pte20091029028 in Leben

Universitäten leiden an chronischer Unterfinanzierung

Bildungsexpertin: Leistungsfähigkeit durch fehlende Mittel beschnitten


"Notfallbesetzung" im Wiener Audimax während der Großdemo am Mittwoch (Foto: Nikolaus Holzer)

Wien (pte028/29.10.2009/11:25) Die Forderungen und Kritikpunkte der protestierenden Studierenden sind aus Expertensicht sowohl gerechtfertigt als auch nachvollziehbar. Während die Hörsaal-Besetzer inzwischen auf Solidarität aus diversen Richtungen stoßen, wird auch von bildungswissenschaftlicher Seite erklärt, weshalb die Aktionen und Demonstrationen grundsätzlich zu unterstützen sind. "Die Protestierenden treffen einen wunden Punkt der Universitäten: ihre chronische Unterfinanzierung", sagt Ilse Schrittesser, Vorständin am Institut für Bildungswissenschaft an der Uni Wien, im pressetext-Interview.

Einerseits gebe es einen breiten Konsens, dass ein Vorantreiben akademischer Bildung notwendig für die Förderung der Leistungsfähigkeit einer hoch-technologisierten Wissensgesellschaft sei. "Andererseits folgen darauf nicht die erforderlichen Maßnahmen, wie etwa eine bessere personelle und Sachmittel-Ausstattung der Unis", so Schrittesser.

Kritik am Schweigen der Politik

Die Bildungsexpertin rät den zuständigen Politikvertretern dringend in Dialog mit den Studierenden zu treten. "In der gegenwärtigen Situation wäre es äußerst wichtig, aufzuklären, in einen Dialog zu treten und auch die Studierenden zu hören", meint Schrittesser. Dadurch könnten letztlich auch einzelne Forderungen relativiert werden. "Das in jeder Hinsicht unterstützenswerte Anliegen unter akzeptablen Bedingungen studieren zu können, lässt sich als berechtigter Wunsch verstehen - entsprechend auch von Lehrenden begleitet - in ein Wissenschaftssystem eingeführt und als Kollegenschaft auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden."

Das Thema Studiengebühren spiele dabei nur eine Nebenrolle. "Vielmehr gelte es, sozial gerechte Finanzierungssysteme - da können auch Studienbeiträge ein Teil sein - zu entwickeln, die ein Studium ohne Zugangsbeschränkungen ermöglichen", erklärt die Expertin. Auch der strikten Ablehnung des BA/MA-Systems sollte laut Schrittesser durch Dialog und Information begegnet werden.

Solidarisierungswelle

Neben Vertretern aus Kunst, Kultur und Medien sowie zuletzt die Arbeiterkammer solidarisieren sich auch immer mehr Lehrende, insbesondere die externen Lektoren, mit den Protestierenden, deren Aktionen am Mittwoch in einer Großdemonstration den vorläufigen Höhepunkt erreichten. "Ich hoffe, dass das Wissenschaftsministerium auf die Studierenden zugeht und bereit ist, zumindest einige Forderungen umzusetzen", sagt Thomas Schmidinger, Präsident der IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen, gegenüber pressetext. Auch er verweist auf mangelnde Mittel und fordert eine "deutlich bessere finanzielle Ausstattung der Universitäten".

"Darüber hinaus setzen wir uns als Interessensvertretung der Lektoren insbesondere gegen prekarisierte Arbeitsbedingungen an den Unis ein und haben schon im Mai Forderungen zur Umsetzung eines Kollektivvertrags formuliert", so Schmidinger weiter. Welchen Ausgang die derzeitigen Proteste nehmen werden, sei schwer zu sagen. "Wenn das Ministerium jedoch nicht zu ernsthaften Verhandlungen bereit ist, könnten sie durchaus länger andauern", glaubt Schmidinger.

Transparenz und Gesamtkonzept gefordert

"Eine transparente Studienplatzbewirtschaftung wäre längst erforderlich - auch um klar zu stellen, was unter bestimmten Bedingungen geleistet werden kann und welche Schritte dafür zu setzen sind. Damit könnte den Studentenforderungen jedenfalls nachgekommen werden", betont Schrittesser. Die Unis seien ein Ort der Bildung und es müsse als positiv erachtet werden, dass so viele junge Menschen an einem solchen Ort etwas lernen wollen. Dies müsse grundsätzlich massiv unterstützt, aber auch kanalisiert werden.

"Studien, die Zukunftsfelder für die gesellschaftliche Entwicklung darstellen - etwa im naturwissenschaftlichen Bereich - sollten stärker ins Bewusstsein gebracht werden", meint die Expertin. Dazu bedürfe es allerdings eines Gesamtkonzepts in der Bildung, wo Grundsteine bereits in der Schule gelegt würden. Nur durch eine Art nationalen Aktionsplan wird es laut Schrittesser möglich, dass Unis und sekundäre Bildungseinrichtungen ihre Leistungsfähigkeit in vollem Ausmaß entfalten können.

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