pts20190129014 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Smarte Rückenmarksstimulation: Neurostimulatoren justieren Impulse je nach Körperhaltung

Pressemitteilung zu den 18. Österreichischen Schmerzwochen der Österreichischen Schmerzgesellschaft


Wien/Innsbruck (pts014/29.01.2019/10:45) Feintuning in der chronischen Schmerztherapie: Neurostimulatoren reagieren inzwischen automatisch auf unterschiedliche Körperhaltungen und merken sich, was Patienten gut tut. Innovative Neurostimulatoren können dem behandelnden Arzt auch objektive Behandlungsdaten liefern. Das ist entscheidend für die weitere Optimierung der Therapie.

Rückenmarksstimulation, auch Neurostimulation genannt, wird durch eine Reihe von Innovationen immer patientenfreundlicher und effektiver. "Die Behandlung hilft ja schon rund 30 Jahre gegen chronische Schmerzen. Inzwischen kann sie aber mehr denn je von und mit den Betroffenen feinjustiert werden", berichtet Dr. Christian Preuss Hernández (Universitätsklinik für Neurochirurgie, Innsbruck) anlässlich der 18. Schmerzwochen der Österreichischen Schmerzgesellschaft.

Für die Rückenmarksstimulation wird ähnlich einem Herzschrittmacher ein Neurostimulator im Bauch, unter das Schlüsselbein oder im oberen Gesäßbereich chirurgisch unter die Haut implantiert. Elektroden, die ebenfalls mittels sicherer und kurzer Eingriffe implantiert werden, geben in Rückenmarksnähe schwache elektrische Impulse ab und unterbrechen so die Schmerzsignale zwischen Rückenmark und Gehirn. Einen großen Fortschritt bringt nun die so genannte Adaptive Stimulation. Diese neue Technologie sorgt dafür, dass sich die Stimulationsstärke automatisch an die Körperhaltung anpasst, mit der sich auch der Schmerz ändert.

"Wenn sich Patienten zum Beispiel hinlegen oder aufstehen, kann sich das Rückenmark auf die implantierten Elektroden zu- oder wegbewegen. Das ist nicht ideal. Eine Stimulationsstärke, die Schmerzen im Stehen blockiert, ist möglicherweise beim Hinlegen unangenehm", erklärt Dr. Preuss Hernández. Die nötigen Anpassungen der Stimulationsstärke waren bislang nur manuell mit einem Programmiergerät möglich. Mit der AdaptiveStim-Technologie ist das nicht mehr nötig. Ähnlich einem Smartphone, das erkennt, ob man den Bildschirm im Hoch- oder im Querformat nutzt, ist der Neurostimulator mit einem Akzelerometer ausgestattet und erkennt, wenn sich die Position des Körpers verändert.

Das Gerät hat zudem ein Gedächtnis, denn es lernt aus früheren Erfahrungen und erinnert sich an die letzte komfortable Einstellung beim Stehen oder Sitzen, Liegen oder bei Aktivitäten im aufrechten Zustand, zum Beispiel Gehen oder Joggen. "Das hat auch den Vorteil, dass die Patientinnen und Patienten sportlich aktiv sein können, ohne sich um eine Stimulationsanpassung kümmern zu müssen", so Dr. Preuss Hernández.

Bei den Patientinnen und Patienten kommt die neue Technologie gut an: Eine von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA anerkannte Studie zum AdaptiveStim attestiert dem Sensor hohe Akzeptanz und gute Erfolge. 86,5 Prozent der Patienten berichteten eine verbesserte Schmerzlinderung und Handhabung. Mehr als 80 Prozent gaben an, dass sich ihr Wohlbefindens bei Änderungen der Körperhaltung verbessert hat.

Eine weitere Innovation bringt das MyStim-Programmiergerät, vergleichbar mit einer Fernbedienung, mit dem Patientinnen und Patienten die Funktion ihres Rückenmarkstimulation-Systems unter Anleitung einstellen können. Das Gerät gibt den Betroffenen mehr Kontrolle über ihre Schmerztherapie und ermöglicht den Zugang zu MRT- Informationen im Neurostimulator. Außerdem kann ein MRT-Modus leicht aktiviert oder deaktiviert werden. Die neuen Systeme auf dem Markt ermöglichen auch bei Bedarf weitere MRT-Untersuchungen bei Patientinnen und Patienten mit laufender Rückenmarksstimulation.

Beurteilung anhand subjektiver und objektiver Parameter

"Insgesamt ist es sehr herausfordernd, den Zustand der Patienten korrekt zu beurteilen und die Neurostimulation entsprechend anzupassen. Denn bei objektiven Messungen kommen oft ganz andere Daten zu Schmerzzustand, dessen Verbesserung, Schlafqualität oder Ähnlichem heraus als bei der Selbsteinschätzung der Patienten", berichtet Dr. Preuss Hernández.

Das bestätigt auch eine aktuelle Studie (Goudman et al), an der 39 Patienten teilnahmen, die nach einem Failed Back Surgery Syndrome (FBSS) mitRückenmarksstimulation behandelt wurden. Sie zeigt, dass es keine Korrelation zwischen den subjektiven Selbstangaben der Patienten und objektiven Messdaten gibt, die zum Beispiel vom Akzelerometer übermittelt wurden. Die Autoren empfehlen daher, zur Bestimmung einer Therapieoption bei FBSS-Patienten sowohl auf subjektive als auch objektive Parameter zurückzugreifen.

Genau dafür bietet sich eine neue technische Möglichkeit als Instrument an: die Intellis-Plattform. Mithilfe eines drahtlos programmierbaren Tablets und einem Neurostimulator kann die Ärztin oder der Arzt die Patientenaktivitäten, wie zum Beispiel Joggen, Spaziergänge und Liegedauer kontinuierlich aufzeichnen. Das ist eine sehr wichtige Ergänzung zur subjektiven Beschreibung. Der Verlauf der Therapie lässt sich objektiv überwachen und die Patienten erhalten anhand verschiedener Parameter ein Biofeedback.

"Das bringt eine neue Qualität in die Patienten-Arzt-Kommunikation und schafft eine gute Grundlage, um die Therapie bestmöglich an die individuellen Bedürfnisse anzupassen", so Dr. Preuss Hernández. Ein weiterer Vorteil der Intellis-Plattform: Sie ist für den erhöhten Energiebedarf einer High dose-Therapie optimiert und enthält alle relevanten Therapiedetails. Die High dose-Therapie bietet eine exzellente Schmerzkontrolle an ohne dass die Patientinnen oder Patienten "Kribbelgefühle" entwickeln.

Auch sehr wichtig auch für die Betroffenen: Der Neurostimulator kann innerhalber eine Stunde vollständig aufgeladen werden und hat eine hohe Lebensdauer. Das macht ihn noch alltagstauglicher und reduziert die Notwendigkeit weiterer Eingriffe. "Die Entwicklung neuer technischen Möglichkeiten der Rückenmarksstimulation und die ständige Optimierung der Therapiemethoden machen aus dieser Behandlungsmethode eine sehr attraktive und benutzerfreundliche Option für unsere Patientinnen und Patienten", erklärt Dr. Preuss Hernández.

Quellen: Medtronic advanced pain therapy using neurostimulation for chronic pain. Klinische Zusammenfassung, 2011. M221494A006; Goudman L et al. Is the Self-Reporting of Failed Back Surgery Syndrome Patients Treated With Spinal Cord Stimulation in Line With Objective Measurements?

(Ende)
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