pts20111103008 Unternehmen/Wirtschaft, Handel/Dienstleistungen

Russland-EU: Gemeinsame Standards - Vorteile für beide Seiten

Russischer Unternehmervertreter Lotsmanov sieht Potenziale auf beiden Seiten


Wien (pts008/03.11.2011/09:40) Eine Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU bei der Entwicklung gemeinsamer Standards bringt für beide Seiten große Vorteile. Davon zeigte sich Andrey S. Lotsmanov, Stellvertretender Vorsitzender der Russischen Vereinigung für Industrielle und Unternehmer (RSPP), am ersten Tag der internationalen Russland:Österreich-Konferenz (2./3. November 2011) in Wien überzeugt. "Hier kann die Wirtschaft beider Seiten nur gewinnen", so Lotsmanov, der sich ausdrücklich für eine engere Kooperation sowohl in der Normung als auch in der Zertifizierung und der Terminologie aussprach: "Es sind Potenziale auf beiden Seiten da."

Wie die Kooperation bereits jetzt konkret aussieht, skizzierte Lotsmanov am Beispiel des russischen Gassektors. Gazprom arbeite derzeit daran, rund 100 Europäische Normen zu übernehmen. Der Energiebereich - Erdöl und Gas - war auch eines der ausgewählten Schwerpunktthemen des ersten Tages der Konferenz, die Austrian Standards in Kooperation mit RSPP und der Föderalen Agentur für Technische Regulierung und Metrologie (ROSSTANDART) derzeit durchführt. Hintergrund dafür sind u.a. die wachsende Bedeutung der russisch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen und die im Mai dieses Jahres unterzeichnete Modernisierungspartnerschaft beider Länder.

Im Energiebereich geht es in erster Linie um Versorgungssicherheit, wie Dipl.-Ing. Dr. Alexander Buchsbaum, Senior Expert der OMV Refining & Marketing GmbH, betonte. Gerade für Fahrzeugtreibstoffe seien Normen unerlässlich - von Qualitätsanforderungen über Prüfmethoden und ganz besonders bei Fragen der Beimengung nachwachsender Treibstoffe bzw. beim CO2-Ausstoß. Um Fragen der Gasqualität und deren Harmonisierung ging es in einem Vortrag von Dipl.-Ing. (FH) Alexander Schwanzer, Head of certification & representative in European gas affairs beim Österreichischen Verband für das Gas- und Wasserfach ÖVGW. Ein erster Bericht dazu wird noch Ende November 2011 erwartet, die entsprechenden Normen dazu sollen 2014 fertig sein, so Schwanzer. Es sei beabsichtigt, Gazprom, einen der größten Lieferanten für Europa, verstärkt in die Normung einzubinden. Über die russischen Normungsaktivitäten und Neuerungen dazu informierte Oleg Nazarov von Jsp - Gazprom Automation.

Eisenbahn und Bausektor

Standards als Wettbewerbsfaktor waren zentraler Punkt der Vorträge zum Sektor Eisenbahn. Dipl.-Ing. Roman Schremser, für Infrastrukturnormung zuständiger Komitee-Manager bei Austrian Standards Institute, gab dabei einen Überblick über die laufenden europäischen Projekte. Dabei geht es, so Schremser, keinesfalls nur um Spurweiten, sondern vielmehr um das Zusammenspiel von Infrastruktur und Betrieb. Fragen, die auch Dipl.-Ing. Friedrich Walter von den ÖBB sowie, aus der Perspektive eines Lieferanten, Dipl.-Ing. Klaus Lubosch, Siemens, ansprachen. Die grundlegenden Änderungen im russischen Eisenbahnsektor illustrierte Vladimir A. Matushin, Vizepräsident der Vereinigung russischer Hersteller von Eisenbahnausstattungen. In Russland werde derzeit, so berichtete er, der gesamte Bereich der technischen Regelungen im Bahnbereich überarbeitet und dabei die Rolle von Normen deutlich aufgewertet. Ziel sei es unter anderem, bis 2014 in allen GUS-Staaten ein einheitliches Zertifizierungssystem zu etablieren, um Marktgerechtigkeit und Sicherheit zu gewährleisten.

Die Eurocodes als neue europaweit gültige Standards für die Berechnungen im gesamten Bauwesen waren Thema des Sektors Bau. Dipl.-Ing. Dr. Jochen Fornather, Komitee-Manager bei Austrian Standards Institute, beantwortete dabei die Frage, ob Österreich seine Pionierrolle bei der Umsetzung der Eurocodes erneut auf sich nehmen würde, mit einem klaren "Ja". Denn die rasche Umsetzung habe - "trotz aller Probleme, die man als Pionier eben hat" - zahlreiche Vorteile gebracht. Dazu zählte Fornather die steigende internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Bauwirtschaft gegenüber Ländern, die erst jetzt umstellen. Fornather: "Das ist ein Vorsprung von zwei bis drei Jahren. Dazu kommt noch ein Wissensvorsprung in der Ausbildung der Techniker von rund vier Jahren." Außerdem konnten Probleme durch parallel bestehende Europäische und nationale Normen vermieden werden.

Auf das Verhältnis neuer Normen auf aktuellstem technischen Stand und der bestehenden historischen Bausubstanz - Fragen, die sich sowohl für Österreich wie auch für Russland stellen - ging Dipl.-Ing. Erich Kern, Ingenieurkonsulent für Bauwesen und Mitglied des Präsidialrats von Austrian Standards Institute, in seinem Vortrag "Neue Normen für alte Gebäude - kann das funktionieren?" ein. Hier herrsche, so Kern, große Unsicherheit, weshalb eigene Standards für Umbauten und Modernisierungen notwendig seien. In Österreich wird derzeit an der ON-Regel ONR 24009 gearbeitet, die eine Bewertung der Tragfähigkeit bestehender Hochbauten ermöglichen bzw. erleichtern und hier vermehrt Rechtssicherheit geben soll. Über eine Annäherung im Bereich der Baunormen zwischen der EU und Russland informierte abschließend Alexander V. Fadeyev.

Die internationale Russland:Österreich Konferenz wird am Donnerstag fortgesetzt. Als hochrangige Referenten werden dabei unter anderem ISO-Präsident Dr. Boris Aleshin sowie der Leiter von ROSSTANDART, Prof. Dr. Grigory Elkin, erwartet.

(Ende)
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