Rechtsanwälte zum Herunterladen http://img.pte.at/files/binary/1985.pdf).
Aufträge der öffentlichen Hand müssen grundsätzlich im Rahmen eines öffentlich bekannt gemachten Vergabeverfahrens ausgeschrieben werden. In Österreich ist diese Ausschreibungspflicht im Bundesvergabegesetz 2006 http://www.bva.gv.at/BVA/Rechtsgrundlagen/BVergG/default.htm geregelt, das am 1. 2. 2006 in Kraft getreten ist. Zusätzlich müssen ab bestimmten Auftragswerten - beispielsweise bei Bauaufträgen ab 5.278.000 Euro oder bei Dienstleistungs- und Lieferaufträgen ab 211.000 Euro - die EU-Vergaberichtlinien http://www.bva.gv.at/BVA/Rechtsgrundlagen/EURichtlinien/default.htm beachtet werden.
In letzter Zeit "mischt" sich die Europäische Union allerdings verstärkt auch unterhalb dieser Schwellenwerte in die nationale Gesetzgebung ein. Erst im Oktober hat die Europäische Kommission erneut die mangelhafte Umsetzung des Gemeinschaftsrechts durch den österreichischen Gesetzgeber kritisiert. Als Grund dafür werden zahlreiche Ausnahmebestimmungen im Bundesvergabegesetz genannt, die es der öffentlichen Hand erlauben, Aufträge ohne vorherige öffentliche Bekanntmachung zu vergeben. Als Beispiel nennt die Europäische Kommission Bauaufträge unter einem Wert von 120.000 Euro oder Dienstleistungs- bzw. Lieferaufträge unter 80.000 Euro. Die Europäische Kommission hat Österreich daher bereits letzten Oktober schriftlich empfohlen, diese weitreichenden Ausnahmen bei der anstehenden Gesetzesnovellierung abzuschaffen.
"Der nun am 17. 1. 2007 vom zuständigen Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst vorgelegte Begutachtungsentwurf enthält jedoch zum überwiegenden Teil nur sprachliche Anpassungen und Bereinigungen von offensichtlichen Redaktionsversehen", so Estermann gegenüber pressetext. Die Empfehlungen der Europäischen Kommission dürften demgegenüber in Österreich wohl auf Widerstand stoßen, folgert Estermann, da die von der EU kritisierten Punkte gänzlich unangetastet geblieben sind.
Nach Ansicht Estermanns begibt sich Österreich damit in eine heikle Lage, "denn die Beanstandungen der Europäischen Kommission sind aufgrund der europäischen Rechtssprechung wohl berechtigt". Öffentliche Aufträge in der oben genannten Größenordnung seien zwar von den Vergaberichtlinien der Europäischen Union nicht erfasst. Der Europäische Gerichtshof habe aber klargestellt, dass die Grundprinzipien des EG-Vertrags auch für solche Aufträge gelten. "Darüber hinaus würde der Gesetzgeber bei Umsetzung des Entwurfs in der derzeitigen Form die Chancen auf dringend notwendige inhaltliche Verbesserungen des öffentlichen Beschaffungswesens verpassen und könnte darüber hinaus ein gegen Österreich gerichtetes Vertragsverletzungsverfahren provozieren", so Estermann abschließend im pressetext-Interview.
Michael Fruhmann, Vergaberechts-Experte im Bundeskanzleramt http://www.bka.gv.at/site/cob__16107/5099/default.aspx , war auf Anfrage von pressetext bis Redaktionsschluss nicht befugt, zu dieser Problematik Stellung zu nehmen. Fruhmann informiert Unternehmen und Interessierte ab März 2007 in Seminaren über das BVergG 2006 & Novelle 2007 http://www.ars.at/pdf/VG730109.pdf .
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