pts20180424022 Forschung/Entwicklung, Produkte/Innovationen

Schweizer Lasertechnik-Pionierin Ursula Keller als Finalistin für den Europäischen Erfinderpreis 2018 nominiert


München (pts022/24.04.2018/12:00) * Schweizer Physikerin und ETH-Professorin vom Europäischen Patentamt (EPA) für die Entwicklung ultra-schneller Laser in der Kategorie Lebenswerk nominiert
* Kellers gepulste Lichtquellen gelten als Revolution in der Lasertechnik
* Heute nutzen fast alle ultra-schnellen Laser für medizinisch-chirurgische Eingriffe und zur Materialbearbeitung Kellers patentierte Technik
* EPA-Präsident Battistelli: "Ursula Keller hatte den Mut, neue Wege zu beschreiten und hat so für die Lasertechnik vollkommen neue Einsatzmöglichkeiten erschlossen. Wir verdanken ihr viele neue nutzbringende Anwendungen in der Medizin und Industrie."

Die Schweizer Physikerin, Erfinderin und ETH-Professorin Ursula Keller ist für den Europäischen Erfinderpreis 2018 nominiert. Sie wird damit als Wegbereiterin für vollkommen neue Anwendungsmöglichkeiten von Laserlicht gewürdigt. Im Laufe einer über 30 Jahre umfassenden Forschungskarriere erfand Keller die erste Methode zur Erzeugung von ultra-schnellen Lichtpulsen mittels Lasern, bekannt als SESAM (Semiconductor Saturable Absorber Mirror). Das Prinzip ist inzwischen weltweiter Industriestandard in verschiedenen Bereichen, die von der Elektronik und Automobilherstellung bis zur medizinischen Diagnostik und Chirurgie reichen. Keller erweiterte das Prinzip kontinuierlich zum Einsatz in der Elektrotechnik und Astrophysik.

Für ihre Leistungen ist Ursula Keller als eine von drei Finalist/innen in der Kategorie "Lebenswerk" nominiert. Die Gewinner des diesjährigen Erfinderpreises des Europäischen Patentamts werden am 7. Juni 2018 im Rahmen einer Zeremonie in Paris bekanntgegeben.

"Die Technologie von Ursula Keller hat den Weg bereitet für den Einsatz von ultra-schnellen Lasern im industriellen Maßstab, ob bei Computern, Smartphones, Fahrzeugen oder der Medizintechnik. Ihre Arbeit ist bahnbrechend für die Einsatzmöglichkeiten von Lasertechnik. Auch die Wissenschaft profitiert durch den Einsatz ihrer Lasertechnik in der Forschung. Letztendlich hat sie auch einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass Europa in der Forschung und beim Einsatz ultra-schneller Laser weltweit führend ist", sagt EPA-Präsident Benoît Battistelli anlässlich der Bekanntgabe der Finalisten des Jahres 2018.

Ein Quantensprung in der Geschwindigkeit von Lasern

Als erste Pioniertat fasste Ursula Keller in den frühen Neunzigerjahren eine bis dato unüberwindbare Entwicklungshürde in der Lasertechnik ins Auge. Laser dienten seit ihrer Erfindung dazu, Materialien durch die enorme Energie gebündelter Lichtstrahlung zu transformieren. Aber in der Stärke der Laserstrahlung lag auch ihre zentrale Schwäche. Denn ein kontinuierlicher Laser heizt Materialien zu sehr auf und beschädigt sie. Als Antwort entwickelte Keller in den AT&T Bell Laboratories in New Jersey, USA, eine Methode, die kontinuierlichen Lichtwellen in ultra-kurze Lichtpulse zu komprimieren.

Dieses "gepulste Laserlicht" erzeugte die Erfinderin durch den erstmaligen Einsatz von Halbleitern als Spiegel. Durch dieses Prinzip konnte ein damals in jedem Forschungslabor zu findender Laser von der Erzeugung kontinuierlicher Lichtwellen auf "gepulstes" Laserlicht konfiguriert werden. Kellers Spiegel verkürzen das Laserlicht auf ultra-schnelle Lichtpulse mit einer Länge von wenigen Picosekunden (10-12 Sekunden) bis zu lediglich 5 Femtosekunden (10-15 Sekunden). Dem Einsatz der Spiegel verdankt die revolutionäre Methode auch ihren Namen: SESAM (Semiconductor Saturable Absorber Mirror).

Mit der Erfindung löste Ursula Keller nicht nur eines der grundlegendsten Probleme in der Lasertechnik. SESAM öffnete auch die Tür für eine Reihe neuer, zuvor unvorstellbarer Anwendungen, darunter intensivere und präzisere Laserquellen für Anwendungen in der herstellenden Industrie wie Schweißen oder Schneiden sowie in der optischen Kommunikation und Medizintechnik.

Keine normale Schweizer Uhr: die Attoclock

Im Rahmen ihrer intensiven Forschung auf dem Gebiet der Lasertechnik befasste sich Keller auch mit ungelösten Fragen der Quantenphysik. Auf der Suche nach Antworten kommt sie auf die Idee, eine Uhr zu entwickeln. Schließlich entwickelt sie eine der genausten Uhren der Welt, die Attoclock, mit Laserlicht als dem präzisesten Zeiger der Welt. Er kann Attosekunden messen - den milliardsten Teil einer Milliardstel-Sekunde.

Wie die Erfinderin das Prinzip beschreibt: "Licht braucht von der Erde zum Mond etwa eine Sekunde. Das Licht braucht nur eine Attosekunde, um über zwei Atome zu kommen. Das heißt, wir gehen in die atomare Welt, in die Welt der Quantenmechanik. Und deshalb wird die Zeiteinheit der Attosekunden auch als die quantenmechanische Zeit bezeichnet."

Die Attoclock macht den Blick in bislang ungesehene Welten möglich. Mit ihr lassen sich die Grundlagen des Lebens tiefer erforschen, um sie eines Tages technisch nachzuahmen. Vielleicht könnte die Attoclock sogar dazu verwendet werden, unser ganzes physikalisches Weltbild zu überprüfen, hofft die Erfinderin. "Wir haben auch die Hoffnung, dass wir mit diesen Uhren irgendwann messen können, ob unsere Naturkonstanten wirklich konstant sind", sagt Keller. Auf dieser Grundlage aufbauend könnte die Wissenschaft eines Tages Phänomene wie die Photosynthese oder andere Phänomene besser verstehen, und auch extrem schnelle Supercomputer entwickeln.

Europas Führungsposition in der Lasertechnologie

Um ihre patentgeschützte Lasertechnologie zur Marktreife zu bringen, gründete Ursula Keller gemeinsam mit ihrem Mann Kurt Weingarten im Jahr 1994 das Start-Up-Unternehmen Time-Bandwidth Products. Unter Leitung der Erfinderin stellte die Firma SESAM Laser für die Computer- und Smartphone-Industrie her und wurde 2014 vom US-Unternehmen JDSU (heute Lumentum) übernommen. Eine weitere Firma ist Keller zufolge bereits in Planung, mit neuer patentierter Lasertechnik für den Weltmarkt.

Der Markt für ultra-schnelle Laser erlebt momentan ein enormes Wachstum: Im Jahr 2017 erwirtschafteten Lasertechnologien wie Kellers SESAM-Prinzip weltweit EUR 2,2 Milliarden, das sind rund 20 % des Gesamtmarkts für Laser. Bis zum Jahr 2023 sollen ultra-schnelle Laser bereits jährlich EUR 8,3 Milliarden einbringen. Treibende Kraft ist hierbei die steigende Nachfrage aus der Automobilbranche.

Europa nimmt in der Herstellung und Entwicklung der neuen Generation schneller Laser eine Schlüsselrolle ein. Heute sind bereits rund 73 % aller hochintensiven Laser (in der Petawatt-Klasse) weltweit in Europa angesiedelt. Einen Beitrag zur Führungsrolle leistet unter anderem das Forschungskonsortium LaserLab Europe als Netzwerk führender Forschungseinrichtungen wie der ETH Zürich, der Universität Jena, dem Institut d'Optique in Paris sowie dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Die Brücke zum Markt schlagen führende Laserhersteller wie Amplitude Systemes in Frankreich und Trumpf in Deutschland.

Als erste Frau an einem naturwissenschaftlichen Lehrstuhl der ETH

SESAM wurde seinerzeit als wissenschaftliche Sensation gefeiert. Für Ursula Keller folgte im Jahr 1993 trotz ihres jungen Alters der Ruf als Professorin, zurück in die Heimat nach Zürich an die ETH, wo sie Physik studiert hatte. Mit 33 schreibt sie Geschichte als erste Frau an einem naturwissenschaftlichen Lehrstuhl der ETH. "Normalerweise geht es anders herum: Man beginnt in der Grundlagenforschung und wechselt dann zur angewandten Wissenschaft. Aber für mich als weibliche Physikerin war es einfacher, mich über eine technische Erfindung zur Anwendung von Lasern zu etablieren, um mich dann mit diesem Erfolg im Rücken an der Uni zu beweisen und die Möglichkeiten dort zu nutzen, um die Forschung auf meinem Gebiet weiter voranzutreiben", so Keller.

Heute gilt Ursula Keller als Instanz auf dem Gebiet der Ultrakurzpuls-Laserphysik. Sie hat über 440 Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften mit Peer-Review sowie elf Buchkapitel und sieben gewährte Europäische Patente verfasst. Drei Jahrzehnte Pionierarbeit brachten der Forscherin Ehrungen wie den IEEE Photonics Award (2018), Weizmann Women & Science Award (2017), OSA Charles H. Townes Award (2015) und Geoffrey Frew Fellow of the Australian Academy of Science (2015). Seit 2010 ist sie Direktorin des vom Schweizerischen Nationalfonds initiierten Forschungsprogramms NCCR MUST (Molecular Ultrafast Science and Technology) und forscht weiterhin als Professorin an der ETH Zürich an Ultrakurzpulslasern.

Weiterführende Informationen:

Video- und Fotomaterial: http://www.epo.org/news-issues/press/european-inventor-award/2018/keller_de.html

Weitere Hintergrundinformationen zur Erfinderin: http://www.epo.org/learning-events/european-inventor/finalists/2018/keller_de.html

Über den Europäischen Erfinderpreis: http://www.epo.org/learning-events/european-inventor_de.html

Über das Europäische Patentamt (EPA): http://www.epo.org/news-issues/press/background/epo_de.html

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