ptp20161013048 Bildung/Karriere, Forschung/Entwicklung

ÖGW-Veranstaltung: "Die visuelle und quantitative Sprache der Naturgeschichte des frühen 19. Jahrhunderts"

Von einer bloßen Anhäufung bürokratischer Daten zur paläontologischen Statik


Wien (ptp048/13.10.2016/16:00) Die Österreichische Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte (ÖGW) veranstaltet folgenden Vortrag von Marco Tamborini (Berlin): "Die visuelle und quantitative Sprache der Naturgeschichte des frühen 19. Jahrhunderts: Von einer bloßen Anhäufung bürokratischer Daten zur paläontologischen Statik". Termin: Donnerstag, 20. Oktober 2016, 18 Uhr s.t. im Festsaal des Archivs der Universität Wien, 1010 Wien, Postgasse 9.

Dr. Marco Tamborini informiert über seinen Vortrag:

Am Anfang des 19. Jahrhunderts war Kameralwissenschaft eine heterogene Disziplin, die darauf abzielte, die zukünftigen Kammerbediensteten auszubilden. Diese Wissenschaft bestand aus einem Kern von administrativen und bürokratischen Fächern, kombiniert mit verschiedenen Hilfswissen-schaften, die von der Geologie und Naturgeschichte bis hin zur Mathematik und Physik reichten. Kameralwissenschaft wurde oft als eine bloße Anhäufung von Daten, die keinen weiteren theoretischen Schluss erreicht, bezeichnet. Obwohl das allgemeine Verhältnis zwischen Kameral- und Naturwissenschaften lang bekannt ist, ist es jedoch immer noch unklar, wie und inwiefern die Kameralwissenschaft die weitere Entwicklung von bestimmten quantitativen Praktiken beeinflusste: Welcher Wissenstransfer fand zwischen der quantitativen Bearbeitung der bürokratischen Daten und derer der naturwissenschaftlichen Disziplinen statt?

Mein Vortag untersucht, wie und unter welchen Bedingungen die Kameralisten ihre Daten bearbeiteten, um breitere Patterns, Regularitäten und empirische Gesetzen hervorzubringen. Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wandten deutsche Kameralisten mathematische Praktiken an, um ihre Daten zu verbinden und zu vereinigen. Das befähigte sie dazu, Muster in der angeblichen chaotischen und nur beschreibenden tabellarischen Präsentation von Daten zu erkennen. Sie wandelten eine bloße statistische Ansammlung von Daten, Statistik, in eine quantitative Methode, die nach einer bestimmten Gesetzmäßigkeit in der tabellarischen Darstellung von Daten suchte, um. Kurz gesagt, sie setzten Statistik in Statik um.

Das Ziel meines Vortrags ist es, die Genese der kameralistischen Statik erst in der Landwirtschaft, eine der wichtigsten kameralistischen Hilfswissen-schaften, und dann in der Paläontologie während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu beleuchten und zu analysieren. Unter welchen Bedingungen war dieser Wissenstransfer möglich? Inwiefern hat sich die kameralistische Statik aufgrund ihrer Verwendung in einer experimentellen Disziplin (wie der Landwirtschaft) und in einer empirischen Wissenschaft (der Paläontologie) verändert? Mein Vortrag leistet daher einen Beitrag zur Archäologie der modernen Datenpraktiken, die die Kontinuitäten sowie die epistemischen Brüche zwischen der modernen Betrachtung und den Visualisierungen von Daten sowie den sogenannten Big Data Sciences untersucht.

Weitere Informationen: http://wissenschaftsgeschichte.ac.at

(Ende)
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