pte20110616028 in Leben

Therapie chronischer Depression im Wandel

Psychiater: Medikamenten-Verstärker ersetzen Therapieumstellung


Läufer: Neue Ansätze zur Flucht aus langer Depression (Foto: pixelio.de/Altmann)
Läufer: Neue Ansätze zur Flucht aus langer Depression (Foto: pixelio.de/Altmann)

Wien (pte028/16.06.2011/13:45) Bei der Therapie von chronischer Depression werden sich bald neue Standards durchsetzen. Das behaupten Vertreter der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie (ÖGPB) anlässlich der Veranstaltung "XVII. Updates in Psychiatry 2011" http://www.update-europe.com in Wien.

"Patienten empfinden es oft als Problem, wenn man ihnen Medikamente wegnimmt. Der Trend bei chronischer unipolarer Depression geht dahin, nur begrenzt wirksame Therapien durch Augmentation zu verstärken und den Patienten somit rasch und effektiv zu helfen", erklärt Siegfried Kasper, Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie http://www.meduniwien.ac.at .

Fatales langes Leiden

Eine lang anhaltende Depression kann sich fatal auswirken, betont ÖGPB-Präsidentin Susanne Lentner. "Sie geht häufig mit herabgesetzter Leistungsfähigkeit, Arbeitslosigkeit und Problemen in der sozialen Interaktion bis hin zur erhöhten Suizidrate einher." Rasche Hilfestellung sei notwendig - was in der Regel zunächst eine Pharmakotherapie bedeutet. "Oft empfiehlt sich jedoch auch die Kombination mit Psychotherapie, insbesondere der Verhaltenstherapie", so die Expertin.

Manche Patienten sprechen nur unzureichend auf Antidepressiva an, was nach dem zweiten vergeblichen Anlauf als "Therapieresistenz" bezeichnet wird. Menschen mit komorbiden Problemen wie etwa Angst- oder Panikerkrankungen, Jugendliche sowie schwer Depressive sind besonders davon betroffen. Ziehen sich die Episoden über einen Zeitraum von zwei Jahren oder mehr, gilt eine Depression als "chronisch", was bei 20 bis 30 Prozent der Patienten zutrifft. Bei zehn bis 15 Prozent dauert die Erkrankung über fünf Jahre.

Kampf gegen Resistenz

Wirkt ein Antidepressivum nicht, erhöht der Arzt meist die Dosis. Nutzt auch das nichts, wechselt man oft auf ein anderes Mittel. "Die Ergebnisse dieser Taktik ernüchtern. Studien zufolge sinkt der Behandlungserfolg mit der Dauer der Suche nach der wirkungsvollen Therapie", erklärt der Grazer Psychiater Peter Hofmann. Verschwinden bei der ersten Therapie noch bei 28 Prozent der Patienten mit unipolarer Depression die Symptome, sind es bei der ersten Umstellung maximal 25 Prozent und bei der dritten nur mehr knapp 20.

Die Experten erklären dies unter anderem durch das Sinken der Therapietreue, der Geduld und des Vertrauens in den Arzt sowie auch durch Entzugsphänomene des Absetzens der ersten Substanz. Die Kombination verschiedener Antidepressiva statt der Umstellung wird zwar häufig angewandt, jedoch ohne wissenschaftlich bestätigt zu sein. Eine weitere Option ist die Augmentation, wobei Zusatzsubstanzen die Wirkung bestehender Therapien verstärken sollen. Setzte man hier bisher auf Lithium und Schilddrüsenhormone, so hielt sich der Einsatz aufgrund bescheidener Erfolge und deutlicher Nebenwirkungen in Grenzen.

Verstärkung statt Umstellung

Künftig werden jedoch verbesserte verstärkende Zusatztherapien neue Standards für die Behandlung chronischer unipolarer Depressionen schaffen, sind sich die Experten einig. In Studien zu derartigen neuen Ansätzen profitierte jeder zweite Patient nachhaltig von Augmentation, wobei sich die Wirkung des Basis-Antidepressivums schon nach sieben Tagen statt bisher drei bis vier Wochen bemerkbar machte. "Der Effekt tritt deutlich rascher ein als wenn man zuwartet, zudem werden komorbide Tendenzen wie etwa Süchte oder Ängste herabgesetzt. Je früher der Start mit Augmentation, desto besser", so Lentner gegenüber pressetext.

(Ende)
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