pts20191024021 Politik/Recht, Medien/Kommunikation

Justizreform der Ukraine im Europaparlament

"Faires Verfahren kein Privileg, sondern Merkmal europäischen Staates"


Straßburg (pts021/24.10.2019/12:55) Die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz und die anhaltende Behinderung der Antikorruptionsbehörden in der Ukraine standen im Mittelpunkt einer internationalen Tagung, die am 22. Oktober in Anwesenheit von Europaabgeordneten im Gebäude des Europäischen Parlaments in Straßburg (Frankreich) stattfand. Die ukrainische Delegation bestand aus Abgeordneten, Richtern, Anwälten und Bürgerrechtsaktivisten.

Auf dem Treffen wurde der Schutz von Bürger- und Freiheitsrechten als zentrale Aufgabe des modernen Staates betont. Unabhängige, unparteiische und faire Gerichte seien dabei das Schlüsselelement. Leider zeige die Erfahrung der Ukraine, dass unabhängige Gerichte nur existieren können, wenn der politische Wille dazu besteht. Die abgewählte Regierung in Kiew habe die Gerichte allerdings in eine abhängige Instanz mit streng begrenzten und festgelegten Befugnissen verwandelt. So standen etwa die Verwaltungsgerichte ständig unter dem Druck der früheren Präsidialverwaltung.

Politisch abhängige Antikorruptionsbehörden

Der anwesende Richter Pavlo Vovk berichtete von seinen Erfahrungen mit der Regierung von Präsident Poroschenko. Er ist Leiter des Bezirksverwaltungsgerichts von Kiew, das sich mit Korruptionsfällen befasst, an denen Staatsorgane auf höchster Ebene beteiligt sind. Dies erklärt, warum der frühere Staatspräsident dieses Gericht vollständig abhängig machen wollte. Gleichzeitig setzte die frühere Verwaltung sogenannte "Korruptionsbekämpfungsorgane" einzig und allein dafür ein, politische Befehle auszuführen.

Während des Treffens mit den Europaparlamentsabgeordneten wurde der Grund genannt, warum die ukrainischen Antikorruptionsbehörden ihre Mission nicht erfüllt haben. Sie seien von Anfang an zu stark vom System abhängig gewesen. Vor allem das mit Hilfe westlicher Länder gegründete Nationale Korruptionsbekämpfungsbüro der Ukraine geriet wiederholt ins Zentrum von Skandalen und Querschlägen der betroffenen Behörden. Während echte Korruptionsfälle liegen blieben, wurden von diesen falsche Korruptionsvorwürfe erhoben, die nie bewiesen werden konnten.

Solche Unrechtspraktiken stoppen

Das Hauptproblem der ukrainischen Justiz, so die anwesenden Delegationsteilnehmer, liege in der Tatsache begründet, dass die Regierung keine wirkliche Unabhängigkeit der Richter gewährleistet, sondern immer darauf abzielt, ihnen genehme Entscheidungen zu erzwingen. Besorgt zeigten sie sich darüber, dass sich die Situation trotz Unterstützung der europäischen Partner nicht gebessert habe. "Solche Praktiken müssen gestoppt werden. Gerichte sollten unabhängig sein und ihre Rolle nach dem Gesetz ausüben. Kein Richter kann von irgendjemandem unter Druck gesetzt werden", wetterte der Europaabgeordnete Nathan Gill von der britischen "Brexit"-Partei.

Erfahrungen Europas nutzen

Kateryna Odarchenko, Direktorin des PolitA-Instituts für Demokratie und Entwicklung, die das Treffen moderierte, forderte in ihrer Rede, dass die Ukraine die Erfahrungen Europas beim Aufbau nachhaltiger und funktionierender staatlicher Institutionen stärker berücksichtigen sollte, anstelle die Wünsche der Politiker zu erfüllen, die gerade an der Macht sind. "Die europäische Erfahrung lehrt, dass die Unabhängigkeit der Justiz von politischem Engagement der Schlüssel zu einer gerechten Gesellschaft ist."

Die ukrainische Abgeordnete Irina Venediktova versicherte in der Diskussion, dass die neue Zusammensetzung des Parlaments entschlossen sei, die lange geforderte Justizreform durchzuziehen. "Es ist wichtig, dass wir das schnell und professionell erledigen. Wir verstehen auch, dass dies gerade aus der Sicht von Experten erforderlich ist, die über die Erfahrung und den Willen verfügen, positive Veränderungen in Reformen zu gießen", sagte Venediktova.

Da die Ukraine Mitglied der Europäischen Gemeinschaft werden will, müssten die Grundsätze der Gerechtigkeit, Unparteilichkeit und Rechtsstaatlichkeit nicht nur in der Erklärungen von Politikern, sondern auch in den Gerichten Anwendung finden. Nach den Wahlen sind in der Ukraine ein neuer Präsident, ein neues Parlament und eine neue Regierung sehr wichtig für den politischen Willen, die Situation zu ändern. "Denn ein faires Verfahren ist kein Privileg, sondern ein Merkmal eines europäischen Staates."

Prominente Teilnehmer am Justizdialog für die Ukraine

Das Gespräch der ukrainischen Delegation mit den Europaparlamentsabgeordneten war ergiebig und fruchtbar, berichteten Teilnehmer. Die europäischen Kollegen teilten ihre Vision einer Reform des Justizsystems. Auf dem Treffen wurden Fehler wie mögliche Auswege offen erörtert. Nach dem offiziellen Teil folgten Gespräche mit einzelnen Mitgliedern des Europäischen Parlaments wie u.a. Michal Simecka, Stellvertretender Vorsitzender der Partei "Progressive Slovakia", Ivar Ijabs, Lettischer Politikwissenschaftler, Witold Waszczykowski, ehemals Stv. Außenminister Polens (2005-2008) und Stv. Leiter des Büros für Nationale Sicherheit (2008-2010) und Petras Austrevicius, Stv. Sprecher des Parlaments der Republik Litauen.

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PolitA - Institute for Democracy and Development
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