pte20120712022 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Alzheimer beginnt 25 Jahre vor ersten Symptomen

Forscher erstellen Countdown für erbliche Form der Krankheit


Alzheimer-Patient: Enorm langsamer Krankheitsbeginn (Foto: Flickr/Gibson)
Alzheimer-Patient: Enorm langsamer Krankheitsbeginn (Foto: Flickr/Gibson)

St. Louis/Göttingen (pte022/12.07.2012/13:55) Alzheimer zeigt sich in Gehirnscans bereits Jahrzehnte vor dem typischen Erinnerungsverlust und der Einbuße kognitiver Fähigkeiten. Bei der seltenen familiären Variante der Alzheimer-Krankheit beginnt der Countdown etwa 25 Jahre vor den Symptomen, berichten Neurologen der Washington University School of Medicine http://medschool.wustl.edu im "New England Journal of Medicine". "Im Körper findet eine regelrechte Kaskade von Ereignissen statt, die man in einer Zeitleiste abbilden kann", erklärt Studienautor Randall Bateman.

"Die Erkenntnis ist vor allem für die Forschung relevant", urteilt Thomas Bayer, wissenschaftlicher Beirat der Alzheimer Forschung Initiative http://www.alzheimer-forschung.de , im pressetext-Interview. Bisher dürfen selbst Träger genetischer Alzheimer-Mutationen vor Ausbruch der Krankheit aus ethischen Gründen nicht an klinischen Studien teilnehmen. "Vielleicht liegen in den Schubladen der Pharmaindustrie bereits Mittel, die in Frühstadien der Krankheit wirken. Dazu müssen Risikopatienten aber frühzeitig identifiziert werden", so der Göttinger Neurologe.

Marker halten sich an Reihenfolge

Sieben Prozent der Alzheimer-Patienten haben eine erblich bedingte Form der Erkrankung, deren Symptome meist schon vor dem 60. Lebensjahr beginnen. Sie kennzeichnet sich durch einen Gendefekt auf den Chromosomen 1, 14 und 21, der dominant vererbt wird. Die bislang schwierige Beforschung dieser Patientengruppe wurde nun durch das Patienten-Netzwerk DIAN (Domantly Inherited Alzheimer Network) http://dian-info.org möglich. 128 Menschen aus Familien mit entsprechender genetischer Disposition nahmen an der Studie teil.

Auf Grundlage der Krankengeschichte der Eltern schätzten die Forscher das Alter, in die Symptome bei den Mutationsträgern erstmals auftreten werden. Die Untersuchungen zeigten, dass viele Änderungen im Gehirn schon lange vor den ersten Symptomen auftreten. Bei Menschen aus derselben Familien, die keine Genmutationen aufwiesen und somit künftig nicht von erblichem Alzheimer betroffen sein werden, waren diese Marker nicht feststellbar. Die Abfolge der Marker haben die Forscher in einer Zeitleiste aufgelistet.

Start in Rückenmarksflüssigkeit

Demnach fällt bereits 25 Jahre vor den Symptomen das Niveau eines Schlüsselbestandteils der Alzheimer-Plaques in der Rückenmarksflüssigkeit ab. 15 Jahre zuvor sind die ersten Plaques in Gehirnscans sichtbar, das Tau-Protein in der Rückenmarksflüssigkeit nimmt zu und entscheidende Gehirnareale beginnen zu schrumpfen. Zehn Jahre vor den Symptomen verbraucht das Gehirn weniger Glucose - und bei bestimmten Formen des Gedächtnisses treten leichte Beschwerden auf.

Nützlich könnte diese Zeitleiste für künftige Behandlungen sein, die Plaque-Bildung rückgängig machen oder blockieren. Mit ihrer Hilfe könnte man laut den Forschern Betroffene besser auf Alzheimer-Biomarker überwachen. Darüber hinaus erhoffen sich die Wissenschaftler auch Einblicke für die weitaus häufigere Alzheimer-Erkrankung mit spätem Beginn ab 65 Jahren. "Nach dem Ableben sieht das Gehirn von Patienten mit sporadischem und erblichem Alzheimer gleich aus. Ob dieselben Prozesse ablaufen, ist ungewiss, da die erbliche Form deutlich rapider verläuft", erklärt Bayer.

Link zur Studie: http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1202753

(Ende)
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